Tag 374: Es geht wieder Bergauf

von Heiko Gärtner
12.01.2015 22:06 Uhr

Es ist da!!! Unser Paket ist doch noch angekommen! Laut Paketverfolgung traf es bereits gestern Nachmittag um 13:45 Uhr auf der Poststelle ein. Genau 15 Minuten nach Dienstschluss also. Heute in der Früh konnten wir es dann abholen. Diesmal war nur eine Kundin vor uns und es hatte nur ein einziger Schalter geöffnet. Damit betrug unsere Wartezeit dann nur noch gute 10 Minuten. Als wir an der Reihe waren, verneinte die Beamte meine Frage nach dem Paket zunächst. „Das kann nicht sein,“ sagte ich empört, „im Internet steht, dass es gestern Nachmittag hier eingetroffen ist.“

Man bat uns einen Moment zu warten. Dann richtete die Frau ihren Blick nicht mehr nach links, sondern nach rechts auf den kleinen Haufen mit neuen, noch nicht einsortierten Paketen. Sofort erkannte ich eines in länglicher Form darunter, das ohne jede Frage das Paket mit meiner Deichsel war.

„Dieses da!“ rief ich und deutete darauf.

Die Frau hob es auf und fragte mich noch einmal nach meinem Namen.

„Tobias Krüger“, antwortete ich.

„Dieses hier ist auf den Namen Karl Gärtner zugestellt, das kann ich Ihnen nicht geben!“ antwortete sie.

Verwirrt schaute ich auf das Paket. Der Versanddienst hatte das Schild, das Heikos Eltern auf das Päckchen geklebt hatten noch einmal mit einem neuen überklebt, so dass nur noch ein Teil vom Absender zu lesen war. Leider reichte das Englisch der Frau nicht aus um ihr den Unterschied zwischen einem Absender und einem Adressaten deutlich zu machen. Auf dem oberen Aufkleber stand alles noch einmal in kleiner Computerschrift. Allerdings hatten die Beamten meinen Namen nicht richtig lesen können und hatten daher Tobiols Krüger geschrieben, was noch immer nicht der Name war, der auch auf meinem Reisepass stand. Es kostete uns noch einige Mühe, die Damen davon zu überzeugen, dass dieses Paket wirklich an uns gerichtet war. Dann hielten wir es in den Händen.

Ein dicker Stein fiel uns vom Herzen. In der letzten Nacht hatten wir uns schon alle möglichen Szenarien durch den Kopf gehen lassen, wie wir mit der Situation umgehen sollten, wenn das Paket nicht angekommen wäre. Doch nun war alles gut und wir konnten einfach weiterwandern.

Der Weg führte uns heute vom Meer weg mitten hinein in die Berge. Es erwartete uns ein Aufstieg mit 615 Höhenmetern auf einer Strecke von nur 8 Kilometern. Und dann folgten weitere 10 Kilometer bis in die nächste kleine Ortschaft. Ich muss zugeben, dass wir über diese Aussichten am Morgen noch gar nicht begeistert waren. Doch mit jedem Schritt, den wir dem Bergpass näher kamen, waren wir vom Gebirge wieder mehr überzeugt. Klar keuchten und schwitzten wir wie zwei ausrangierte Dampfloks, doch dafür herrschte eine Friedlichkeit um uns herum, die wir schon fast nicht mehr für möglich gehalten hatten. Kein Autolärm war zu hören, keine Baumaschinen und auch sonst kein Störgeräusch. Einige Vögel zwitscherten, der Wind rauschte sanft in den Zweigen und hier uns da knackte ein Ast. Ansonsten herrschte absolute Stille. Wie angenehm das war! Deutlich spürte ich, wie meine Gedankenstimmen im Kopf wieder leiser wurden. In den letzten Wochen war es mir nicht bewusst aufgefallen, doch es hatte kaum einen Moment gegeben, in dem ich wirklich im Jetzt war. Oft hatte ich es versucht, doch es wollte mir einfach nicht gelingen. Jetzt wurde es plötzlich wieder leichter.

„Oha,“ meinte Heiko, „da merke ich erst mal, was in mir alles los ist! Die letzten Wochen haben doch mehr an inneren Geräuschen verursacht als ich dachte...“

Auch die Menschen waren plötzlich freundlicher, als wir es bislang erlebt hatten. Man grüßte und winkte uns und drei Motorradfahrer luden uns sogar auf ein Glas Wasser in eine Bar ein.

Der Himmel war bewölkt und über den Bergen lag ein Dunstschleier aus leichtem Nebel, der alles in eine mystische Stimmung hüllte. Es war ein völlig anderes Gefühl hier zu wandern, als über die stark befahrenden Küstenstraßen zu hetzten. Wenn nur diese Anstrengung nicht wäre! Aber man kann wohl nicht alles haben.

Nach 18,5 km erreichten wir Mattarana, ein kleines Bergdorf, das direkt an unserer Straße lag. Hier dauerte es genau eine Minute, bis uns ein freundlicher Mann ein Zimmer in einem Gemeindehaus anbot und sogar noch nach etwas zu Essen für uns schauen will. Nur die Kälte ist leider die gleiche wie unten an der Küste. Da werde ich mich jetzt wohl etwas aufwärmen, in dem ich meine Deichsel tausche.

Spruch des Tages: Ab in die Berge!

 

Höhenmeter: 615m

Tagesetappe: 18,5

Gesamtstrecke: 6828,37 km

Wetter: Bewölkt bei etwa 14°C

Etappenziel: Gemeindehaus, 19020 Mattarana, Italien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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