Tag 419: Die Wahrheit über Franz von Assisi

von Heiko Gärtner
27.02.2015 20:52 Uhr

Gestern nun konnte ich endlich das Internet nach Quellen über den heiligen Franziskus durchforsten. Gemeinsam mit dem was uns Susen und der Pfarrer erzählten, bei dem wir heute übernachten dürfen, ergab sich ein recht anschauliches Bild. Beim durchforsten der Texte kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Begründer des Franziskanerordens war ein Mann wie wir. Tatsächlich fanden wir uns in seiner Biografie an so vielen Stellen wieder, dass es fast etwas unheimlich war.

Das Leben des heiligen Franziskus begann vor gut 800 Jahren, in einer Zeit die geprägt war von allerlei Umbrüchen und sozialen Veränderungen. Die Schere zwischen Arm und Reich driftete immer weiter auseinander, überall brodelte und kriselte es, es gab viele Auseinandersetzungen und viele soziale Spannungen. Es war eine Zeit, die abgesehen vom mittelalterlichen Ambiente erstaunlich viele Parallelen zu unserer heutigen hatte.

Geboren wurde der spätere Gründer des Franziskusordens im Jahre 1181 oder 1182 in Assisi. Er war der Sohn reicher Tuchhändler und sein Vater hatte für ihn ebenfalls ein komfortables und wohlhabendes Leben vorgesehen. Sein eigentlicher Name war jedoch überhaupt nicht Franz oder Franziskus sondern Giovanni Battista Bernardone. Giovanni ist die italienische Form von Johannes und geht auf Johannes den Täufer zurück. Als der kleine Giovanni geboren wurde, befand sich sein Vater jedoch gerade auf einer Geschäftsreise in Frankreich. Nachdem er zurückkehrte und seinen Sprössling sah, gab er ihm den Spitznamen Francesco was so viel heißt wie ‚kleiner Franzose’ oder ‚Französlein’. Einigen Quellen zufolge war auch seine Mutter französischer Abstammung, was sie auch gerne zur Schau stellte. Der kleine Giovanni kopierte diesen Stil und liebte es, sich wie ein französischer Adeliger zu benehmen, was vielleicht ebenfalls ein Grund für den Spitznamen gewesen sein mochte.

Da sein Vater in ihm schon als Kind einen bedeutenden Kaufmann sah, sorgte er dafür, dass Francesco eine gute Schulbildung bekam und scheute keine Kosten und Mühen um ihm ordentlich das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Franz selbst war zu dieser Zeit ziemlich überzeugt von den Annehmlichkeiten, die das Vermögen seines Vaters mit sich brachte. Er liebte das Leben, die Liebe und die Lust und war bei seinen Freunden bekannt dafür, dass er die besten Partys in ganz Italien schmiss. Kurzum, er ließ es krachen, ließ sich selbst feiern und ließ die Sau raus, wo er nur konnte. Dies war der erste Punkt, an dem sich Heiko in seiner Biografie wiederfand. Auch seine Jugend war von ausschweifenden Partys geprägt gewesen für die er damals sogar bis nach Thailand gefahren war. Auch die Idee im elterlichen Betrieb einzusteigen und so das Familienvermögen zu vergrößern war nicht fremd.

Franz war jedoch nicht nur ein begeisterter Partygänger, er war auch ein absoluter Fan des Rittertums und träumte bereits als Kind davon, eines Tages einmal ein Ritter zu werden. Dieser Traum sollte schneller und härter in Erfüllung gehen, als er selbst geglaubt hätte. Denn in der Zeit in der Franzisco jung war, begannen viele italienische Städte damit, sich gegen ihre Herrscher aufzulehnen und versuchten unabhängig zu werden. Das führte jedoch in erster Linie zu einer Reihe von Kleinkriegen, bei denen die einzelnen Städte gegen ihre Nachbarstädte kämpften. Als Franz 20 Jahre alt war befand sich Assisi im Krieg mit Perugia. Francescos Vater war zwar reich, doch das änderte nichts daran, dass er ein einfacher Bürger war. Durch einen ordentlichen Kriegsdienst hingegen gab es zumindest die Chance, dass man seine Familie in den Adelsstand erhob. Daher schickte er seinen Sohn in die Schlacht gegen Perugia und Franz, der eh gerne ein Ritter sein wollte, war mit Begeisterung dabei. Zumindest am Anfang, denn er wurde schon bald verwundet und als Kriegsgefangener in Perugia eingekerkert. Über ein Jahr verbrachte er im Gefängnis, bis ihn sein Vater mit einer Lösegeldzahlung befreite. Dieses Jahr in Gefangenschaft veränderte sein Leben. Er wurde schwer krank und hatte außerdem genug Zeit um mit sich selbst alleine zu sein und sein Leben noch einmal Revue passieren zu lassen. Plötzlich stellte er alles in Frage. Sein Partyleben, seine Begeisterung fürs Kämpfen, das Leben als Kaufmann, das sein Vater für ihn vorgesehen hatte, ja sogar den Reichtum und die Vorteile von materiellen Gütern an sich.

Doch wie so oft bei Erkenntnissen, die man in derartigen Lebenskrisen hat, rückten die Zweifel nach seiner Befreiung zunächst erst mal wieder in den Hintergrund. Mit der Heimkehr kehrte auch das normale Leben zurück, begleitet von dem Gefühl, dass man doch alles wieder irgendwie in normalen Bahnen regeln müsse. Doch die Erschütterung seiner Weltsicht war da. Er konnte sie zwar verdrängen, aber nicht mehr ablegen.

So kam es, dass er bereits ein knappes Jahr nach seiner Freilassung wieder in den Krieg zog. Diesmal wollte er Walter III. von Brienne, einen Lehnsherren des Papstes auf einen Kreuzzug nach Süditalien begleiten. Doch noch bevor er Apulien, den Treffpunkt mit den papsttreuen Rittern erreichte, besann er sich eines Besseren und kehrte wieder um. Den Legenden nach soll er auf seiner Reise einen Traum gehab haben in dem ihm Gott erschien und ihm indirekt von seiner Kriegsplanung abriet. Nach Thomas von Celano, dem Autor der zweiten Franziskus-Biografie, soll der Dialog zwischen Franz und Gott im Traum etwa so abgelaufen sein:

Gott: „Wer kann dir Besseres geben? Der Herr oder der Knecht“ Das Franz gerade dabei war, sich in den Dienst des Papstes zu stellen lässt die Vermutung nahe, dass Gott an dieser Stelle wohl den heiligen Vater mit ‚Knecht’ meinte.

Franz: „Der Herr!“

Darauf die Stimme Gottes: „Warum dienst du dann dem Knecht statt dem Herrn?“

Franz: „Was willst du Herr, das ich tun soll?“

Der Herr: „Kehre zurück in deine Heimat, denn ich will dein Gesicht in geistlicher Weise erfüllen.“

Wenn ihr mich fragt, dann hat das Gespräch schon so einen Touch von Coyote-Teaching. Gott befielt ihm nicht, sondern stellt ihm zunächst Fragen, so dass er selbst darauf kommen kann, was er will. Franz jedenfalls nahm diese Vision zum Anlass, seinen Kreuzzug abzubrechen und kehrte nach Assisi zurück. Diesmal jedoch änderte er sein Leben endgültig. Seine Zweifel und seine Gedanken ließen ihn nicht mehr los. Er zog sich immer mehr aus seinem Partyleben und damit auch aus seinem Freundeskreis zurück und suchte die Einsamkeit mit sich selbst. Im folgenden Jahr machte er eine Pilgerreise nach Rom, bei der er der Legende nach einen Bettler traf, mit dem er seine Kleider tauschte um sich einmal probeweise in das Leben in Armut einzufühlen. Er machte also tatsächlich eine Obdachlosentour, ähnlich wie wir vor zwei Jahren und teste das Leben ohne Geld erst einmal, bevor er sich endgültig dafür entschied. Nach seiner Rückkehr kümmerte er sich um einen Leprakranken und wurde immer mehr zum Aussätzigen. Bereits damals spaltete er die Menschen in zwei Lager. Einige waren fasziniert von seinem plötzlichen Lebenswandel, doch für die meisten war er ein Sonderling. Er zog viel Spott und Hohn auf sich, kümmerte sich jedoch nicht großartig darum. Den Erzählungen zufolge ging er durch die spottenden Menschenmengen wie ein Taubstummer, der von ihren Beleidigungen nichts mitbekam. Seine Eltern sahen das hingegen weniger entspannt und sein Vater begann bereits damals sich Gedanken um das Ansehen der Familie zu machen. Auch konnte er nicht verstehen, warum sich sein Sohn trotz all des Spottest zu diesem Lebenswandel entschied.

Eines Tages betete Franz in einer kleinen Kapelle in San Damiano, nahe der Stadt. Hier hatte er eine Vision in der Jesus vom Kreuz zu ihm sprach und ihm auftrug, seine Kirche wieder aufzubauen: „Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“ Zunächst nahm Franz die Bitte wörtlich. Er erbettelte sich Baumaterial und begann damit, die Kapelle in der er die Vision hatte zu renovieren. Als er damit fertig war, machte er mit einer zweiten Kapelle weiter und baute anschließend die Kleine Kapelle mit dem Namen Portiuncula, die noch heute in Mitten der großen Basilika in Santa Maria degli Angeli steht. Erst später wurde ihm bewusst, dass Jesus nicht wirklich das Kirchengebäude sondern vielmehr die christliche Kirche an sich gemeint hatte. Als ihm das klar wurde, versuchte er, dem Wege Jesu so gut es ging zu folgen.

Fortsetzung folgt...

 

 

Spruch des Tages: Der, der mit seinen Händen arbeitet, ist ein Arbeiter. Der, der mit seinen Händen und mit seinem Kopf arbeitet, ist ein Handwerker. Der, der mit seinen Händen, seinem Kopf und seinem Herzen arbeitet, ist ein Künstler. (Franz von Assisi)

 

Höhenmeter: 190 m

Tagesetappe: 16 km

Gesamtstrecke: 7682,77 km

Wetter: bewölkt, hin und wieder bricht die Sonne durch

Etappenziel: Pilgerherberge des Gemeindehauses, 06029 Valfabbrica, Italien

 

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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