Tag 434: Mit bestem Dank zurück

von Heiko Gärtner
13.03.2015 21:38 Uhr

Noch 1 Tage bis zu Heikos 2. Weltreisegeburtstag!

Neun Monate lang lebten wir als empfindungsfähige Wesen im Bauch unserer Mutter, bevor wir das Licht der Welt erblickten. In dieser Zeit teilten wir alles mit ihr. Wir ernährten uns von dem was sie aß und trank, durch unsere Adern floss ihr Blut und wir wurden mit dem Sauerstoff versorgt, den sie über ihre Lungen atmete. In dieser Zeit nahmen wir auch alles andere in uns auf, was in ihr vor sich ging. Die Hormone, die sie aufgrund ihrer Stimmungen ausschüttete, strömten auch in unseren Körper. Die Gefühle, die sie während der Schwangerschaft hatte, wirkten sich ebenso auf unseren eigenen Körper aus, wie auf ihren. Die Gedanken, die sie über sich selbst, über uns, über das Leben und über alles andere hatte, wurden zu den ersten Gedanken, die auch wir über die Welt hegten. Allein aus diesem Grund werden unser ganzes Leben, unsere Einstellungen, unser Selbstbild und unsere Persönlichkeit durch niemanden stärker geprägt, als durch unsere Mutter. Selbst wenn sich unser Vater in vollkommener Hingabe um uns kümmert, kann er diesen Vorsprung kaum jemals aufholen. Doch mit der Geburt endet unser Abhängigkeitsverhältnis von unserer Mutter natürlich nicht schlagartig. Wir werden in der nächsten Zeit gestillt und somit auch weiterhin von ihr ernährt, selbst wenn wir nun in der Lage sind, selbstständig zu atmen. Als neugeborenes Lebewesen sind wir feinfühliger, als wir es jemals wieder in unserem Leben sein werden und somit nehmen wir auch in den kommenden Jahren direkt oder in direkt alles auf, was uns unsere Mutter vorlebt.

Nun ist es natürlich so, dass auch unsere Mütter bereits als Embryo von ihren Müttern geprägt werden und dass wir in einer Gesellschaft aufwachsen, in der diese Form der Prägung, naja, sagen wir mal, nicht gerade ideal verläuft. Ein Wolfsjunges, das in Kannada irgendwo im Busch aufwächst, lernt genau auf diesem Wege alles was es braucht um ein Leben zu führen, dass seiner Natur entspricht. Wir jedoch haben nicht einmal mehr eine Idee davon, was unsere Natur eigentlich ist und stattdessen füllen wir unsere Kinder mit Existenzängsten, mit Vorstellungen darüber, was eine standesgemäße Karriere ist und wie man so erfolgreich wie möglich die Liebe, die Anerkennung und das Geld anderer ergattern kann. In unserer Zivilisation sind das auf ihre Art ebenfalls wichtige Fähigkeiten und wenn wir sie nicht lernen würden, dann würden wir höchstwahrscheinlich sehr schnell sterben. Doch sie führen leider nicht dazu, dass wir uns zu natürlichen, göttlichen und kraftvollen Wesen entwickeln, die in vollkommener Harmonie mit sich selbst und der Welt sind und die angstfrei ihren eigenen Lebensweg gehen können. Stattdessen werden wir viel mehr zu Gesellschaftslemmingen, die sich selbst so weit verbiegen und verleugnen, dass sie sich an die Regeln der Zivilisation anpassen können, ohne dabei jemals zu merken, wer sie überhaupt sind.

In den letzten Tagen hat Heiko fast jede freie Minute damit verbracht, sich in dieses Themenfeld einzuarbeiten und alles über die Verstrickungen in der Familiensystematik und in zwischenmenschlichen Beziehungen im Allgemeinen herauszufinden. Je mehr er dabei begriff, wie die Systeme funktionieren und je mehr wir uns beim Wandern darüber austauschten, desto klarer wurden uns auch unsere eigenen Verstrickungen. Jedes Mal, wenn er einen neuen Knotenpunkt erkannte und mir davon erzählte, fassten wir uns beide an den Schädel und an die eigene Nase und spürten, wie sehr wir selbst davon betroffen waren. So wurde uns nun gestern bewusst, wie sehr unser Leben im Jetzt durch das beeinflusst wurde, was wir als Kinder von unseren Müttern übernommen haben. Wir stellten uns Fragen dazu, die wir uns anschließend selbst beantworteten.

Welche Anforderungen haben unsere Mütter bewusst oder unbewusst an uns als Kinder gestellt? Was war unseren Müttern in unserer Kindheit besonders wichtig? Was haben sie gehasst? An welche ihrer ausgesprochenen und unausgesprochenen Wünsche haben wir uns angepasst? Auf welche Art und Weise haben wir als Kinder rebelliert und wo waren wir eher brav? Wie ist es heute? Welche Gefühle verdrängen wir bis heute, aus dem Glauben heraus, dann nicht mehr so gemocht oder geliebt zu werden?

Die Liste an Punkten die dabei zustande kam war erschreckend lang. Sie wollte kein Ende nehmen und je mehr wir darüber nachdachten und uns austauschten, desto mehr stellten wir fest wie sehr wir wirklich, also auch im geistigen Sinne, die Kinder unserer Eltern waren. Heiko hatte rund 12 Jahre vor mir damit begonnen, diese Themen aufzulösen und war dementsprechend auch ein paar Schritte weiter, doch selbst ihn haute es vom Hocker, wie viele Verstrickungen noch immer bestand hatten und wie viele Ängste, die seinen Alltag prägten, eigentlich die seiner Mutter waren. Mich erschreckte vor allem die Liste mit den Gefühlen, die ich aus Angst vor Liebesentzug unterdrückte. Dass Wut, Angst Ärger, Neid, Trauer, Kummer, Eifersucht und ähnliches darauf stehen würden, das war mir klar. Doch dass auch Zuneigung, Liebe und Dankbarkeit dabei waren, damit hatte ich nicht gerechnet. Und doch war es klar! Es war mir immer schwer gefallen, jemandem zu sagen, dass ich ihn mochte oder gar liebte und selbst beim Danke-Sagen fühlte ich mich oft irgendwie unwohl. Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Doch auch viele Einstellungen, Überzeugungen und Glaubenssätze hatte ich mir nicht aufgrund von eigenen Erfahrungen angeeignet, sondern einfach so von meiner Mutter übernommen. Das fing bei meinem Opferbewusstsein und der Tendenz, allen anderen die Schuld für meine Probleme zu geben an und endete bei der Idee, die ganze Welt von ihrem Leid befreien und zu ihrem Retter werden zu müssen. Auch wenn Heiko vollkommen anders aufgewachsen war als ich und wenn sich seine Glaubensmuster oft gänzlich anders äußersten, lagen ihnen jedoch erstaunlich oft die gleichen Konzepte zugrunde. „Du darfst keine Grenzen ziehen, wenn dich jemand verletzt, denn damit verletzt du andere!“ „Mach deiner Mutter keine Sorgen!“ „Nimm dich selbst zurück und opfere dich für andere auf, dann bist du ein guter Mensch!“ Unsere Köpfe sind voll von Sätzen wie diesen und alle führen dazu, dass man sich immer wieder in den gleichen Schleifen dreht und nicht wirklich innerlich frei und zufrieden sein kann.

Am Nachmittag schlendert wir ein wenig durch den Hafen von Cesenatico und machten uns noch einmal unsere Gedanken zu diesem Thema. An einem einigermaßen ruhigen Plätzchen testeten wir dann über unsere Muskeln aus, wie sehr uns diese Glaubenssätze aus der Kindheit noch immer beeinflussten. Nicht das ihr das falsch versteht. Es geht hier nicht darum, unsere Mütter für unser Leben und unsere Probleme verantwortlich zu machen. Es war unsere freie Entscheidung als Kinder, diese Muster anzunehmen und zu unserem eigenen Leben zu machen. Doch solange wir uns nicht bewusst sind, das wir dies taten und in welchem Ausmaß, solange können wir die alten Verstrickungen auch nicht wieder loslassen. Dabei ist es vollkommen egal, wie die Beziehung zu unseren Eltern in der Gegenwart ist, ob man wie ich den Kontakt abgebrochen oder wie Heiko ein offenes, ehrliches, tiefes und freundschaftliches Verhältnis zu ihnen hat. Es geht nicht um die Eltern wie sie jetzt sind, sondern darum wie man sie als Kind wahrgenommen und was man von ihnen übernommen hat. Natürlich haben sie immer nur in bestem Wissen und Gewissen gehandelt und haben alles was sie machten aus Liebe gemacht. Doch als Kinder ihrer eigenen Eltern waren auch sie natürlich automatisch voll von Verstrickungen und die stecken nun auch in uns.

Doch zurück zum Thema. Wie sehr wurde Heiko also bis heute durch die Glaubensmuster beeinflusst, die er in seiner Kindheit übernommen hatte? Seine Muskeln waren eindeutig: Der Wert lag bei 100%. Bei mir war es sogar noch krasser! Das erste Mal kraft hatte ich bei 110 Millionen Prozent. Ich glaube nicht, dass der Wert selbst in diesem Bereich noch eine besondere Rolle spielt, aber ich denke, dass mir mein höheres Selbst eindeutig klar machen wollte, dass es hier wirklich noch einiges aufzuarbeiten gab.

Anschließend testeten wir, wie stark unsere Verbindung zum Kosmos und zu Mutter Erde war. Eigentlich sollte jedes Geschöpf immer mit den beiden Kräften verbunden sein, doch durch unsere Erziehung ist das bei uns leider kaum noch der Fall. Heikos Verbindung zum Kosmos lag bei 20%, während er bei der Erdung sogar 98% erreichte. Das war ein stolzer Wert. Ich kam bei beiden einheitlich immerhin auf 2%, was mich zunächst ein bisschen frustrierte. Doch wenn ich ehrlich zu mir war, dann fühlte es sich im Moment auch noch nicht stärker an. Dennoch wollte ich, um mich wieder besser zu fühlen einen Vergleich haben und fragte meine Muskelkraft, wie es noch vor zwei oder drei Jahren ausgesehen hatte. Hier lag ich bei 0%. Ich war nicht gerade der schnellste, aber immerhin, ich machte fortschritte. Als wir dann auch noch die Verbindungen zu den vier Richtungen des Medizinkreises Osten, Süden, Westen und Norden sowie zu unserem eigenen Herzen testeten, war es dann aber doch etwas zu viel für mich. Heiko hatte in allen Bereichen volle 100% und ich lag zwischen 0,4% und 0,9%. Nach den ersten beiden Testungen bei mir bekam Heiko einen Lachflash und konnte sich überhaupt nicht mehr einkriegen. Völlig verwirrt saß ich da. Auf der einen Seite musste ich ebenfalls laut lachen und gleichzeitig war mir zum heulen zumute. Irgendwie fühlte ich mich ausgelacht und nicht ernst genommen und gleichzeitig spürte ich, wie sehr es auch gut tat, das alles mit Humor zu nehmen. Später begriff ich, dass Heikos wahrer Grund für seinen Lachanfall ganz woanders lag. Er hatte in den letzten Tagen wieder viel stärkere Ohrgeräusche bekommen und war nicht selten kurz davor durchzudrehen, wenn er sich der Angst hingab, dass sie vielleicht bleiben könnten. Natürlich wusste er, dass es sich dabei lediglich um eine Erstverschlimmerung also eine Heilkrise handelte, die anzeigte, dass er dabei war einen neuen Schritt zu machen. Doch es fühlte sich einfach nicht so an. Gleichzeitig hatte er von mir das Gefühl, dass es mir vollkommen gut ging und ich ziemlich in meiner Kraft stand. Jetzt zu sehen, dass er eigentlich sehr gut dastand und auf dem Weg der Besserung war, ließ die ganze Angst von ihm abfallen und machte Platz für das Lachen.

Auch bei mir lösten sich dadurch die Gefühle. Ich begann loszuheulen und der Trauer Raum zu geben, die ich sonst immer unterdrückt hatte. Und noch während ich weinte musste ich ebenfalls laut lachen. Immer im Wechsel, manchmal sogar zeitgleich. Ich spürte, wie traurig ich darüber war, dass ich mich so weit von mir selbst entfernt hatte und dass wir uns als ganze Menschheit dafür entschieden hatten, den Kontakt zu uns selbst abzubrechen. Plötzlich kam Trauer über alles Mögliche in mir auf, von dem ich gar nicht genau sagen kann, wo sie herkam. Doch es fühlte sich gut an und ich war dankbar, dass ich sie zulassen konnte.

Um uns selbst wieder etwas aufzuheitern, testeten wir im Anschluss gleich auch noch einmal die Werte für alle möglichen anderen Wesen aus. Wir konnten dabei natürlich nur unsere eigenen Muskeln testen und darauf vertrauen, dass wir in diesem Moment an das allgegenwärtige Wissen angeschlossen sind. Die Angaben sind daher alle ohne Gewähr, wie es im Lotto immer so schön heißt. Jesus beispielsweise hatte eine 1.000%ige Verbindung zur Erde, jedoch nur eine 70%ige zum Kosmos. Bei der Kosmosverbindung hätten wir eigentlich mehr erwartet, für jemanden, der seit 2000 Jahren als Sohn Gottes gefeiert wird. Wobei 70% natürlich schon der Knaller sind. Der Dalai Lama war in der kosmischen Verbindung hingegen deutlich besser, schnitt jedoch bei der Erdung geringer ab. An die genauen Werte erinnere ich mich leider nicht mehr. Alle Passanten, die an uns vorüber gingen lagen ausnahmslos bei 0% auf allen Ebenen. Die Möwen, die über uns kreisten hingegen hatten in beide Richtungen eine 100%ige Verbindung. Es schien also wirklich so zu sein, wie wir es vermutet hatten. Erleuchtung hatte nichts mit einem großartigen Seienssprung zu tun, sondern ist eigentlich der Naturzustand, in dem sich jedes Lebewesen befindet, außer eben der Mensch.

Am Abend in unserem Kloster machten wir dann ein Ritual, um die Verstrickungen mit unseren Müttern zu lösen. Als Kind hatten wir uns dafür entschieden, ihre Themen als die unseren zu übernehmen. Nun gaben wir sie in einer Meditationsreise wieder an sie zurück. Es waren ihre Themen, die uns nichts angehörten und erst, wenn sie sie wieder bei sich hatten und wir dadurch die Verstrickungen und die Fesseln zwischen uns lösten, konnten sie auch wieder frei Entscheiden, was sie damit anfangen wollten. Vielleicht würden sie sie ebenfalls an ihre Mütter zurückgeben so dass sich die Ahnenkette rückwirkend auflösen konnte. Heiko sah eine kleine schwarze Box, in Form eines Herzens, in die er all die Dinge legte, die er übernommen hatte, ohne dass sie ihn etwas angehörten. Ich machte das gleiche, wobei ich meine Themen jedoch in eine Art Weihnachtsmannsack legte. Dabei spürte ich plötzlich einen heftigen Druck auf meinem Bauch. Heiko half mir dabei, nach weiteren Verstrickungen und Themen zu suchen, die ich zuvor nicht erkannt hatte und je mehr ich in den Sack legte, desto mehr verschob sich der Druck. Schließlich spürte ich ihn nur noch im unteren Darmbereich und in meiner Niere und nachdem ich meinem Geschenkebeutel noch allerhand Beziehungsmuster beigelegt hatte, verschwand er fast vollständig. In meinem Darm rumorte es wie in einer Kohlefabrik. Alles schien nach unten zu strömen, so als wollte mein Körper ebenso ins Loslassen kommen wie mein Geist. Nach dem Ende des Rituals musste ich dann erst einmal aufs Klo. Wer weiß, vielleicht ist ja wirklich auf beiden Ebenen einiges angestoßen worden.

Spruch des Tages: Mit bestem Dank zurück.

 

Höhenmeter: 0 m

Tagesetappe: 13 km

Gesamtstrecke: 7963,77 km

Wetter: sonnig und windig, hin und wieder bewölkt.

Etappenziel: Kloster Frati Minori de San Francesco, 48015 Cervia, Italien

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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