Tag 503: Das Ballon-Ritual

von Heiko Gärtner
23.05.2015 01:02 Uhr

Nachtrag.

Am kommenden Abend, als wir in unserem Zelt im Garten der kleinen geschlossenen Pension lagen, machten wir ein weiteres Heilungsritual, bei dem wir die Situation mit dem Luftballon auflösten. Wieder hielt ich dabei Heikos Ohren und wieder luden wir die Helfer aus den anderen Welten ein, um uns zu unterstützen.

Wir lenkten unsere Aufmerksamkeit vollkommen auf den gegenwärtigen Zeitpunkt und reisten dann wie mit einer Zeitmaschine auf dem Zeitstrahl zu jenem Moment in Heikos Leben zurück, als er fünfeinhalb Jahre alt war und jenen bedeutungsvollen Luftballon in der Hand hielt. Es war ein grüner, länglicher Luftballon, kein normaler runder, sondern einer von der Sorte, die eher an eine lange Wurst erinnert. Diese Ballons sind von Natur aus deutlich schwerer aufzupusten, als die runden und wie fast alle Kinder hatte auch Heiko damit immer große Probleme gehabt. Doch an jenem Tag schaffte er es. Zum ersten Mal.

Heiko schaute sich um. Er befand sich im Haus seiner Eltern, genauer gesagt in der Küche. Die Küche selbst konnte er jedoch nicht sehen. Sie blieb unklar und verschwamm, da sie für diese Situation offensichtlich keine Bedeutung hatte. Stattdessen nahm Heiko eine Uhr wahr, die laut tickte, so als wolle sie einem sagen, dass die Zeit unaufhörlich verrinnt. Heiko schaute sie sich genauer an und stellte fest, dass diese Uhr als Symbol für Stress ebenfalls in ihm verankert war. „Die Zeit verrinnt unaufhaltsam! Es bleibt kein Raum für Entspannung und Freude, denn man muss die Zeit nutzen um zu Arbeiten“ Wie eine feste Schlinge strickte sich dieser Glaubenssatz in Heikos Unterbewusstsein fest. Er war verbunden mit dem Satz, dass man nur dann überleben konnte, wenn man hart arbeitete. Behutsam lösten wir die Verstrickung auf und befreiten Heiko von diesem Glaubensmuster, das wir durch ein neues, hilfreicheres ersetzten:

„Alles kommt zu seiner Zeit und es ist genug Zeit um in vollkommener Gesundheit, Entspannung und in Glückseligkeit zu leben.“

Es ist nicht notwendig, etwas zu erschaffen, denn das Leben erschafft sich selbst. Wenn wir im Vertrauen leben und unserer Intuition folgen, werden wir automatisch das Erschaffen, was unser Beitrag zum Universum ist.

Dann war da natürlich der Knall, der wie eine Art Bestrafung über Heiko hereingebrochen war. Er war ein bisschen, wie eine Ohrfeige oder ein Schlag, den man bekam, wenn man sich freute und etwas machte, das einem Spaß bereitete. Und zum ersten Mal kamen hier die Ohren ins Spiel. Man kann der Welt nicht trauen, denn wenn man nicht aufpasst und sich der Freude hingibt, dann erschreckt sie einen mit einem lauten Knall. Ein Weckruf oder auch ein Warnhinweis, der mit Leid und Furcht verbunden war. Auch diese Schiene lösten wir auf und gaben sie in ein Wandlungsfeuer.

„Ist der Ballon-Konflikt damit gelöst?“ fragten wir Heikos höheres Selbst über den Muskelreflexionstest.

Die Antwort war eindeutig: „Nein!“

Etwas fehlte also noch.

„Schauen wir uns doch die Ballonsituation selbst noch einmal an. Was ist mit der Angst, die du in diesem Moment gespürt hast?“

Es war eine Art Schock und gleichzeitig so etwas wie Wut und Enttäuschung darüber, dass die Welt ihn auf diese Weise zu bestrafen schien.

Heiko fiel ein, dass dies bereits die erste Situation war, in der er sich dazu entschieden hatte, seine Gefühle lieber zu verbergen.

Der Schock, den er durch den unerwarteten Knall erlitten hatte saß tief und er hatte damals begonnen zu weinen.

Seine Mutter wollte ihn trösten und versuchte ihn mit den Worten aufzumuntern: „Du musst doch keine Angst haben, es ist doch nur ein Luftballon!“

Die Worte waren ohne jede Frage gut gemeint, doch was kam dabei wirklich beim kleinen Heiko an?

Er verstand etwas vollkommen anderes, als dass ihm Trost und Mut zugesprochen wurde. Er verstand, dass es nicht in Ordnung war, sich vor dem Knall eines Ballons zu fürchten. Er war also nicht richtig, weil er diese Empfindungen hatte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Zum einen stellte er für sich fest, dass man Gefühle, wie Angst oder Schrecken nicht äußert. Man behält sie lieber für sich und vergräbt sie in seinem inneren, denn wenn man sie herauslässt, dann führt das nur dazu, dass andere sich Sorgen machen. Zum anderen verstand er auch, dass die Gefühle, die er hatte nicht die richtigen waren. Ein plötzlich zerplatzender Ballon löste normalerweise keine Angst aus. Es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Da er sich jedoch ganz offensichtlich fürchtete, blieb nur die Schlussfolgerung übrig, dass er nicht normal sein konnte. Er und vor allem seine Gefühle waren also fehlerhaft. Fehlerhaft zu sein bedeutete jedoch, nicht geliebt zu werden und dies wiederum bedeutete dass man so gut wie möglich versuchen musste, sich dem Normalsein anzupassen, um doch noch Liebe zu erhaschen. Denn diese Liebe war für ein kleines Kind nun einmal lebensnotwendig und wenn ihr erhalt bedeutete, dass man dafür einen Teil seiner Persönlichkeit aufgeben musste, dann war dies ein Preis, um den man nicht herumkam.

Wieder baten wir die Helfer um Unterstützung und lösten auch diese alten Seelenverstrickungen auf. Die Gefühle, die da waren, waren richtig und wichtig. Die Angst war nicht umsonst da, sie war da, weil sie eine Botschaft hatte.

Erneut befragten wir über Heikos Muskeln sein höheres Selbst, ob wir nun die Situation geklärt und den Ballon-Konflikt aufgelöst hatten. Und wieder lautete die Antwort nein.

Etwas fehlte noch immer.

„Was ist mit der Botschaft der Angst?“ fragte ich. „Wir haben nun geklärt, dass sie da sein darf und dass es wichtig ist, ihre Botschaft zu verstehen, doch die Botschaft selbst haben wir uns noch nicht angeschaut.“

Wir kehrten in die Meditation zurück und schauten uns nun die Angst noch einmal genauer an. Was wollte sie Heiko mitteilen? Worum drehte sich die Angst genau?

Es war ein plötzlicher und unerwarteter Negativschlag in eine freudige Situation geplatzt und dieses Ereignis hatte Heikos Urvertrauen zu tiefst erschüttert. Was also steckte dahinter. Plötzlich fiel es Heiko wie Schuppen von den Augen.

Auch seine Mutter hatte diesen Glaubenssatz tief in sich verankert. „Wenn etwas zu lange gut geht, dann muss ein schreckliches Ereignis kommen, dass die Glücksserie beendet.“

Es war der Satz, der in unserer Gesellschaft so sehr verankert ist, dass er sogar ein eigenes Sprichwort bekommen hat: „Freu dich nicht zu früh, denn du weißt nie was noch kommt!“

Als Kind hatte Heiko den Satz bei seiner Mutter schon oft spüren und wahrnehmen können und wahrscheinlich hat er sich in dieser Zeit für sie auch schon einige Male bewahrheitet. Doch Heiko hatte es bislang geschafft, sein Urvertrauen aufrecht zu erhalten. In diesem einen Moment jedoch geschah aus seiner Perspektive etwas Schreckliches. Der Ballon bestätigte auch für Heiko, dass seine Mutter Recht gehabt hatte. Es ging nicht um das Platzen selbst, sondern um die Botschaft, die darin steckte. Und diese Botschaft lautete: Ich habe mich doch geirrt! Ich kann der Welt nicht trauen. Meine Mutter hatte Recht, wenn etwas zu lange gut geht, dann kommt kurz darauf ein böses Erwachen.

Dies bedeutete natürlich auch, dass das Urvertrauen, das Heiko bislang in das Leben gesteckt hatte, unbegründet, ja sogar gefährlich war.

Doch jetzt, da Heiko die Dinge als Erwachsener aus einer anderen Perspektive betrachten konnte, konnte er dem kleinen Heiko in sich dieses Urvertrauen zurückgeben. Der Ballon war nicht böse und nicht gefährlich, er war lediglich ein Spiegel für die Ängste, die Heiko als Fünfjähriger von seiner Mutter übernommen hatte. Und diese wiederum hatte sie ebenfalls von ihren Eltern übernommen, möglicherweise sogar durch einen ähnlichen Auslöser. Wenn eine Urangst im Ahnengedächtnis bereits verankert ist, dann reicht ein winziger Auslöser, um sie in der folgenden Generation zu aktivieren. Es muss kein schreckliches Ereignis sein, das die ganze Welt in Aufruhr versetzt. Es reicht ein platzender Ballon oder eine andere banale Situation, die von anderen, die dabei waren vielleicht nicht einmal bemerkt oder sofort wieder vergessen wird.

Mit der Hilfe von Heikos Krafttieren und Bob dem Baumeister, lösten wir die Verstrickungen, so dass Heiko die Angst seiner Mutter nicht mehr länger übernehmen musste. Auch der Ballon wurde aus seiner Verstrickung befreit, denn auch er war ja nur Teil eines Systems aus Spiegelfunktionen und Reizreaktionen, die alle dazu dienten Heiko und seiner Familie auf ihrem Weg zum Gottbewusstsein weiterzuhelfen.

Noch einmal befragten wir Heikos Geist, ob der Konflikt nun gelöst war, oder ob wir noch immer etwas vergessen hatten. Doch diesmal lautete die Antwort ja. Die Situation, die am Ursprung von Heikos Hör- und Revierkonflikten stand und die zum ersten Mal die Assoziation mit den Ohren hergestellt hatte, war nun aufgelöst. Damit war Heiko noch einmal einen großen Schritt weiter in Richtung Heilung gekommen.

 

 

Spruch des Tages: PENG

 

Höhenmeter: 230

Tagesetappe: 25 km

Gesamtstrecke: 9110,77 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Zeltplatz im Sumpf, irgendwo hinter der Stadt, 79260 Sanski Most, Bosnien und Herzegowina

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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