Tag 626: Angst vorm Grenzen-Setzen
Fortsetzung von Tag 625:
Nehmen wir noch einmal Hans her. Hans entsprach nicht dem Gesellschaftsbild und deswegen wurde er in die Psychiatrie eingeliefert und weggesperrt, ergo musste auch ich diesen Satz in mir haben, wenn ich von Hans Seelenanteil besetzt war. In mir ist also die Angst, wenn ich nicht Gesellschaftskonform bin, werde ich ausgestoßen und weggesperrt. Folglich verweigere ich mir fast vollständig mich zu verteidigen.
Einen weiteren Satz den ich in den frühen Morgenstunden aufgeschrieben habe war: „Ich will nicht glauben, dass die Welt so schlecht ist, wie sie nach den Erfahrungswerten nun mal ist.“
Auch hier greift das Gesetz der Spiegelung. Da ich Hans mit seinem erfahrenen Leid in mir gespürt habe und auch ich in der Kindheit gelernt habe, dass ich nicht richtig bin, wurde in mir der Glaubenskodex geboren „Die Welt bringt dir nichts gutes, wenn du nicht richtig bist.“
Je öfter meine Mutter aus Angst gesagt hat, ich sei nicht gut genug für die Schule, weil sie eben auch den Glaubenscodex von Hans in sich trug, desto mehr war ich davon überzeugt, das ich nicht richtig war und mir deswegen nur Schlechtes wiederfahren kann. Noch viel mehr, ich habe in mir den Glaubenssatz gespürt wenn ich nicht richtig bin, habe ich es nicht verdient im Paradies zu leben. Ich habe keine vollkomme Gesundheit verdient, keinen Reichtum und keine Glückseligkeit.
Warum?
Weil ich nicht richtig bin.
Demzufolge habe ich einen Magnetismus aufgebaut, der dazu führte, dass etwas Schlechtes auf mich zukommen muss, wenn ich Glaube, dass ich nicht richtig bin, also Gesellschaftskonform. Vielleicht habe ich auch deshalb in meiner Jugend die überstarke Rebellenphase gehabt, in der ich vollkommen anders sein wollte, als alle anderen in der Gesellschaft. Ich hatte flippige Kleidung an, ging auf Raves und die weitentfernteste Party, die ich besucht habe war in Thailand. Für mich war also klar, wenn ich nicht richtig bin, werde ich bestraft und erhalte Leid. Aber viel mehr noch. Die Schienen waren klar gelegt, wenn ich nicht richtig bin, muss ich das oder das erhalten, also Leid, Verhungerungskonflikte oder von anderen Menschen missbraucht werden (Mobbing etc.). So ist mir zu dieser Zeit bewusst geworden, dass ich im vollkommenen Himmelreich leben kann wenn ich meine Gedanken und Glaubensrichtlinien auf die Liebe ausrichte. Trotzdem fällt es mir noch immer unheimlich schwer den Gedanken loszulassen, dass ich nicht bestraft werde, wenn ich nicht Gesellschaftskonform bin. Demzufolge fällt es mir auch schwer, daran zu glauben, dass ich das absolute Himmelreich verdient habe, wenn ich meiner Schöpfungsaufgabe also meiner Lebensbestimmung folge.
Warum ist es denn so schwer für mich anzuerkennen, dass ich ein Heiler bin?
Ich weiß es nicht.
Wenn ich also das Leid, wie Mobbing oder dass genervt werden von anderen und das gestört werden in mein Leben ziehe, nur weil ich den Glaubenssatz in mir habe: Wer nicht richtig ist, muss Leid erfahren, sollte ich mich da nicht fragen, wie ich aus dem Schlamassel wieder rauskomme? Diese Veränderung kann ich nur dann einläuten, wenn ich auch meinen negativ assoziierten Glaubenssatz ins positive transformiere. Solange ich den Glaubenssatz nicht wandeln kann hänge ich in der Spirale des Leids fest.
Das heißt im Klartext: Wenn mich jemand nervt, mir Leid zu fügt, mich in meinem Leben bedroht, habe ich trotzdem das Gefühl, ihn nicht verprügeln oder ihn in die Flucht schlagen zu dürfen, um mein Sein zu beschützen. Ich bin wer ich bin und das ist gut so. Damit sage ich: „Ich bin Hans, also ein Opfer, mit dem man es machen kann und das ist gut so.“ Also gehe ich mit in die Psychiatrie und lasse die Tortur über mich ergehen und wehre mich nur so stark wie es gesellschaftskonform ist. Hans hätte ja auch einen spitzen Gegenstand ergreifen können und die Peiniger abstechen können, so dass er hätte fliehen können, aber ein geduldiges Opfer macht das eben nicht. Man erduldet stumm sein Leid. Man überhört es und sagt: Wenn ich die Augen zu mache, wird es irgendwann aufhören.
Nach diesem Muster habe ich immer gehandelt. Da Hans das Gefühl hatte, dass er auf Grund des Nicht-richtig-seins abgeschoben wurde, durften in meinem Leben die Leidensboten nur in dem Maße vertrieben werden, in der es die Gesellschaft als richtig anerkennen konnte. Denn wenn ich nicht richtig wäre, würde ich ja abgeholt werden. Und man weiß ja, wenn man anders ist als die Gesellschaft, wird man in einer Psychiatrie weggesperrt, was ja in Hans Fall sogar wirklich zugetroffen hat. Was wäre also gewesen wenn man den Autojungs die gerechte Strafe hätte zukommen lassen und ihnen gezeigt hätte, dass man keinen Menschen zu keiner Zeit degradieren darf? Wenn eine Wolfsmutter ein Junges hat, das ihre Zitzen abbeißen will, muss es das Kleine töten, so dass die anderen sechs Jungen überleben können.
Was aber ist in unserer Gesellschaft los?
Wir lassen die Gewalt eskalieren und es gibt keine Grenzen mehr. Die Gewalttäter werden geschützt und die Menschen, die gestört werden und sich gegen die Angreifer wehren müssen, bekommen die Polizei auf den Hals geschickt, weil ja die armen Jugendlichen Angst hatten. Die Frage ist doch viel mehr: „Bietet denn überhaupt noch irgendjemand den Raudis die Stirn oder schaukelt sich dadurch erst das Täter-Opfersein auf, wenn es nicht im Kleinen sofort reguliert wird?
Fragen wir uns doch einmal: Wie konnte ein Wärter entstehen, der unser Familienmitglied Hans verhungern ließ, ihn stets folterte und zu Medizinzwecken misshandelte? Niemand bot ihm die Stirn und deswegen konnten sich erst die Gewaltbereitschaft und die Verherrlichung von Macht und Unterdrückung soweit in ihm entwickeln. Hätte ihn gleich mal jemand eine auf die Zwölf gegeben, hätte er sofort gelernt, dass man so nicht mit Menschen umgehen kann. Die Frage, die nun offen war, ist: „Wie lange hatte ich den Geist von Hans in mir?“
So hat meine Mutter das Seelenfragment von Hans von ihrer Mutter übernommen. Meine Mutter erkannte, dass ihre Mutter auf Grund der Besetzung von Hans-Seelenfragment nicht genügend Kraft gehabt hätte, um noch ein weiteres Kind wie meine Mutter durchzubringen. Also ging der Geist auf meine Mutter über. Sie trug nun plötzlich die Schuld in sich, dass sie als freie Seele auf die Welt kommen durfte, aber Hans nicht frei sein durfte. Durch diesen unbewussten abgespeicherten Glaubenssatz zog sie Hans in ihr Leben. Aber auch noch aus einem weiteren Grund. Da die Mutter meiner Mutter nicht genügend Lebenskraft wegen dem Trauerprozess und der inneren Schuld in ihrem Leben aufwies, musste meine Mutter Hans zu sich nehmen, wenn sie überleben wollte. Nur durch die Schuldübernahme vom Joch der Mutter war das Überleben meiner Mutter gesichert. Schon seit ihrer frühesten Kindheit trägt meine Mutter schwer an dieser Schuldlast. So bildete sie schon sehr früh einen Rundrücken aus der das sichtbare Symbol für die Außenwelt war: Ich trage eine Last die mir nicht gehört und die für mich kleines Kind zu groß ist. So verbog sich unter der Last ihr Rücken. Sie konnte nie aufrecht gehen und stehen. Aus Angst nicht richtig zu sein, zog sie auch noch ihren Kopf wie eine Schildkröte ein die Angst vor einem Feind hat. Sie spürte eben die gleiche Angst die auch ich spürte, was mir blühen würde, wenn ich nicht richtig wäre. So konnte meine Mutter ihrer Mutter nicht die Selbstverurteilung abnehmen aber die Last der Schuld konnte sie auf ihr Joch legen.
Als ich geboren wurde standen wir wiederrum vor dem gleichen Prozedere. Schon bei der ersten Geburt wehrte sich der Körper meiner Mutter und sie brauchte fast drei Tage um meine Schwester auf die Welt zu bringen. Was ist wenn sie nicht richtig ist, wird sie dann auch wie Hans weggesperrt? Muss sie dann verhungern? In ihr war eine Angst die sie weder beim Namen benennen konnte noch bewusst wahrnehmen konnte. Das einzige was man sagen kann ist, dass sie wie eine Giraffe bei der nahenden Geburt gehandelt hat. Wenn der Giraffenmama Gefahr durch eine Raubkatze droht kann sie durch die Ausschüttung von Hormonen die Geburt bis zu drei Tage blockieren. Diese unbewusste Angst war nicht von meiner Mutter gesteuert sondern von Hans und genau deswegen wurde meine Schwester übergenau. Da Kinder tausend Antennen haben und alles mitbekommen auch wenn sie noch nicht geboren sind, wusste meine Schwester durch die unsägliche Angst der Mutter: Wenn ich nicht richtig, also übergenau bin, werde ich abgeholt und es werden Menschenversuche mit mir gemacht, also ich werde gemobbt. Ja viel mehr noch, wenn man mich nicht mehr braucht, werde ich dem Verhungerungstod überlassen. Plötzlich ist es nun erklärlich wie ein Kind solch ein Satan sein kann. Mein Vater sagte an einem Abend im Spaß: Komm Mutter wir schmeißen sie aus dem Fenster dann ist es endlich rum. Sie konnten sich nicht erklären wie ein Kind so sein konnte. Der Scheitel musste genau in der Mitte sein. Egal wie oft mein Vater meiner Schwester den Scheitel mit dem Kam zog, er war nie richtig. Wenn mein Vater dann gesagt hat: Tatjana das sieht doch super aus. Rebellierte sie und war außer sich. Meine Eltern taten dies als Trotzhandlung ab. Für mein Empfinden war es Angst vor dem nicht-richtig-sein und seinen Folgen. Also sagte meine Schwester ihren Lieblingsspruch: Aber ich will trotzdem. Mit diesem Satz signalisierte sie ich will das es noch mal gemacht wird. Es soll perfekt sein. Selbst wenn mein Vater den Scheitel mit der Wasserwage und dem Lineal zog war er oft noch nicht richtig. Auch die Schnürsenkelenden mussten alle genau identisch lang sein. Es war wie eine Wahnvorstellung der Genauigkeit. Ich muss richtig sein. So war meine Schwester ein immenser Spiegel um auf die Thematik mit Hans aufmerksam zu machen. Da meine Eltern die Spiegelgesetze nicht kannten, konnten sie dies nicht deuten und werteten es als Trotzhandlung ab. In Wahrheit war es der stumme Schrei nach Heilung für die Seele von Hans und unserer Familie. So war meine Schwester ein perfektes Schulkind sie schreib vornehmlich Einsen und lernte alles spielend. Nun sollte ich auf der Bildfläche erscheinen. Da der erste Spiegel nicht fruchtete, musste ein Spiegel auftauchen der noch mehr Leidensdruck mit sich brachte. Und wie könnte das besser sein als wenn Hans auf mich übergehen würde. Meine Mutter wollte auf Grund der ersten schweren Geburt keine Kinder mehr jedoch mein Vater trug andauernd den tiefen Wunsch in sich noch einen Jungen haben zu wollen. Ihre Angst hingegen war so groß, eine erneute Geburt auf Grund der Vorerfahrungen nicht mehr vorstellen konnte. Nach vielen Gesprächen ließ sich meine Mutter überreden und ich kleines Tempramentsbündel entstand in Spanien in einer lauen Urlaubsnacht.
Fortsetzung folgt...
Spruch des Tages: Warum fällt es uns so schwer, eine Grenze zu setzen?
Höhenmeter: 15 m
Tagesetappe: 7 km
Gesamtstrecke: 11.034,27 km
Wetter: sonnig und heiß
Etappenziel: Zeltplatz auf einem Feld, in der Nähe von Papaz, Kosovo
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