Tag 768: Zwischen den Feiertagen

von Heiko Gärtner
13.02.2016 01:36 Uhr

Von unserem Weihnachtsfest haben wir euch ja bereits erzählt, darum geht es nun gleich mit den Ereignissen zwischen den Feiertagen weiter.

27.12.

Heute ist nun der erste Tag nach Weihnachten und es scheint zumindest erst einmal wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Man spürt gerade in jeder Pore, dass das Jahr zu ende geht und dass wieder eine enorme Resümee-Phase aktiv ist. Ich werde in den kommenden Tagen noch einmal mehr darüber schreiben, wenn alles noch etws klarer ist und sich die Gedanken in meinem Kopf geordnet haben. Ansonsten gibt es heute nicht viel zu berichten. Wir sind wieder in den Bergen angekommen und haben von einem ängstlichen Pfarrer einen Platz in einer Garage bekommen, in der wir warten sollen, bis er wieder zurück ist.

Im Endeffekt stellte sich wieder einmal heraus, dass der ganze Aufwand und das hohe Sicherheitsbedürfnis unseres Gastgebers keinen tieferen Sinn verfolgten. Drei Stunden arbeiteten wir gemütlich in der Garage, dann kam ein junger Mann und schloss uns den Raum auf, den der Pfarrer uns zuvor nicht geben wollte, weil er Angst hatte, wir könnten etwas kaputt machen. Anschließend verschwand der junge Mann und wir waren komplett alleine im Pfarrhaus. Warum es jetzt in Ordnung war, zuvor aber nicht, blieb uns ein Rätsel.

28.12.

Heute schafften wir es endlich unser Paket zur Post zu bringen. Ein freundlicher junger Mann führte mich zuvor im Dorf herum und half mir dabei einen Karton und Packpapier zu finden. Dadurch konnten wir zum ersten Mal in Italien ein Paket so versenden, wie er hier vorgesehen ist. Man steckt den Inhalt nicht einfach nur in einen Karton, man wickelt den Karton anschließend in Unmengen von braunem Packpapier. Anders könnte man wohl einfach die Müllproduktionsquote, die in diesem Land obligatorisch ist, nicht einhalten. Nach nur einer Stunde Wartezeit in einem Postbüro mit quietschender Tür und flackerntem Oberlicht machte sich das Paket dann direkt auf den Weg nach Deutschland. Der Paketwagenfahrer verließ das Amt gemeinsam mit uns und schleuderte meinen, zum Glück sicher verpackten Computer auf den Beifahrersitz seines Wagens. Ich wünsche ihm eine gute Reise und freue mich schon auf seine Rückkehr.

Wir selbst blieben noch etwas länger hier im Ort. Der Pfarrer stellte uns einen kalten aber einigermaßen ruhigen Raum zur Verfügung. Bei dem Versuch, uns in den Schalfsäcken aufzuwärmen und unsere Finger aus ihrer erstaunlich unpraktischen Kältestarre zu befreien, schliefen wir kurzerhand ein und wachten erst eine Stunde später wieder auf. Die viele Anstrengung und die ständige Kälte scheinen doch mehr an unseren Kräften zu zehren, als wir es uns eingestehen wollten.

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29.12.

Es sind nun nur noch zwei Tage bis Silvester. Don Maurizio war gestern Abend mit einigen anderen jungen Leuten von einer Jugendveranstaltung zurückgekommen und hatte uns gleich einen wärmeren Raum angeboten. Eigentlich wollte er uns sogar ein Bed and Breakfast bezahlen, doch der Raum in der Sakristei reichte uns vollkommen. Er war eine Art Rockstar unter den Pfarrern, liebte es mit seinem Motorrad umherzuheizen und war bei allen Jugendlichen in der Region gern gesehen. Nach unseren eher mauen Erfahrungen mit Pfarrern in der letzten Zeit, waren wir fast etwas überrascht, so einen offenen und freundlichen zu treffen. Der letzte hatte Angst um seine Garage gehabt und dieser ließ uns den kompletten Kirchenkomplex offen, mit allen Werten, die darin standen. "Angst?" fragte er nur verwundert, als wir ihn von unserer Begegnung mit seinem Kollegen berichteten, "Wovor sollte ich denn Angst haben? Was soll den schon passieren?" Er und seine Helfer konnten gar nicht wieder aufhören, uns lauter Vorräte zu schenken unter denen Heikos Wagen bereits zu ächzen begann. In der Früh drückte er uns dann sogar noch einen 100€ Schein in die Hand. "Für schlechte Zeiten!" meinte er und verabschiedete sich. Gemeinsam mit seinem Kumpel wollte er schon seit langem einmal den Jakobsweg machen. Jetzt kam die Idee wieder neu in Ihm auf und vielleicht haben wir ja den entscheidenden Anstoß gegeben um diesen Traum endlich einmal in die Tat umzusetzen.

Unser Etappenziel heute was Vibo Valentia, eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern. Der Weg in die Stadt war nicht gerade der schönste, aber damit hatten wir ja schon fast gerechnet. 30.000 Menschen die es liebten mit ihren Autos im Kreis zu fahren, verursachten zwangsläufig eine Menge Verkehr. Dafür gab es in der Innenstadt eine Fußgängerzone in der man sogar ein bisschen Bummeln konnte. Plötzlich gab es dann auch wieder entspannte Leute, die einigermaßen fröhlich schauen konnten. Man sah ihnen förmlich an, wie sie sich darauf freuten, ihr Weihnachtsgeld zu verprassen. Da sag noch einer, Konsumrausch würde nicht glücklich machen.

In der Altstadt trafen stolperten wir mehr aus Versehen in ein Nonnenkloster, das einige Originale beheimatete. Die Nonne, die für den Empfang der Gäste zuständig war, war so schwerhörig, dass sie niemanden verstehen konnte. Dafür führte sie aber ausgedehnte Selbstgespräche, mit denen sie die Ankömmlinge unterhielt. Die Mutterobere war eine kleine, schrullige Frau mit einem großen Pflaster auf der Stirn und einer tiefen Abneigung gegen moderne Mobiltelefone. Sie versuchte einen Pfarrer für uns ausfindig zu machen und hätte ihr Handy allein in dieser kurzen Zeit am liebsten schon drei Mal gegen die nächste Wand geschleudert. Wahrscheinlich hätte sie es auch getan, wenn dort nicht die Krippe gestanden hätte, für die sich die Schüler so viel Mühe gegeben hatten. Sie hackte auf dem Touchscreen herum, als wäre er ein dreiköpfiges Ungehäuer und schnauzte das arme kleine Ding immer wieder an. Wahrscheinlich war es nicht das erste Telefon, mit dem sie auf Kriegsfuß stand, denn es war ein Outdoorhandy mit unzerstörbarer Außenhülle. Wer immer es ihr geschenkt hatte, kannte sie offenbar sehr gut.

Trotz ihrer Technikaversion schaffte es die kleine Frau uns einen Schlafplatz zu organisieren und so landeten wir schließlich in einem Haus, das zum Teil Kloster, zum Teil Pfarrhaus und zum Teil Herberge war. Den Hausbesitzer, der uns eingeladen hatte, lernten wir erst am Abend und auch nur sehr kurz kennen, da er immer im Stress war. Dafür freundeten wir uns aber mit einer lieben, mexikanischen Nonne und dem Koch an, der uns zum Essen einlud. Den Nachmittag verbrachten wir dann auf unserem Zimmer damit, unsere Homepage etwas aufzuwerten und einen Teil der Neuerungen zu organisieren, die ihr vielleicht schon entdeckt habt.

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30.12.

Zum ersten Mal seit langem entdeckten wir heute wieder einmal einen richtig schönen Wanderweg, der ruhig gelegen und trotz der Stadtnähe nicht befahren war. Wenn es hier einen Pilgerweg geben würde, dann wäre das der perfekte Weg, auf dem man ihn entlangführen sollte. Rechts von uns befanden sich Wiesen und Wälder, links von uns fiel der Berg steil nach unten ab, so dass man über die Küste und das Meer blicken konnte. Am Ende erreichten wir eine Kleinstadt, in der wir einen Platz in einem Tennisheim bekamen.

Spruch des Tages: Ein weiteres Weltreisejahr geht zu ende.

Höhenmeter: 720 m

Tagesetappe: 30 km

Gesamtstrecke: 13.677,27 km

Wetter: sonnig und frühlingshaft

Etappenziel: Gemeindehaus der Kirche, 83010 Torrioni, Italien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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