Tag 814: Warum gibt es keine Zeit? - Teil 2

von Heiko Gärtner
31.03.2016 00:24 Uhr

Fortsetzung von Tag 813: Jetzt nehmen wir aber einmal an, ihr währt nicht ganz alleine im Universum, sondern es gäbe noch irgendetwas anderes, sagen wir mal einen Schrank. So ein alter, hölzerner Bauernschrank mit schweren Türen und schönen Schnitzereien. Dieser Schrank steht nun auch mitten im Nichts, hier im ansonsten leeren Universum. Er ändert nichts daran, dass ihr euch im Bezug auf das Universum selbst noch immer mittendrin befindet und dies auch nicht verändern könnt. Aber ihr könnt euch nun selbst in Bezug auf den Schrank wahrnehmen. Ihr könnt euch dem Schrank nähern oder euch von ihm entfernen. Ihr könnt an seine Vorderseite, seinen Boden oder seine Rückseite gelangen. Der Raum an sich bleibt für euch noch immer ungreifbar, aber ihr könnt nun einen Bezug zum Schrank aufbauen. Und genau das machen wir auch. Nur dass wir unser leeres Universum nicht nur mit einem einzigen Schrank sondern mit ganz vielen Dingen füllen, zu denen wir uns in Bezug setzen.

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Genauso machen wir es aber auch mit der Zeit. Das unendliche Jetzt ist für uns nicht greifbar. Wir haben keine Vorstellung davon, was Zeit eigentlich ist. Wir können sie uns immer nur im Vergleich mit irgendetwas anderem Vorstellen. Dazu suchen wir uns gewisse Konstanten, von denen wir glauben, dass sie sich in regelmäßigen Abständen widerholen. Den Verlauf der Sonne zum Beispiel. Unsere Vorstellung von Zeit ist also nichts anderes, als das Gefühl beliebig viele oder wenige Handlungen ausführen zu können, solange die Sonne braucht um die Erde einmal zu umrunden. Wir glauben daher, dass wir uns mit der Zeit mitbewegen. Doch in Wirklichkeit sitzen wir noch immer in unserem Kinosessel und beobachten nur die Illusion der Sonne, die um die Illusion der Erde kreist, während die Illusion von uns selbst die Illusion von irgendwelchen Handlungen ausführt. Alles ist und bleibt Liebe. Alles ist unendliches, weißes, strahlendes Licht. Was aber macht es für einen Unterschied, ob es die Zeit nun wirklich gibt, oder ob wir es nur glauben? Wir glauben, dass Dinge passieren und dann in die Vergangenheit rutschen, wo sie von nun an unveränderlich sind.

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Sie sind gewissermaßen in der Vergangenheit eingefroren, als geschehene Ereignisse, die so in dieser Weise niemals zurückkehren werden. Gleichzeitig glauben wir auch, dass es eine unbekannte Zukunft gibt, die sich irgendwann einmal für einen kurzen Augenblick in die Gegenwart und dann sofort wieder in die Vergangenheit verwandeln wird. Wenn Zeit jedoch bloß eine Illusion ist, dann ist auch diese Sichtweise auf den Zeitverlauf eine Illusion. Wenn es nur das Jetzt gibt und wenn dieses Jetzt unendlich ist, dann bedeutet dies auch, das alles, was jemals passiert ist und alles, das jemals passieren wird, Zeitgleich genau jetzt in diesem Moment passiert. Alle Eventualitäten, alle Möglichkeiten und alle Ebenen und Punkte auf unserer gedachten Zeitlinie existieren parallel zueinander im unendlichen Jetzt. Das was wir als Zeit wahrnehmen ist lediglich die Tatsache, dass wir verschiedene Filter aufsetzen, durch die sich ein erdachter Zustand der Unendlichkeit in einen anderen Verwandelt. Es ist ein bisschen wie mit einer DVD. Wenn wir den darauf befindlichen Film anschauen, dann glauben wir, dass es einen festgelegten, zeitlichen Ablauf gibt. Der Anfang des Filmes wird zuerst gezeigt, dann kommt der Mittelteil und schließlich folgt das Ende. Doch in Wirklichkeit befinden sich alle Bilder des Films genau zeitgleich und nebeneinander auf der DVD. Wenn wir wollen, dann können wir beliebig zwischen diesen unterschiedlichen Filmpunkten hin und herspringen, wir können den Film rückwärts ablaufen lassen, können Sequenzen auslassen oder eine einzelne Szene beliebig oft widerholen. Nicht anders ist es auch in der wirklichen Welt.

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Die Welt ist letztlich nichts weiter als eine Manifestation unserer Phantasie. Wenn wir die Augen schließen und uns vorstellen, wie wir als Adler über eine weite Berglandschaft fliegen, dann können wir diese Phantasie beliebig verdrehen und verwandeln. Wir können den Adler in unserem Kopf noch einmal von vorne starten lassen, können aus den Bergen plötzlich ein Meer machen, können ihn rückwärts fliegen lassen und so weiter. Während wir das tun glauben wir möglicherweise selbst, dass wir der Adler sind und dass wir deswegen viele Kilometer zurücklegen und zwar in einer bestimmten Zeit, die wir im Kopf selbst bestimmen können. Wir können uns vorstellen, dass der Adler Tage und Wochen dafür braucht, doch wir können uns ebenso gut vorstellen, dass er innerhalb von einer Minute den gesamten Erdball umkreist. Während wir das aber tun liegen wir noch immer in unserem Bett und bewegen und keinen Zentimeter. Die Bewegung des Vogels ist also vollkommen unabhängig von unserer eigenen Bewegung. Und auch die Zeit des Adlers hat nichts mit der Zeit zu tun, die wir in unserer Wachwelt wahrnehmen. Zeit ist relativ, das hat schon Albert Einstein erkannt. Doch was bedeutet das eigentlich? Es bedeutet, dass wir Zeit immer nur in Bezug auf etwas anderes Wahrnehmen können, nicht aber als eine konstante Einheit an sich. Wenn wir in unserem Kopf keinen Sonnenaufgang und -untergang hinzufügen und auch sonst nichts, das irgendeinen Bezug zum Flug des Adlers herstellt, dann fliegt es vollkommen ohne Zeit. Was aber bedeutet das für unser Leben? Es bedeutet, dass alles was wir jemals waren nicht vergangen ist, sondern genau in diesem Moment, also dem einzigen, den es überhaupt gibt, noch immer existiert. Es bedeutet auch, dass wir alles was wir jemals sein werden genau Jetzt bereits sind. Wir können es nur nicht sehen, weil wir einen anderen Filter vor unsere Wahrnehmung gelegt haben.

Spruch des Tages: Zeit ist relativ

Höhenmeter: 250 m Tagesetappe: 23 km Gesamtstrecke: 14.441,27 km Wetter: erst sonnig, dann bewölkt, dann heftiger Regen Etappenziel: Hotel Eleatan, bei 46200 Paramythia, Griechenland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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