Tag 858: Mistkäfer bei der Arbeit

von Heiko Gärtner
09.05.2016 17:25 Uhr

22.04.2016 So friedlich und verlassen wie das Dorf am Abend gewirkt hatte, war es am Morgen leider nicht mehr. Es war fast, als wollten uns die Einwohner beweisen, dass sie fleißige Menschen waren, die dem Bild des faulen Griechen nicht gerecht wurden. Gleich an drei Stellen wurden Freischneider ausgepackt, um damit den Rasen von verlassenen Grundstücken zu trimmen, die schon sein Jahren niemanden mehr interessiert hatten. Einer untermalte das Motorenknattern noch mit einer lauten Laierkastenmusik, die ununterbrochen die gleiche, hektische Melodie dudelte. Zunächst dachten wir, dass der Mann sie einfach selbst gerne hörte und dass es sich in einem so kleinen Ort nicht vermeiden ließ, dass auch seine Nachbarn einen Anteil davon abbekamen. Doch dann stellten wir fest, dass er auf einem Mast hoch über seinem Haus extra zwei Stadionlautsprecher angebracht hatte, aus denen die blächerne Musik dröhnte. Nichts, was jemals aus einem solchen Lautsprecher kommt kann sich gut anhören und gepaart mit dieser Musik war es gleich noch schlimmer. Es war uns ein absolutes Rätsel, warum seine Nachbarn das mitmachten. Denn der einzige Zweck dieser Beschallungsanlage konnte das Ärgern seiner Mitmenschen sein. Direkt unter dem Lautsprecher also im Haus und im Garten des Mannes war es am ruhigsten. Hierfür war die Musik also sicher nicht gedacht.

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Kaum hatten wir den Ort auch nur zwanzig Meter hinter uns gelassen, war es wieder ruhig. Wir folgten der Straße für einige Kilometer und bogen dann auf einen sandigen Felsweg ab. Hier trafen wir ein paar andere alte Bekannte wieder, die wir nicht vermisst hatten. Es waren die lästigen Grillen, die ununterbrochen zirbten und dabei einen Ton erzeugten, der fast den gleichen Effekt hatte, wie das Kratzen mit den Fingernägeln auf einer Klassenzimmertafel. Wir hatten gehofft, dass sie erst später im Jahr auftauchen würden, wenn wir längst wieder weiter im Norden waren, doch offensichtlich wurde uns das nicht vergönnt. Dafür durften wir aber Zeuge von einem ganz besonderen Schauspiel werden. Mitten über die Straße tummelten sich zwei große Mistkäfer, die einen riesigen Scheißeball geformt hatten.

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Er war gut drei Mal so groß wie jeder einzelne von ihnen, doch sie bewegten ihn mit spielerischer Leichtigkeit. Zunächst dachten wir, dass die beiden ein Team waren, das sich gemeinsam um den Scheißetransport kümmerte, doch wie sich herausstellte waren sie genau das Gegenteil. Sie waren Konkurenten, die um den Ball kämpften. Schließlich gab einer auf und klammerte sich nur noch an der Kugel fest. Der andere rollte unbekümmert weiter, wodurch der erste mehrere Male überrollt wurde. Schließlich entfernte er sich von dem Ball, ging ein paar Schritte und flog davon. Der Sieger versuchte nun die Beute einen steilen Abhang hinaufzukullern, was jedoch weitaus schwieriger war, als er es erwartet hätte. Er war kein Freund von sorgfältiger Planung, sondern eher so der spontane Typ. Hin und wieder kundschaftete er einen Weg für ein kurzes Stück aus und wenn er feststellte, dass es irgendwann nicht weiter ging, kehrte er um, holte seine Kugel und ging den Weg trotzdem. Da er die Kugel mit den Hinterbeiten anschob, musste er rückwärts laufen, während sein Kopf dicht am Boden vorbeischrammte. Auf diese Weise konnte er nicht im Geringsten sehen, wohin er ging. Es war ein reiner Blindflug. Das nenne ich mal Urvertrauen!

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Auch Schildkröten sahen wir wieder reichlich. Darunter war dieses Mal sogar eine winzige Babyschildkröte, die vielleicht gerade einmal ein Jahr alt war. Was unsere Schlafplatzsituation anbelangt, hat sich leider auch heute nicht mehr ergeben, als in den letzten Tagen. Aus irgendeinem Grund sind die Menschen in dieser Region einfach nicht hilfreich. Wenn man es schafft, dass einem jemand bis zum Ende zuhört, dann hat man schon viel erreicht, doch selbst dann lautet die Antwort fast immer nur "geht doch nach Thessaloniki". Vielleicht liegt es an der Grenznähe, vielleicht auch an irgendetwas anderem.

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Aber die Menschen scheinen hier so frustriert zu sein, dass sie einfach nicht mehr aus ihrem inneren Trott herauskommen. Nimand kann sich vier vorstellen, warum jemand freiwillig in ihr Land reisen will und das einzige Ziel ist es, einen Fremden so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Manchmal bekommt man hier den Eindruck, dass hier eine höhere Ausländerfeindlichkeit herrscht als bei der NPD. Noch fragen wir uns ein bisschen, wie sich das wohl entwickeln wird, wenn wir nächste Woche wieder zu dritt unterwegs sind. Dann bekommen wir nämlich wieder einmal Besuch von Heydi.

Spruch des Tages: Wenn dir das Leben einen Haufen Scheiße schenkt, dann mach eine lustige, runde Kugel daraus

Höhenmeter: 480 m Tagesetappe: 18 km Gesamtstrecke: 15.084,27 km Wetter: bewölkt, teilweise schwülwarm, teilweise kalt, ab und an Regen und abends heftiger Sturm Etappenziel: Zeltplatz am Feldweg, hinter 66033 Perithorio, Griechenland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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