Tag 902: Auswandern nach Bulgarien?

von Heiko Gärtner
21.07.2016 17:00 Uhr

27.05.2016

Wir werden Britannien lieben! Heute wurden wir gleich am Morgen in einer Ortschaft von einer Frau aus Manchester angesprochen, die uns erst einmal auf einen heißen Tee einlud. Wenig später saßen wir dann auf der Terrasse ihres Hauses und unterhielten uns lang und ausführlich mit ihr und ihrem Mann. Die beiden waren vor einiger Zeit hier hergezogen, weil es sich hier deutlich günstiger Leben ließ als überall sonst in Europa, weil seine Eltern in der Nähe ebenfalls ein Haus hatten und weil sie die Gegend bei früheren Besuchen schon irgendwie lieb gewonnen hatten. Der Mann war Frührentner, weil er zuvo bei der Britischen Armee gearbeitet hatte. Nach seiner Pensionierung hatten sie sich erst einmal eine Auszeit genommen und waren ein Jahr lang um die Welt gereist. Man merkte noch immer, wie sehr sie von dieser Reise zehrten und die beiden erzählten begeistert eien Story nach der nächsten. Dabei waren sie so erfrischend ehrlich und witzig, dass wir wie gebannt zuhören mussten.

[AFG_gallery id='884']

Für einige Wochen hatten sie sich ein Tucktuck gemietet und waren damit umhergereist. So ein Ding zu steuern ist eine weitaus größere Herausforderung als man vielleicht denken mag, denn mit seiner Drei-Räder-Konstruktion liegt es nicht gerade sicher auf der Straße. Ein kleiner Stein reicht aus, um das einzelne Vorderrad aus der Bahn zu reißen, so dass man die Kontrolle übe den Wagen verliert. Wenn man zu schnell in eine Kurve fährt, verliert das kleine Dreirad sein Gleichgewicht und neigt dazu, sich zu überschlagen. Um das zu verhindern lehnen sich die professionellen Tucktuck-Fahrer mit ihrem Hintern weit zur anderen Seite, um so das Gleichgewicht zu halten. Der Brite schaute sich diese Technik recht schnell ab und schaffte es so, sich und seine Frau sicher durch die Lande zu kutschieren. Die beiden machten auch keinen Hehl daraus, wenn ihnen etwas nicht gefallen hatte und sie erzählten ihre Reise so, wie sie sie erlebt hatten, ohne etwas zu schönen. Indien, oder besser gesagt Mumbai, hatten sie zum kotzen gefunden, weshalb sie sofort weiter gereist waren, ohne sich großartig etwas anzusehen. Die Inder verfolgten ihrer Meinung nach eine klare Politik im Umgang mit Touristen: "Du bist reich, also gib mir dein Geld und von mir bekommst du gar nichts!" lautete die Devise. In Vietnam war es anders. Hier begegneten die Einheimischen einem mit mehr Respekt und sogar die Autofahrer hielten an, wenn man über die Straße wollte. Für ihre eigenen Landsleute machten sie das nicht, weshalb die beiden Reisenden meistens von einer ganzen Traube Fußgänger verfolgt wurden, wenn sie eine Straße überquerten. Normalerweise mussten sich die Vietnamesen immer an den fahrenden Autos vorbeischlängeln, was nicht ungefährlich war. Sobald ein Europäer auftauchte stoppte der Verkehr und wenn man schnell genug bei ihm war konnte man das nutzen um sicher über die Straße zu kommen. Hier und in einigen anderen Ländern auch, war die Touristenabzocke intelligenter. Die Grundaufgabe der Menschen war es hier, den Reisenden so viel Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne dass sie sich deswegen unwohl fühlten.

[AFG_gallery id='883']

Spannend waren aber auch die Geschichten, die sie über Bulgarien erzählten. Das beeindruckend große Haus in dem sie lebten hatte sie inklusive Grundstück hier gerade einmal 60.000 Euro gekostet. Auch die Steuern und die laufenden Kosten waren hier so gering, dass man sie fast vernachlässigen konnte. Die Bulgaren selbst hatten jedoch eine sehr eigentümliche Art zu wohnen. Die meisten Häuser waren sehr klein und verfügten nur über wenige Räume, von denen im Winter meist nur zwei geheizt wuden. Einer davon war die Küche, der andere das Schlafzimmer. Die Toiletten waren fast grundsätzlich im Freien und auch Duschen gab es nur selten. Als die beiden Einwanderer ein Badezimmer in ihr Haus bauen wollten, wurden sie von den Nachbarn und von den Bauarbeitern fast für verrückt erklärt. Ein Badezimmr im Haus? Wer braucht denn so etwas? Im Weitergehen spürten wir, dass sich die Region noch einmal gewandelt hatte. Die Menschen schienen nun deutlich freundlicher zu sein und zum ersten Mal sahen wir wirkliches Leben in ihren Gesichtern. Auch heute gestaltete sich die Schlafplatzsuche schwieriger als gedacht und schon wieder begann es dabei zu regnen. Langsam besaßen wir nichts mehr, das nicht vollkommen durchnässt oder wenigstens klamm war.

Spruch des Tages: Wir werden Britannien lieben!

Höhenmeter: 330 m Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 15.935,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Zeltplatz im Pappelhain neben der Donau, kurz hinter 907130 Garliciu, Rumänien

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare