Tag 906: Wie schaltet man ein Online-Konto wieder frei?

von Heiko Gärtner
21.07.2016 20:09 Uhr

01.06.2016

Vor einigen Wochen hatte ich in Griechenland versucht, via Onlinebanking Geld zu überweisen. Normalerweise ist das keine große Sache, doch wenn man seine TAN per SMS bekommt, benötigt man einen Handyempfang dafür. Dieser war jedoch so schlecht gewesen, dass die Nummern immer erst bei mir ankamen, wenn die Karrenzzeit zum Eintippen abgelaufen war. Nach dem dritten Mal erhielt ich die Wahrnung, dass mein Konto gesperrt würde, wenn ich noch einen weiteren Versuch auf diese Weise abbräche. Ich hatte daher zunöchst alles ruhen lassen und beschlossen, mein Konto erst wieder anzurühren, wenn der Handyempfang wieder besser war. Heute war so ein Tag. Außerdem hatten sich bei Heikos Isomatte bereits wieder erste Beulen gezeigt, so dass wir dringend eine neue bestellen mussten. Bei dem Verstuch stellte sich jedoch heraus, dass es meine Bank mit der Sicherheit noch etwas genauer nahm, als sie selbst zugab. Denn trotz der Warnung war mein Konto bereits gesperrt worden. Um es freizuschalten gab es zwei Möglichkeiten. Die erste war der herkömmlicher Weg über den Postverkehr, was für mich aber natürlich sehr umständlich gewesen wäre. Der zweite bestand in einer Freischaltung mittel Videokonferenz. Für mich war diese Methode komplett neu und zugegebernermaßen auch etwas abstrakt. Zunächst musste ich am Telefon einen Termin mit einem Videoberater machen, denn das durfte nicht einfach jeder Telefonberater. Dafür brauchte man eine spezielle Ausbildung. Der Termin wurde dann von Seiten des Hilfecenters erst einmal nicht eingehalten, so dass ich selbst noch einmal anrufen musste. Die offizielle und sehr professionelle Begründung lautete: Oh, da haben wir Sie wohl vergessen!”

Nun musste ich zunächst am Telefon alle Daten und Fakten angeben, die mich als Kontoinhaber identifizieren konnten. Dann folgten ein paar Klicks auf der Homepage der ComDirekt und schließlich öffnete sich ein Videofenster. Zum Vorschein kam ein junger, leicht nerdiger Mann mit einem Headset auf dem Kopf, der in einer dieser üblichen Pappboxen mitten in einem Großraumbüro saß. Nun musste ich zunächst mein Gesicht, dann meinen Personalausweis und dann einen Zettel mit meiner Unterschrift vor die Kamera halten. Letzterer war ein alter Kassenzettel der Bar in der ich saß, auf dem man die Unterschrift schon live kaum lesen konnte. Über das pixelige Videobild musste es fast unmöglich gewesen sein, doch dem Sachbearbeiter genügte es. Keine zwei Minuten später war mein Konto wieder frei und ich konnte die Matte bestellen. In der Nacht kam es nicht zu dem prophezeiten Gewitter. Dafür aber war es in unserem Bushaltestellenraum so heiß, dass man es nicht einmal nackt aushalten konnte. Doch auch ohne die Hitze fiel es mir bereits schwer, zur Ruhe zu kommen. Das Buch wühlte mich nun auf wie ein Maulwurf einen Vorstadtgarten und all meine Gedanken begannen sich um die Themen zu drehen, die ich schreiben wollte, aber irgendwie nicht schreiben konnte. Zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, wie wichtig diese Reise für mich war. Immer wieder glaubte ich, dass ich eigentlich nicht mehr tat, als ein bisschen Spazieren zu gehen und ein paar Berichte zu schreiben. Doch seit dem 01.01.2014 hatte sich mein Leben vollkommen verändert und auch wenn ich noch immer ganz am Angfang stand, hatte ich mich bereits von vielen Fesseln lösen können, was mir andernfalls niemals gelungen wäre. In dieser Nacht mischte sich beides ineinander. Auf der einen Seite die extreme Unruhe und das Gefühl, dass ich mit dem Buch niemals auf einen grünen Zweig kommen würde und auf der anderen Seite die tiefe Dankbarkeit für all die entwicklungsschritte, die ich hatte gehen dürfen.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit in einem flaschen, unruhigen Schlaf fiel, hatte ich das Gefühl, bereits Minuten später wieder geweckt zu werden. Am Abend hatten wir geglaubt, dass diese Bushaltestelle längst ihren Dienst quittiert hatte. Doch nun wurden wir eines Besseren belehrt. Um 05:15 Uhr in der Früh, tauchten die ersten Fahrgäste auf, setzten sich direkt vor unsere Tür und unterhielten sich in einer Lautstärke, die jeden Gedanken an Schlaf unmöglich machte. Einige Minuten lang versuchte ich es zu ignoreren un Heiko hatte bereit nach seinen Ohropacks und den Baustellenkopfhörern gegriffen. Doch es half nichts. Wenn wir die Nacht nicht jetzt schon als beendet erklären wollten, dann mussten wir die Menschen zum Schweigen bringen. Also stapfte ich mit meiner schlapprigen, rosafarbenen Unterhose nach draußen und bat höflich um Ruhe, da wir hier schlafen wollten. Auf besonders viel Verständnis stieß ich dabei nicht, aber schhließlich erklärten sie sich bereit, vor dem Bushaltestellenhäuschen zu warten, anstatt mitten drin. 10 Minuten später kam der Bus und holte sie ab. Bis um 6:20 hatten wir nun Ruhe. Dann kamen die nächsten Fahrgäste, die genausp laut waren und mich ebenfalls zwangen, in der Unterhose nach draußen zu gehen. Dieses Mal war die Reaktion aber schon wesentlich freundliher. Um 7:30 und 8:15 wiederholte sich das gleiche Spiel noch einmal, wobei die letzte Fuhre aus lauter Schulkindern bestand. Während wir auf der einen Seite kaum begreifen konnten, was Menschen dazu motivierte, bereits um 5:15 den Bus irgendwo hin zu nehmen, kam es uns auf der anderen Seite seltsam vor, dass die Kinder erst um Viertel nach Acht in den Bus stiegen.

Bevor wir den Ort verließen, fragten wir noch einmal in der Bar nach Wasser. Fruchtsaft und Cola konnten wir bekommen, doch einfaches Wasser besaßen sie leider nicht. So brachen wir wieder einmal mit äußerst knappen Wasserreserven in die brütende Hitze. Aus irgendeinem Grund waren die Landschaft, und die Dörfer hier weitaus schöner als im sydlicheren Teil des Landes, die Menschen dafür aber frustrierter und unfreundlicher. Nicht einmal mehr Wasser wollte man uns in den kleinen Märkten geben. Lediglich die Rentner, denen wir begegneten, waren noch gut drauf, grüßten, grinsten und freuten sich, mal jemand neuen zu sehen. Und kaum waren wir durch die lustigen Alten wieder besser gelaunt, kam auch die Nahrung wieder zu uns, wenngleich auf anderem Wege als gedacht. Ein Auto hielt neben uns an und ein Mann stieg aus, der uns auf Deutsch ansprach. Er schenkte und Wasser und Gemüse, so dass wir fürs erste wieder versorgt waren. Die Wasserflasche hielt jedoch nicht einmal 10 Minuten, bis wir sie vollkommen aufgebraucht hatten. Es fühlte sich an, als käme das Wasser überhaupt nicht in unseren Mägen an, sondern würde gleich in der Speiseröhre abgefangen und nach außen zu unseren Poren transportiert, um dort wieder hinausgeworfen zu werden. Zum Zelten fanden wir dieses Mal einen Platz in einem Wald. Hier war es einigermaßen ruhig und kühl, dafür waren wir aber von so vielen Mücken umgeben, dass wir das Zelt nur in Regenkleidung aufbauen konnten, um nicht vollständig erstochen zu werden.

Spruch des Tages: Schon verrückt, was heute alles möglich ist.

Höhenmeter: 230 m Tagesetappe: 28 km Gesamtstrecke: 16.030,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Zeltplatz neben der Hauptstraße, 827125 Vacareni, Rumänien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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