Tag 908: Wenn man nicht entspannt ist

von Heiko Gärtner
21.07.2016 23:58 Uhr

05.06.2016

Ohne Rücksicht auf Langschläfer warf uns die Sonne bereits am frühen Morgen aus den Federn, so dass wir bereits zeitig mit unserer Wanderung starteten. Obwohl ich unausgeschlafen war, merkte ich aber, dass ich mich sogar darüber freute, denn der innere Druck für die Buchfertigstellung wurde immer höher. Ich war noch immer mit der Überarbeitung des ersten Teils beschäftigt, schrieb und schrieb und hatte nicht das Gefühl, irgendwie weiter zu kommen. Diese Unentspanntheit wurde mir dann auch den ganzen Tag über permanent gespiegelt. Als ich in einem Minimaarkt nach Essen fragen wollte, wurde ich gleich mit einer ganzen Armee an angestellten konfrontiert, die gerade eine Inventur durchführten. Sie wollten mir helfen und waren auch bereit, uns mit Nahrung zu unterstützen, doch als Gruppe waren sie genauso unstrukturiert, wie ich mich in meinem inneren fühlte und so endete die Aktion in einem völligen Chaos, bei dem schließlich niemand mehr wusste, was er von dem anderen wollte. Plötzlich war mein Zettel verschwunden, auf dem meine Fragesätze auf Rumänisch standen. Eine der Frauen hatte ihn genommen und irgendwo hingelegt. Ich fragte danach und wollte ihn wiederhaben, doch niemand verstand worauf ich hinaus wollte. Es war wie bei einer Pantomimenrunde von Activity, bei der alle wild durcheinander rieten. “Klopapier? Nein Servierten? Nein, einen Brief, will er! Er sucht eine Post! Auch nicht! Vielleicht eine Tischdecke? Nein, er will etwas aufschreiben!”

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Schließlich kam der Chef, schaute mich grimmig an und fragte, was ich denn für ein Problem hätte, dass ich seine Mitarbeiter alle von der Arbeit abhielt. Wäre ich entspannt gewesen, wäre die Sache sicher innerhalb von einer Minute vom Tich und ich hätte mit einem Arm voll Essen nach draußen gehen können. Doch ich war nicht entspannt, sondern vollkommen hektisch, empört und panisch. Ich war wirklich der Überzeugung, dass sie mir meinen Zettel klauen wollten. Als ich ihn schließlich wieder hatte, war ich so froh und gleichzeitig so gereizt, dass ich einfach mit ihm aus dem Laden lief.

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“Warte!” rief mir eine Frau hinterher, “Du hast dein Brot vergessen, und deinen Hut!” Den Rest des Nachmittages wanderten wir durch ein einziges Feld, über das eine immense Seilbahn mit großen Lohren gespannt war. Irgendwo am Ende gab es ein Sandabbaugebiet und aus einem unerfindlichen Grund hatte man die Fabrik zur Weiterverarbeitung rund zehn Kilometer entfernt gebaut. Zelten konnten wir dieses Mal auf einer Wiese an einem Berghang, von der wir einen atemberaubenden Blick über das Tal hatten.

Spruch des Tages: Mit Gelassenheit wäre das nicht passiert

Höhenmeter: 50 m Tagesetappe: 20 km Gesamtstrecke: 16.076,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Zeltplatz auf einer Wiese unterhalb des Ortes, 807137 Tămăoani, Rumänien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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