Traubenernte in Spanien

von Heiko Gärtner
15.09.2014 16:21 Uhr
 

Gerade findet in Spanien die Traubenernte statt. Ein Ereignis, das wir mit großem Bedauern verfolgen, sorgt es doch dafür, dass nach und nach die vielen, saftig süßen Weintrauben von den Reben verschwinden. Zeitgleich wechselt sich nun auch immer mehr das Landschaftsbild. Die Weinberge gehen dabei leider langsam zur Neige und weichen den Orangenplantagen. Orangen sind zwar auch lecker, aber dummerweise noch alle grün und somit nicht essbar.

Wandern durch die Weinberge

Wandern durch die Weinberge.

Trauben zum Essen und Trauben zum Trinken

Das letzte Mal, das wir an einem Weinberg vorbeigekommen sind, wurde dieser gerade von einer Gruppe Spanier abgeerntet. Die leckeren Trauben wurden alle auf einen großen Anhänger gekippt, um dann in die Weinfabrik gefahren zu werden. Als wir die Bauern fragten, ob wir vielleicht ein paar Trauben haben könnten, schauten sie uns irritiert an und meinten: „Die kann man doch nicht essen! Die sind für den Wein! So schmecken sie nicht!“

Dann nahmen sie eine Tüte vom Wagen und gaben uns grüne große Weintrauben, die für den Supermarkt gedacht waren. „Die kann man so essen!“

Weingeschenke

Gerade die Weintrauben, die zur Weinproduktion gedacht sind, schmecken frisch besonders lecker.

Wir nahmen sie gerne an, baten aber dennoch darum, auch die anderen probieren zu dürfen und nach längerem Unverständnis gaben sie uns schließlich ein paar mit. Wir konnten ihnen gar nicht deutlich machen, wie falsch sie mit ihrer Annahme lagen. Denn die Wein-Weintrauben waren deutlich leckerer als die anderen und schmeckten süßer und kräftiger. Doch die Einheimischen hatten sie anscheinend noch nie so probiert. Sie waren wirklich überzeugt davon, dass man sie nicht essen konnte. Wenn sie gesagt hätten, sie seien zu kostbar um sie so zu essen, dann hätten wir das gut verstehen können. Aber dass sie wirklich davon überzeugt waren, sie seien ungenießbar, das warf uns schon leicht vom Hocker.

Morgennebel in den Weinbergen

Morgennebel in den Weinbergen

Weintraubenernte in Spanien: Wo wirds gemacht!

Den Weinbauern und ihren Helfern bei der Arbeit zuzusehen war aber auch noch aus anderen Gründen interessant. Denn es gab durchaus sehr unterschiedliche Arten der Traubenernte. Die Trauben für die edleren Weine werden in der Regel mit der Hand gepflückt, wobei eine große Menge an Arbeitern eingesetzt wird. Günstigere Weine hingegen gewinnt man mit Hilfe eines Traubenernters. Tatsächlich gab uns dieses futuristische Gefährt im Zusammenhang mit der Traubenernte Rätsel auf. Denn wir konnten einfach nicht verstehen, wie der Vollernter im Vorbeifahren rund 80 % der Trauben abgreifen konnte, ohne dabei die Pflanzen zu zerstören. Mit der Zeit kamen wir allmählich dahinter. Er nutzte Vibrationen, um die Trauben von den Reben zu schütteln und leitete sie dann über ein komplexes Auffangsystem weiter. Hier könnt ihr euch die Funktionsweise im Video einmal selbst anschauen:

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Traubenernte: Wann ist die beste Zeit dafür?

Der optimale Zeitpunkt für die Traubenernte hängt natürlich sehr stark von der Region ab, in der man sich befindet. So werden die Weintrauben in Spanien bereits deutlich früher im Jahr geerntet, als in Deutschland oder Österreich. Teilweise reicht die Zeit im Anschluss hier sogar noch für eine zweite Traubenernte aus. Zudem ist der Wein auf den Sonnen überfluteten Feldern in Südeuropa von Natur aus deutlich süßer, als der aus nördlicheren Regionen, der weniger Sonne abbekommt. Daher hat sich in Österreich die Tradition des Eisweins entwickelt, bei der die Weintrauben erst einmal etwas Frost abbekommen, bevor sie geerntet werden. Dadurch konzentriert sich der Zuckeranteil im Inneren der Trauben und der Wein wird sogar noch süßer, als der aus den Südländern. Falls ihr gerade Lust auf Wein bekommt, schaut doch mal in unseren Artikel Weingeschenke.

Weinvollernter bei der Traubenernte

Weinvollernter bei der Traubenernte

Xátiva - Eine Stadt zum Ausweichen

Die leicht verrückte Frau, die uns vor einigen Tagen in der Bar eingeladen hatte, hatte uns bei dieser Gelegenheit zwischen zwei komplett anderen Themen auch von der Stadt Xátiva vorgeschwärmt. Ganz teilen konnten wir ihre Leidenschaft für die Stadt allerdings nicht, aber ich versuche es mal positiv zu formulieren. Es gab einige Ecken, die nicht vollkommen hässlich waren. Es gab sogar einige Menschen, die nicht brüllten und uns nicht anstarrten. Der permanente und unausweichliche Geräuschpegel, der uns sogar bis in die Herberge verfolgte, hatte den Vorteil, dass man jederzeit furzen konnte, ohne dass es jemand merkt. Stinken tat es eh schon, da kam es auf ein paar Nebengerüche mehr oder weniger auch nicht mehr an und das Ganze hatte etwas sehr Entspannendes für unseren Darm. Vor allem nach dem übermäßigen Weintraubengenuss, zu dem uns die Traubenernte motiviert hat, war dies durchaus angenehm.

Der Jakobsweg in Xátiva leitet einen nicht unbedingt durch die schönsten Ecken der Stadt.

Der Jakobsweg in Xátiva leitet einen nicht unbedingt durch die schönsten Ecken der Stadt.

Rentner-Gehhilfe als Trainingsgerät

Es gab aber auch lustige Situationen. So begegneten wir einem Mann, der eine eigenartige, neue Sportart entwickelt hat. Ihr kennt doch diese Rentnergehhilfen, nicht die Alzheimer-Porsche, sondern die Abstützgestelle ohne Räder. Normalerweise dienen sie dazu, dass der Rentner mehr Halt beim Gehen hat. Dieser alte Herr hier nutzte ihn jedoch als Bauchmuskeltrainingsgerät, indem er das Gestell bei jedem Schritt mit seiner beachtlichen Wampe nach vorne schubste und es dann wieder einholte. Die Idee war gar nicht mal schlecht und hielt sicher bedeutend fitter als das Lösen von Kreuzworträtseln.

Nicht freundlich aber nützlich

An der Tür zur Herberge wurden wir wieder einmal von zwei Passanten angegafft, die neben uns standen und keinen Ton sagten.

„Komm lass uns schnell hereingehen, bevor uns die Spanner noch mit ihren Blicken auffressen!“ kommentierte Heiko die Situation.

Da der Mann eh im Weg herumstand, bat ich ihn auf Spanisch, ob er uns nicht die Tür aufhalten könne. Dann fügte ich, an Heiko gewandt, auf Deutsch hinzu: „Wenn er da eh schon steht, dann kann er sich ja auch nützlich machen!“

Wir fuhren die Wagen durch die Tür. „Gracias!“, sagte ich dann und entließ unseren unfreiwilligen Portier aus seinem neugewonnenen Job.

„Kein Problem!“, antwortete er auf Deutsch, „Gern geschehen!“

Etwas pikiert verschwand er mit seiner Frau in Richtung Hauptstraße.

„Ups!“, sagte ich, „die waren gar nicht so spanisch, wie wir dachten!“

„Stimmt!“, gab Heiko zurück, „aber sie haben sich keinen Deut angenehmer verhalten. Da kann das ja keiner ahnen. Und recht hatten wir ja trotzdem, auch wenn wir dachten, dass sie uns nicht verstehen.“

Schon komisch, wie ehrlich man sein kann, wenn man glaubt, dass man nicht verstanden wird. Warum gelingt uns das sonst so selten?

Nachdem wir es uns in der Herberge eingerichtet hatten, gönnten wir uns noch die letzten Früchte der Traubenernte und genossen die Nachmittagssonne im versteckten Hinterhof.
Einer der schönsten Plätze in Xátiva.

Einer der schönsten Plätze in Xátiva.

Spruch des Tages: Im Wein liegt die Wahrheit.

Höhenmeter: 60 m

Tagesetappe: 8,5 km

Gesamtstrecke: 5097,37 km

Tagesetappe: Pilgerherberge, Xátiva, Spanien
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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