Tag 950: Kein Ausweg aus dem Touristenchaos

von Heiko Gärtner
02.09.2016 02:08 Uhr

24.07.2016

Von unserer Bauruine aus kamen wir nun in einen neuen, noch größeren Canyon , der uns tiefer ins Zentralgebirge führte. Die Natur und die Berge, die uns umgaben waren wunderschön, doch ähnlich wie damals in Andorra konnte man sie kaum noch wahrnehmen, da alles so sehr verbaut war. Nun gab es wirklich keinen Millimeter mehr, an dem kein Haus oder Gartenzaun stand. Es war, als hätte man die Welt hier in kleine Teile zersägt und unter den Menschen aufgeteilt. Alles, aber auch wirklich alles war im Privatbesitz und jeder Grundstücksinhaber setzte alles daran, sich selbst ein- und alle anderen auszusperren. Gleichzeitig kamen nun immer mehr Hotels und die Gegend wurde zu einer reinen Touristenregion. Dies brachte nun auch alle anderen Nachteile mitsich, die wir von Touristengegenden bereits kannten.

Die ursprüngliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Ukrainer war vollkommen verloren gegangen. Noch immer war es möglich, bei den Minimärkten etwas zum Essen oder zum Trinken zu bekommen, doch es wurde spatarnischer und die Menschen gaben ohne jede Freude. Die Intention der Verkäufer lag nun einmal darin, so viel wie Möglich aus den Touristen herauszusaugen und da passten wir nicht ganz in Muster. Doch auch die Touristen selbst schienen nicht wirklich mit Freude hier zu sein, was ebenfalls verständich war, denn es gab nichts was man hier als Urlauber hätte tun können. Die Berge waren absolut unerschlossen und die einzigen Seitenwege, die in die Wälder führten, waren die Rüttegassen der Forstfahrzeuge, die aus knietiefem Schlamm bestanden. Wandern fiel also schon einmal flach. Ansonsten gab es die Hauptstraßen und die Hotels, die aber auch nichts boten. Das einzige, was man hier wirklich ausgiebig tun konnte war, sich zu langweilen, dem Verkehr zu lauschen oder selbst mit dem Auto hin und her fahren. Die meisten nutzten diese Optionen im Wechsel oder sogar gleichzeitig.

Da es heute leider keinen Ausweg aus dem Canyon gab, wurde die Schlafplatzsuche zur reinsten Tortur. Wir wanderten, wanderten und wanderten ohne irgendwo einen auch nur halbwegs geeigneten Platz zu finden. Erst nach über einer Stunde entdeckten wir einen Seitenweg, der hinauf in einen Wald führte. Hier war es plötzlich ruhig und friedlich und wir konnten unser Zelt neben einer kleienn Jagdhütte errichten. Es duftete nach Fichtennadeln und der ganze Platz stöhmte eine Harmonie aus, die man hier niemald vermutet hätte. So schön wäre das Tal also ,wenn es hier keine Menschen gäbe.

Doch auch hier dauerte es wieder nicht lange, bis die erste Menschen auftauchten. So ungestört, wie wir im Balkan hatten zelten können, war man hier einfach nie. Es war schon ein seltsamer Anblick, als zwei kleine Mädchen mit Chipstüten mitten aus dem Wald kamen und knabbernd an uns vorrüber gingen. Eine Stunde später kamen sie von der anderen Seite und kehrten noch immer knabbernd in den Wald zurück.

Spruch des Tages: Das sollen nun also die wilden und ursprünglichen Karpaten sein?

Höhenmeter: 24 m Tagesetappe: 15 km Gesamtstrecke: 17.088,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Pilgerherberge, Máriapócs, Ungarn

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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