Wanderglück: Darum ist reisen so wertvoll

von Franz Bujor
27.01.2014 20:24 Uhr
 

Das Wanderglück in jedem Schritt!

In meinen ersten, noch ungeübten Tagen als Kapitän eines Pilgerwagens, hatte ich mein Gefährt an einer schwierigen Stelle zum Kentern gebracht. Wanderglück bedeutet auch vorsichtig zu sein. Dabei ist zum Glück nicht viel passiert, aber eine Befestigungsschnalle an der rechten Deichsel zerbrach. Das war am dritten Tag unserer Reise gewesen und am Abend hatte ich in der Scheune, in der wir übernachteten ein Ersatzteil zusammengenäht. Leider ist meine Nähkunst nicht von allzu langer Dauer gewesen. So kam es, dass ich heute Abend nach den Pfannkuchen nicht mit einer Breußmassage, sondern mit einer Nähstunde im kalten Vorraum des Jugendheims verbrachte (Ich weiß ich bin da selbst schuld, aber falls trotzdem jemand Mitleid haben möchte, wäre hier jetzt die richtige Stelle dafür.) Die einzige Lichtquelle für meine Handarbeit befand sich in meinem Rücken, sodass ich ununterbrochen einen Schatten auf meine Hände warf.

Am Anfang machte mir die Arbeit sogar noch einigermaßen Spaß, aber nach einiger Zeit kamen ein paar kleine Dinge, die alles daran setzten, mir die Laune zu verderben. Habt ihr schon mal versucht euch im Halbdunkel mit völlig verspannten Schultern und kalten Fingern auf eine Arbeit zu konzentrieren, bei der man sich ununterbrochen selbst stechen kann? Dass es dann auch noch auf ein Uhr zuging und ich unterm Nähen fast einschlief, machte die Sache nicht unbedingt leichter. Mein größter Gegenspieler aber war der Faden, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, einen neuen Weltrekord im Verkräuseln, Zerreißen und aus der Nadel Rutschen aufzustellen. Eine Schönheit ist es am Ende nicht geworden, aber ich hoffe es hält diesmal länger als beim ersten Mal. Wenn nicht, habe ich zumindest die Möglichkeit meine Nähkünste noch ein bisschen zu vertiefen.

Das Wanderglück kennt viele Wege

Das Wanderglück kennt viele Wege

 

Kurz nachdem ich in der Nacht noch eine knappe Stunde wach gelegen hatte, bis ich nach der Nähen-im-Kalten-Aktion wieder eine Körpertemperatur hatte, mit der ich einschlafen konnte, klingelte mich unser Wecker auch schon wieder raus. Um 8:00 mussten wir Aufbruchsbereit sein, da dann eine Frau von der Kirchengemeinde kam, um das Jugendheim abzuschließen. Das bedeutete Aufstehen um kurz nach sieben und los pilgern in den frühen Morgen hinein.

Jakobspilger sind in aller Munde

Wenn wir nicht gewusst hätten, dass wir uns mitten im Pfälzerwald befanden, hätten wir wetten können, dass wir hinter der nächsten Hügelkuppe das Meer sehen würden. Der Wind blies uns mit jener konstanten Kraft entgegen, die man sonst eigentlich nur aus Küstenregionen kennt. Hätten wir ein Segel gehabt, hätten wir mit voller Fahrt und etwas Wanderglück über die Wiesen gleiten können. Nur dummerweise in die falsche Richtung. Aber da wir kein Segel hatten war das ja egal.

In Gersheim sind Jakobspilger herzlich willkommen

In Gersheim sind Jakobspilger herzlich willkommen

 

In Walsheim, unserem eigentlich geplanten Etappenziel kamen wir an einem kleinen Lädchen vorbei, das gleichzeitig Bäckerei, Café und Tante-Emma-Laden war. Wir beschlossen nach etwas zu Essen und nach der Adresse des Pfarrers zu fragen. Im Inneren saßen einige Leute um einen kleinen Tisch herum, die sich gerade über Jakobspilger unterhielten, als ich eintrat. Ob sie die Unterhaltung begonnen hatten, weil sie uns vor der Tür gesehen hatten oder ob es reiner Zufall war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall waren sie sehr hilfsbereit, was die Suche nach einem Schlafplatz anging. Ein älterer, leicht untersetzter Herr schlug uns zwei Möglichkeiten vor, von denen er wusste, dass man dort als Pilger schlafen konnte. „So weit ist das nicht weg, mit dem Auto würde ich sagen etwa 20 km“ Mit dem Auto war das wirklich nicht weit, aber für uns doch etwas zu viel. Die nächstliegende Alternative war das Pfarrhaus im 2 km entfernten Gersheim, denn Walsheim selbst hatte keinen eigenen Pfarrer mehr.

Bitch Straßenschild Gersheim

Dieses Straßenschild sorgt beim Anblick für Augenrunzeln

Jede Facette unserer Gesellschaft ist beunruhigend

Draußen vor der Tür trafen wir dann noch auf einen Mann und eine Frau, die gerade dabei waren sich zu der geselligen Runde im Café hinzuzugesellen. Unsere Reisebegegnungen erzählten uns, dass sie sich hier regelmäßig trafen, um sich in gemütlichem Rahmen über die Vorkommnisse in der Welt auszutauschen. In ihrer Runde gab es Mitglieder aus den verschiedensten Kreisen: eine Tierärztin, ein Landwirt, ein Rechtsanwalt, usw. Jeder von ihnen kannte eine andere Fassette unserer Gesellschaft und der Mann gestand uns, dass er jede davon beunruhigend fand.

„Wenn du der Tierärztin, die sich vor allem um Masttiere kümmert, zulange zuhörst, kannst du kein Fleisch mehr essen. Hörst du dem Landwirt zu, isst du kein Brot und kein Gemüse mehr. Wenn der Anwalt erzählt, glaubst du nicht mehr länger an Gerechtigkeit. Deswegen haben wir uns einen so gemütlichen Ort ausgesucht um zu reden, denn sonst würde es keiner aushalten.“ Als wir uns verabschiedeten fügte er noch hinzu: „Ihr macht es richtig! Innerhalb des Systems kann man nichts mehr verändern, da kann man eigentlich nur noch gehen und das Leben im Wanderglück genießen. Und vielleicht erreicht ihr damit ja sogar mehr als jeder andere.“

Gerade wollten wir uns schon zum Gehen wenden, da rief der Mann noch einmal: „Wer ist denn Tobias Krüger?“

„Ich!“, antworte ich und drehte mich um. Er hatte sein Handy in der Hand und hielt uns freudig die Googleseite mit unseren Blogeinträgen entgegen. „Seht ihr!“, meinte er grinsend, „da hab ich euch schon gefunden!“

 
Eine schöne Reisebegegnung bringt die Sonne ins Leben!

Eine schöne Reisebegegnung bringt die Sonne ins Leben!

Und wieder wurde uns ein Engel geschickt

Keine 500 m weiter hatten wir dann eine Reisebegegnung, die sogar das noch in den Schatten stellte. Kurz vor dem Ortsausgang rief eine Stimme hinter uns her und bewegte uns zum Stehenbleiben. Eine Frau kam auf uns zu und rief: „Ich weiß nicht, warum ich euch so toll finde, aber ich bin gerade irgendwie fasziniert von dem, was ihr da macht. Wie kommt ihr dazu?“

„Gute Frage“, sagten wir, „wir hatten Lust zu wandern!“

jakobsweg5 straßenschild

Ein Hinweis auf den Jakobsweg

Daraufhin fragte sie uns, ob sie uns mit jeweils 5 € bei unserem Wanderglück und Vorhaben unterstützen dürfe. Wir waren so überrascht, dass wir erst gar nicht wussten, was wir antworten sollen. Die Frau übernahm die Entscheidung für uns, drückte mir einen Zehner in die Hand und sagte: „Als Erzieherin habe ich viele Jahre lang auf wilde Jungs achtgegeben, das steckt einfach noch in mir drin!“

Als die Frau verschwunden war, konnten wir es noch immer nicht glauben. Egal was das Universum auch mit uns vorhatte, es schickte uns auf jeden Fall immer wieder einen Engel vorbei!

Wer die Liebe zum Wandern entdeckt oder spürt, versteht ergreifende Zitate wie zum Beispiel: Wandern ist eine Tätigkeit der Beine - und ein Zustand der Seele! Ob ihr nun mit Kindern die Lust zum Wandern entdeckt, oder gleich ein Wanderdate macht, es gibt wirklich viele Möglichkeiten sich hier zu entfalten. Als erlebnisreiche Rundwanderwege erschließen die bekannten Traumrunden die ganze Schönheit des Kitzinger Lands im Fränkischen Weinland. Naturnahe Pfade mit hohem Erlebniswert, eine auch im Anspruch abwechslungsreiche Routenführung, zahlreiche Aussichtspunkte sowie Einkehrmöglichkeiten bei fränkischer Küche und Frankenwein zeichnen die „Traumrunden“ aus. Auch die schön dargestellte alpine Literatur von Bergverlag Rother macht Wander-Träume wahr. Denn die Liebe zur Natur, verbindet uns alle!

In Gersheim machte unsere Glückssträhne im Wanderglück eine kurze Pause, ging dann aber umso stärker weiter. Der Himmel beschenkte uns mit einer Mischung aus Regen, Hagel und Schnee und sorgte so dafür, dass unsere Motivation, einen schönen Schlafplatz aufzutreiben noch einmal deutlich stieg. Einen Pfarrer gab es aber auch hier nicht mehr, denn der war mit der jüngsten Reform Wegrationalisiert worden. Dafür gab es ein Schullandheim, das gerade renoviert wurde und das daher komplett leer stand. Hier haben wir für die Nacht ein Doppelzimmer mit Dusche, Internetflatrate und Wasserkocher bekommen.

Spruch des Tages: Eine schöne Begegnung bringt die Sonne ins Leben! Egal wie das Wetter ist.

Tagesetappe: 21 km

Gesamtstrecke: 572,27 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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