Tag 524: Ab ins Meer

von Franz Bujor
08.06.2015 18:34 Uhr

Noch 6 Wochen bis zu Paulinas Ankunft!

Das Problem an Hotelnächten wie diesen ist, dass wir unser schönes Zimmer immer gar nicht richtig nutzen können, weil sich so viel angestaut hat. Heute hatten wir nun nach langem wieder einmal ein Bett und dazu mitten in der Stadt ein wirklich ruhiges Zimmer. Doch bis wir alles erledigt hatten, was wir erledigen wollten, war es bereits nach 3:00 Uhr in der Nacht. Viel Schlaf nachholen konnten wir also auch wieder nicht. Trotzdem tat es gut, wieder einmal alles regeln und auf den aktuellen Stand bringen zu können.

In der Früh verabschiedeten wir uns dann von unserem Gastgeber und kamen dabei noch einmal ins Gespräch. Wir fragten ihn nach der Homepage des Gästehauses oder wenigstens nach dessen Namen, doch es gab leider weder das eine noch das andere. Er betrieb das Hotel mehr nebenbei, „für seine Kinder“, wie er sagte. Wir bräuchten auch keine große Werbung dafür machen, denn er habe uns nicht eingeladen, weil er sich davon einen Vorteil versprach, sondern weil er uns helfen wollte.

„Ich weiß, dass ihr einen Traum habt und wenn ich die Möglichkeit habe, jemanden mit einem Traum zu unterstützen, dann mache ich das!“ Er selbst war einmal professioneller Radsportler gewesen und hatte dabei große Touren unternommen, an die er noch immer gerne zurück dachte. Außerdem hatte er lange Zeit in Afrika verbracht. „Dort solltet ihr auf jeden Fall einmal hinwandern. Das wird dann eine wirkliche Herausforderung!“ meinte er grinsend.

Er erzählte uns auch ein bisschen was von seiner Sicht auf die Mentalitäten der Länder, die wir als nächstes bereisen würden. In Monte Negro seien die Menschen sehr freundlich. Sie wären still und sprachen nicht viel, aber sie handelten und sie hatten ein großes Herz. In Mazedonien sei es ähnlich, aber in Albanien müssten wir Obacht geben und dürften von den Menschen nicht allzu viel Hilfsbereitschaft erwarten.

„Ich denke, dass es mit ihrer Geschichte zu tun hat,“ meinte er, „sie haben eine sehr schwierige Geschichte, denn einst gehörte die ganze Region hier den Vorfahren der heutigen Albaner. Dann aber kamen die Slawen, also unsere Vorfahren und breiteten ich immer mehr aus, so dass die albanischen Völker immer weiter zurückgedrängt wurden, bis ihnen schließlich nur noch das kleine Land blieb, das heute Albanien ist. Ihr Kultur ist ähnlich wie die auf Zypern und sie haben das Prinzip der Blutrache. Es gibt also noch immer teilweise uralte Familienfeden, die bis heute aktiv sind, obwohl niemand mehr weiß, worum es eigentlich ging. Dies alles macht es für sie etwas kompliziert und das merkt man auch als Reisender.“

Ich bin gespannt, wie unsere eigenen Erfahrungen werden.

Zunächst aber brachen wir nun auf, um den Fahrradhändler zu finden, den uns unser Gastgeber empfohlen hatte. Der Händler verneinte zunächst, als wir ihm die gebrochenen Speichen zeigten und meinte, er könne nichts für uns tun. Als wir ihn dann jedoch nach längeren Speichen fragen wollten, die man kürzen könne, änderte er seine Meinung plötzlich. Er verschwand für 10 Minuten und kam dann wieder, um uns aufzufordern, Heikos Rad abzumontieren.

Dabei stellten wir jedoch fest, dass wir noch ein viel größeres Problem hatten. Denn nicht nur meine Steckachse hatte sich verbogen, sondern auch Heikos. Es war zwar nicht so schlimm wie bei mir, aber es reichte aus um das Rad so zu verklemmen, dass wir es nicht abnehmen konnten. Wie war das möglich? Die Steckachsen bestanden doch aus massivem Stahl und waren so dick wie ein Zeigefinger, auf einer Länge von nur etwa sechs Zentimetern. Wie konnten sie da verbiegen. Probeweise prüften wir auch das Gegenüberliegende Rad und stellten fest, dass hier das gleiche Problem aufgetreten war. Es waren nur Millimeterbruchteile, doch das Rad verklemmte sich dadurch. Um es dennoch abzumontieren mussten wir gleich noch die ganze Bremse zerlegen und ebenfalls abbauen. Heiko rutschte dabei mit der Zange ab und rammte sie sich in die Handfläche, was ihm zwei dicke Blutblasen und eine offene Wunde einbrachte.

Schließlich schafften wir es jedoch, das Rad auszulösen und konnten es dem Fahrradspezialisten übergeben. Bis wir alles wieder zusammengesetzt hatten, war der Mann mit dem Einspeichen und neu beziehen unseres Reifens bereits fertig. Bei genauerer Betrachtung und mit etwas Schmieröl, konnten wir die Steckachsen dann doch erst noch einmal weiter verwenden. Aber auf Dauer war das natürlich keine Lösung. Wir mussten herausfinden, wo das Problem lag und wie wir es beheben konnten, ehe uns alle Achsen verbogen. Und vor allem brauchten wir Ersatz.

Der Weg aus der Stadt dauerte sogar noch etwas länger als der Weg, der uns hinein geführt hatte. Es war wirklich faszinierend, sobald man den Innenstadtbereich verlassen hatte, war die Stadt wieder ein Graus. Erst als wir in den äußeren Bezirken wieder zum Meer hinunter kamen, wurde es besser. Hier wirkte es ein bisschen wie damals in der Türkei. Die Häuser waren einfach und heruntergekommen und überall wurden die verschiedensten Früchte und Gemüsesorten angebaut. Die Kirchen, die wir in den letzten Tagen so fleißig ernten konnten, waren leider schon fast alle abgepflückt worden. Dafür konnten wir heute aber unseren ersten Pfirsich ernten.

Schließlich erreichten wir eine Bucht mit einem verlassenen Kiesstrand und diesmal lockte uns das Meer dann doch. Unsere Badehosen, bzw. Heikos, denn ich hatte ja eh keine mehr, steckten ganz unten im Wagen. Also wählten wir einfach die gute alte Unterhosen-Variante, was vor allem deshalb recht eigen war, weil sie zurzeit so schön viele Löcher hatten. Das Meer war angenehm kühl und erfrischend. Keine fünf Minuten nachdem wir wieder weiter wanderten, waren wir jedoch wieder genauso verschwitzt, wie zuvor.

Hinter dem nächsten Berg kamen wir dann in einen neuen Ort. Dieser war wesentlich kleiner als Split, dafür aber auch deutlich angenehmer und der Strand war bei weitem schöner. Warum dieser Ort nicht so bekannt war, wie sein großer Bruder, war für uns unerklärlich. Einen Schlafplatz bekamen wir jedoch nicht. Die Pensionen waren ähnlich eingestellt wie die in Split. Es war eben ein Touristenort zur Hauptsaison, also die wahrscheinlich höchste Schwierigkeitsstufe in diesem Bereich. Trotzdem bekamen wir in einem Restaurant ein Mittagessen und konnten so gestärkt weiterziehen. Direkt am Wasser führte ab hier leider nur noch die Hauptstraße entlang, die für Wanderer absolut ungeeignet war. Daher bogen wir wieder ein Stück ins Inland ab und folgten der Küste hinter der ersten Gebirgskette. Hier trafen wir in einem kleinen Ort eine junge Nonne, die uns einen Schlafplatz bei der freiwilligen Feuerwehr organisierte. Hier bekamen wir sogar ein Doppelzimmer mit Dusche und zuvor konnten wir im Kloster noch zu Abend essen.

Spruch des Tages: Es ist nicht schwer, Menschen zu finden, die mit 60 Jahren zehnmal so reich sind, als sie es mit 20 waren. Aber nicht einer von ihnen behauptet, er sei zehnmal so glücklich. (George Bernard Shaw )

 

Höhenmeter: 150m

Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 9482,77 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Freiwillige Feuerwehr 21251 Žrnovnica, Kroatien

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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