Tag 538: Der Exorzismus des Heiko Gärtner

von Heiko Gärtner
27.06.2015 01:12 Uhr

Noch 24 Tage bis zum Treffen mit Paulina!

Bevor ich euch nun von unseren Erlebnissen seit Medjugorje erzähle möchten wir uns erst einmal ganz herzlich bei Ute Katharina Pawlitschek für die großzügigen Spenden bedanken! Wir haben uns riesig gefreut, als wir auf das Spendenkonto geschaut haben und die Eingänge entdeckten!

Seit Medjugorje sind nun bereits fünf Tage vergangen und auch wenn diese bei weitem nicht so ereignisreich waren, wie unsere Zeit an dem Pilgerziel, gibt es doch ein bisschen was zu erzählen. Unsere Nacht im Hotel in Capljina war ein bisschen geprägt von einer ganzen Serien von Angriffen, mit denen uns die winzigen Mücken attackierten. Immer wieder wachte ich in der Nacht davon auf, dass es Taghell war und Heiko im Zimmer umherlief, um es nach den kleinen Plagegeistern zu durchsuchen. Erst dann merkte ich, dass auch ich mehrere juckende Stellen hatte. Im Halbschlaf hörte ich dann verschiedene Flüche im Wechsel mit erleichterten Ausrufen, je nachdem ob Heiko eine Mücke erwischt oder verfehlt hatte.

Übersäht mit kleinen Pusteln setzten wir unsere Reise am nächsten Tag fort. Dabei ergab sich jedoch ein Problem, das wir bislang noch nicht kannten. Wir hatten nicht die leiseste Ahnung wo wir überhaupt hinwandern wollten. Natürlich war uns das schon öfter so gegangen, aber sonst hatte es daran gelegen, dass wir und verlaufen hatten. Diesmal jedoch wussten wir, wo wir waren und wir hatten auch einen Routenverlauf ausgedruckt. Das Problem war jedoch, dass wir unsicher waren, ob wir diesem Verlauf überhaupt folgen wollten. Der Grund für diese Unsicherheit war, dass Paulina mit der Busgesellschaft und der Bahn telefoniert hatte und in beiden Fällen die Antwort bekam, dass sie mit einem Pilgerwagen in der Größe unmöglich mitfahren konnte. Wir wussten nun also, dass sie in etwa einem Monat zu uns stoßen würde, hatten aber keinen blassen Schimmer, wo wir uns treffen würden. Im Raum standen nun Zagreb, was für uns aber unmöglich zu erreichen war, Dubrovnik, was zu knapp war, Griechenland, was zu weit weg war, Belgrad und noch einige andere Orte. Alle lagen jedoch soweit von einander entfernt, dass es keine gemeinsame Strecke gab. Außerdem waren sie so unterschiedlich weit von uns weg, dass wir uns für einige extrem beeilen, für andere aber extrem Zeitlassen müssten. Wir waren also absolut planlos! Ein Zustand, der sich auch an den kommenden Tagen nicht ändern sollte. Erst gestern erfuhren wir, dass Paulina eine Mitfahrgelegenheit nach Sarajevo gefunden hatte. Für uns bedeutete dies, dass wir unseren Aufenthalt in Bosnien noch einmal verlängern würden und dass wir die 200km bis in die Hauptstadt so langsam wie nur irgendwie möglich zurücklegen mussten. Grund genug um erst einmal in einem eiskalten Bergfluss baden zu gehen und uns von der Hitze ein bisschen abzukühlen. Später fanden wir einen Schlafplatz bei einem Pfarrer, der uns außerdem noch ein riesiges Glas selbstgemachten Honig und einige Vorräte aus seiner Caritas-Station schenkte. Es gab sie hier also auch, die Caritasstationen. Nicht so oft und nicht so voll wie in Italien, aber sie existierten.

Der nächste Tag war vollkommen verregnet und unser Weg führte uns nun außerdem noch steil den Berg hinauf. Es dauerte nicht lange und ich konnte nicht mehr sagen, ob es Regenwasser oder Schweiß war, was mir ununterbrochen in die Augen lief. Als wir den Pass beinahe erreicht hatten, hörten wir rechts von uns im Gebüsch ein lautes Rascheln. Vorsichtig schauten wir den Hang hinab und sahen eine Damwild-Mama mit ihrem Baby. Es war gerade erst vor ein paar Tagen geboren worden und schaute uns mit seinen riesigen Augen an. Dann beschloss die Mutter, dass es doch besser war die Flucht zu ergreifen und beide sprangen über die Wiese hinweg bis zu einer Stelle mit besonders hohem Gras. Das Kids hüpfte dabei so fröhlich über die Wiese, dass es richtig Spaß machte, ihm dabei zuzusehen. Es liebte diese Sprünge und versuchte bei jedem Mal noch ein bisschen höher zu kommen, so als wäre es ein kleiner Flummi mit Beinen. Sobald es das hohe Gras erreicht hatte, war es verschwunden. Die Tarnung war einfach zu perfekt. Als wir später die Botschaft des Damwildes nachschlugen, passte es wieder einmal wie die Faust aufs Auge: „Trau dich nun, deinen gang eigenen Weg des glaubens zu gehen!“

Oben auf dem Gipfel des Berges erreichten wir einen winzigen Ort, der fast nur aus einer Kirche und einem dazugehörigen Kreuzberg bestand, auf dem sich eine Marienstatue befand. Auch dies war ein heiliger Pilgerort des Friedens, der wie Medjugorje der Gottesmutter Maria geweiht war. Er was jedoch gut zehn Jahre älter als Medjugorje, dafür aber absolut unbekannt. Nur wenige Menschen kamen hier her und so war dieser Platz ein Ort der Einkehr und des Friedens geblieben. Nur die Vögel sahen das etwas anders und schrien was das Zeug hielt. Von Stille und Frieden schienen sie nicht viel zu halten. Für die Natur war es also weniger ein Ort der passiven, ruhigen Energie, sondern eher ein aktiver Kraftplatz. Nur oben auf der Spitze des Berges herrschte Stille. Und hier hatte man auch einen atemberaubenden Ausblick. Wir beschlossen unser Picknick hier oben abzuhalten und den Ort so noch etwas länger auf uns wirken zu lassen.

„Wenn dieser Platz hier bereits zehn Jahre vor Medjugorje zum Ort des Friedens der heiligen Jungfrau Maria auserkoren wurde“, überlegte ich, „dann wollte sie vielleicht gar nicht nach Medjugorje, sondern hatte sich nur verlaufen.“

Heiko grinste und setzte meine Gedanken fort: „Du meinst, sie hat den Kindern bei der ersten Erscheinung gar keine Friedensbotschaft übermitteln wollen, sondern wollte einfach nur nach dem Weg fragen?“

„Genau!“ sagte ich, „sie wird sich ganz schön geärgert haben. Da trifft sie nach der ganzen Herumgeirrerei endlich ein paar Menschen und die bekommen eine Heiden Angst und laufen davon. ‚Wartet, wartet, ich will euch nichts tun, ich will doch nur zum Berg des Friedens!’ Aber da war es schon zu spät. Zum Glück kehrten die Kinder am nächsten Tag zurück, weil sie das Gefühl hatten, dass diese Begegnung doch wichtig gewesen war. Die arme Maria saß noch immer auf einem Stein und überlegte, in welche Richtung sie wohl weiter müsste. Als die Kinder dann kamen versuchte sie ihnen irgendwie mitzuteilen, dass sie zum Berg des Friedens wollte. ‚Frieden! Frieden!’ rief sie verzweifelt, ‚das kann doch nicht so schwer sein! So viele Friedensberge wird es ja wohl nicht geben!’ ‚Waow!’ riefen die Kinder, ‚was für eine Message! Wir danken dir Maria und werden deine Botschaft überall verbreiten!’ Da sah die heilige Jungfrau ein, dass es keinen Zweck hatte. ‚Was soll’s’, dachte sie, ‚dann bleibe ich halt hier!’ Und das ist die wahre Geschichte der Erscheinung von Medjugorje.“

Wir lachten und beendeten unser Picknick. Dann kehrten wir zur Kirche zurück, wo wir vom Pfarrer einen Schlafplatz in einem kleinen Krankenstationsraum bekommen hatten.

Bereits an den Tagen zuvor hatten wir uns noch einmal genauer mit dem Thema Besetzungen beschäftigt und einiges darüber herausgefunden. Es ist zu viel, um es hier nun im Detail wiederzugeben, doch ich kann schon einmal so viel sagen, dass wir für uns erkannt haben, dass er zwar Besetzungen durch andere Wesensformen gibt, dass aber auch diese keineswegs „böse“ oder „teuflisch“ sind. Es handelt sich viel mehr ebenso um Spiegelpartner, wie bei Menschen und Tieren, die einem begegnen und mit denen man nicht besonders gut zurecht kommt. Verschiedenste Arten von Besetzungen scheint demnach fast jeder Mensch zu haben und so machten wir am Abend eine Meditation, um uns die von Heiko einmal genauer anzuschauen. Es war schon eine etwas skurrile Situation, eine Meditation zur „Dämonenaustreibung“ ausgerechnet auf einem Krankenbett in der Sanitätsstation einer Pfarrei oben auf einem einsamen Berg zu machen, direkt unter einem hölzernen Jesus, der uns von seinem Kreuz aus dabei zuschaute. Hätte man eine Scene für einen Film über Exorzismus drehen wollen, hätte man keinen besseren Platz finden können. Allerdings begann Heiko nicht wild zu zucken und er schrie mich auch nicht in fremden Sprachen an. Es war mehr ein freundliches Gespräch mit einem verängstigten, weiblichen Geist, der sich an Heikos Rücken gehaftet hatte, um sich vor dem Eintritt ins Jenseits zu verstecken. Es war kein Weihwasser nötig und auch kein Kreuz, das wir schützend vor uns hielten, sondern lediglich eine Meditation darüber, dass es für den Geist keine Gefahr gab und er auch ohne Heiko existieren konnte. Man könnte es vielleicht als eine Art Therapiestunde für Dämonen bezeichnen und am Ende fühlte sie sich kraftvoll genug um zu gehen und ihren Weg zurück zur Quelle allen Lebens fortzusetzen.

Ob wir dabei wirklich mit einem Geist gesprochen haben, oder lediglich mit einem Teil von Heiko der mit einem tiefen Glaubenssatz behaftet war weiß ich nicht. Ich weiß auch noch nicht, ob sie nun irgendetwas verändert. Aber spannend war es auf jeden Fall und geschadet hat es definitiv auch nicht.

Spruch des Tages: Werde selbst der Frieden, den du in der Welt spüren möchtest.

Höhenmeter: 120m

Tagesetappe: 24 km

Gesamtstrecke: 9717,77 km

Wetter: sonnig und heiß

Etappenziel: Orthodoxes Kloster, Zavala, Bosnien und Herzegowina

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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