Tag 670: Die Göttin

von Heiko Gärtner
31.10.2015 21:22 Uhr

Fortsetzung von Tag 669:

Das ursprüngliche Ziel dieser Homepage war es eigentlich, ihren Weg bis zu unserer Reise zu dokumentieren und dann die Seiten als Partnerseiten laufen zu lassen, so das verschiedene Aspekte der Reise sichtbar sind. Sie wollte Leuten Mut machen und vor allem Frauen dazu inspirieren auch frei zu leben. Dazu wollte sie unter anderem auch beschreiben, wie sie ihre eigene Wandlung vom kleinen, ängstlichen Mädchen, zur göttlichen Frau durlaufen würde. Am Ende sollte dann eine Paulina stehen, die sie selbst mit den Worten von Sharon-Lee Kaplan beschrieb:

„Eine Göttin ist eine Frau, die aus ihrer eigenen tiefsten Tiefe auftaucht. Sie ist eine Frau, die ehrlich ihre Dunkelheit erkundet hat und die gelernt hat, ihr Licht zu feiern. Sie ist eine Frau, die in der Lage ist, sich in die großartigen Möglichkeiten, die in ihr schlummern, zu verlieben.

Sie ist eine Frau, die die magischen und mysteriösen Plätze in sich kennt, die heiligen Plätze, die ihre Seele nähren und sie ganz machen können. Sie ist eine Frau, die Licht ausstrahlt.

Sie ist anziehend. Sie betritt einen Raum und Männer ebenso wie Frauen spüren ihre Anwesenheit. Sie hat gleichzeitig Kraft und Sanftheit. Sie hat kraftvolle sexuelle Energie, die nicht von physischem Aussehen abhängig ist. Sie hat einen Körper, den sie anbetet und es wird deutlich, in der Art und Weise, wie sie behaglich darin lebt und sich darin bewegt.

Sie schätzt Schönheit, Licht und Liebe. Sie ist allen Kindern eine Mutter. Sie fließt mit dem Leben in müheloser Anmut. Sie kann heilen mit einem Blick oder einer Berührung der Hand.

Sie ist wild, sinnlich und furchtlos erotisch und verpflichtet sich dem Sex, als ihre Art, mit jemand anderem das Göttliche zu berühren.

Sie ist Mitgefühl und Weisheit. Sie ist eine Sucherin der Wahrheit und sorgt sich tief um etwas, das größer ist als sie selbst. Sie ist eine Frau, die weiß, dass ihre Bestimmung im Leben ist, höher zu gelangen und mit Liebe zu regieren.

Sie ist Frau, verliebt in die Liebe. Sie weiß, dass Freude ihre Bestimmung ist und indem sie sie umarmt und sie mit anderen teilt, werden Wunden geheilt. Sie ist eine Frau, die erfahren hat, dass ihr Partner ebenso zärtlich, verloren und verängstigt ist, wie sie es zu bestimmten Zeiten war. Sie hat schließlich die Narben des Jungen in ihm verstanden und weiß, dass miteinander, die Liebe die Erleichterung, die Heilung all ihrer Wunden sein kann.

Sie ist eine Frau, die sich so annehmen kann, wie sie ist. Sie kann andere annehmen, wie sie sind. Sie kann sich selbst ihre Fehler vergeben und sich nicht von denen anderer bedroht fühlen, sogar, wenn sie angegriffen wird.

Sie ist eine Frau, die um Hilfe bitten kann, wenn sie sie braucht oder hel- fen kann, wenn sie darum gebeten wird. Sie respektiert Grenzen, ihre und die anderer.

Sie kann Gott in den Augen anderer sehen. Sie kann Gott in ihren eigenen sehen. Sie kann Gott in jeder Lebenssituation sehen. Sie ist eine Frau, die Verantwortung übernimmt für alles, was sie sich in ihrem Leben kreiert.

Sie ist eine Frau, die vollständig unterstützend und gebend ist. Sie ist eine Göttin.“

(Sharon-Lee Kaplan, The Goddess Imperative)

Doch um so eine Göttin werden zu können, musste sie den Wandlungsprozess durchlaufen, den jeder Mensch durchlaufen muss, wenn er aus einer Raupe zu einem Schmetterling werden wollte. Und dieser beinhaltete auch die abstrakte und unangenehme Phase, in der sich alles Alte auflöst und in etwas Neues verwandelt. Schon damals war ist bewusst, dass vor allem die erste Zeit unserer gemeinsamen Reise kein Zuckerschlecken werden würde. Denn sie kannte ja nicht nur sich selbst und die Erfahrungen, die sie in den zehn Tagen in Spanien bei uns gemacht hatte, sondern auch jeden einzelnen Blogbericht von uns. Es war ihr also nicht unbekannt, dass zu dem Prozess zum einen dazu gehörte, dass man offener und ehrlicher wurde, als man es sich je hätte vorstellen können und dass dieser Prozess zum anderen nicht von einer Minute auf die andere erledigt ist. Heiko und ich sind da sicher nicht die Schnellsten, aber wahrscheinlich auch nicht die Langsamsten und wir kratzen nun immerhin schon seit fast zwei Jahren an der Oberfläche, ohne das ein Abschluss der Wandlungsphase auch nur in denkbare Nähe gerückt wäre.

Dass sie selbst diese Wandlung zu einem göttlichen Wesen durchlaufen wollte, dessen war sie sich ebenso bewusst, wie der unterschiedlichen Schritte, die sie dazu in Angriff nehmen musste. So schrieb sie in ihrer Vision für ihr Nomadenleben:

Ich möchte meine Vision erreichen, durch Transformation. Die letzten Jahre sind der beste Beweis dafür, dass es Zeit für Veränderung in meinem Leben ist, denn obwohl ich immer auf der Suche war kam ich nie wirklich von der Stelle.

Ich habe begriffen, dass diese Veränderung auf drei Ebenen stattfinden muss:

Körper - Seele - Geist

1) Körperliche Ebene:

Gesund werden: 
d.h. frei von Giftstoffen, Schlacken etc. werden, die sich in meinem Körper im Gewebe durch Übersäuerung, die durch jahrelange, schlechte Ernährung, Rauchen, Alkohol, andauerndem Stress, psychischer Probleme (Borderline, Bulimie), dem Mich-Nicht-Anerkennen und Verbiegen für andere, ansammeln konnten und die somit zu einem nicht mehr funktionieren Bindegewebe welches sichtbar in Form von Cellulite ist, geführt haben.

Nur ein gesunder Körper kann einen gesunden Geist beherbergen.
Ich kann nur ein kraftvolles Vorbild sein, wenn ich auch so lebe und es aufzeige.

Dafür werde ich bei meiner Ernährungsumstellung bleiben (kein Getreide außer ab und an Hirse, Quinoa, Amaranth oder Buchweizen, kein Zucker, kein Schweinefleisch, kein „Billig-Fleisch“, viel Gemüse, Obst und eine basische/ basenüberschüssige Ernährung.)

Künstliche Kosmetikprodukte sind weitestgehend aus meinem Badezimmer verbannt, alternativ nutze ich natürliche Öle, Naturprodukte und beginne diese auch selbst herzustellen.

Ich betreibe Sport, Ausdauer und Kraft, um einen ausdrucksstarken muskulösen Körper zu bekommen.

Nieren- und Leberentgiftungen werde ich durchführen, sowie eine Darmsanierung.

2) Seelische Ebene:

Weiblichkeit leben: d.h. bewusst damit umgehen. Die Pille habe ich abgesetzt und spüre durch die Hormonumstellung meinen Körper wieder viel deutlicher.

Aikido wird mir helfen, meine (weibliche) innerer Stärke zu entdecken und zu halten.

Ich werde mich nicht mehr verstecken sondern bewusst zu meinen Wünschen stehen.

Opferrolle loslassen: Ich möchte kein Mitleid mehr einheimsen sondern zu meinen Entscheidungen stehen können und jegliches Selbstmitleid loslassen. Ich treffe Entscheidungen und stehe dazu.

3) Geistige Ebene:

Glaubenssätze brechen: „Du kannst das nicht“
„Das Leben ist ein Kampf“
„Sei schön und brav, dann wirst du geliebt“
„Du musst perfekt sein“
„Wenn ich meinen Beruf aufgebe, werde ich nicht genug zum Leben haben“

Urvertrauen lernen: Ich werde mich nicht von äußeren Einflüssen, seien es Personen oder Umstände beeinflussen und ständig ins Wanken bringen lassen. Ich werde zu meinen Entscheidungen und ihren Konsequenzen stehen.“

Wieder waren wir baff als wir das lasen. Sogar das Thema mit dem Entscheidungen treffen war bereits vor einem Jahr offenkundig gewesen und alles, was wir ihr versucht hatten bei unseren gemeinsamen Abendessen zu erklären, hatte sie selbst bereits vor langer Zeit ausformuliert.

Wenn doch aber all diese Dinge schon einmal bewusst und klar waren, wie war es dann möglich, dass wir uns wieder und wieder im Kreis drehten und dass sowohl sie als auch wir das Gefühl gehabt hatten, diese Themen zum ersten Mal zu besprechen?

Alles hat seine Richtigkeit und so hat auch dies seinen Sinn, auch wenn wir ihn gerade noch nicht richtig erfassen konnten. Ok, um ehrlich zu sein, leuchtete es mir nicht einmal ansatzweise ein. Was für einen Sinn sollte es haben, dass wir so wichtige Dinge erkennen, verstehen, ja dass wir sogar bereit sind, sie umzusetzen und ehe wir uns versehen haben wir alles wieder vergessen. Man sagt über einige Fische, dass ihr Gedächtnis so schlecht ist, dass sie nach nur einer einzigen Runde im Aquarium vergessen haben, was auf der anderen Seite ist, so dass sie glauben, ständig durch ein neues Gebiet zu schwimmen. So wie es aussah, waren wir Menschen darin nicht viel besser.

Erst später begann ich zu begreifen, dass es einen Unterschied gab, ob man etwas vom Verstand her ‚verstanden’ oder auch wirklich verinnerlicht hatte. Unser Verstand hat uns die meisten Probleme, denen wir in unserem Leben gegenüberstehen eingebrockt und aus irgendeinem Grund glauben wir, dass wir sie mit seiner Hilfe auch wieder lösen können. Doch wenn das so einfach wäre, dann dürfte es auf der Welt heute wohl kaum noch einen Menschen geben, der nicht erleuchtet ist. All diese Worte von göttlichem Sein, von bedingungsloser Liebe, von Wandlung, Selbsterfahrung und der gleichen mehr, klingen so simpel. „Lebe im Jetzt!“ „Nimm die Welt so an, wie sie ist!“ „Gib deine Gefühle immer offen und ehrlich nach außen!“ „Sei du selbst!“ „Höre auf deine innere Stimme!“ „Alles ist eins!“

All diese Sätze enthalten die Kernessenzen des Universums und doch bringt es nichts, sie zu sagen, zu glauben, zu verstehen oder zu hören. Man lebt nicht einfach im Jetzt, nur weil man irgendwo aufschnappt, dass das sinnvoll ist. So funktioniert die Welt leider nicht.

Wenn ich noch einmal an den Sommer in Spanien zurückdenke, dann erinnere auch ich mich an eine Liste mit unendlich vielen Dingen, die ich in meinen Alltag einbauen wollte. Wie Paulina habe ich es eine Zeit lang geschafft, doch dann ist es wieder untergegangen. Das Leben läuft nicht nach Plan, es läuft wie es läuft und man kann es nicht mit starren Strukturen in seine Schranken weisen, auch wenn diese Schranken noch so sinnvoll erscheinen.

Der Teufel liegt im Detail und hier stellten wir fest, dass wir verdammt viele Dinge übersehen hatten, die auch damals schon darauf hinwiesen, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, in dieser Konstellation zu dritt zu reisen. Wären wir wirklich offen gewesen, hätten wir bereits vor einem Jahr alle Probleme erkennen können, die letztlich zur Trennung geführt hatten und die auch dazu führen mussten. Unsere Recherche in den Dokumenten, die in den Tiefen unserer Computer vor sich hinschlummerten wurde nun fast zu einer Art Spurensuche, bei der wir nach und nach immer mehr verstanden, wie sehr alles miteinander verstrickt war.

So stand bereits früh das Thema mit der Ehrlichkeit und dem Zu-Sich-Stehen und Sich-Zeigen auf dem Tisch. Auch in der Visionssuche war Paulina bereits klar geworden, dass es an der Zeit war, die alten Masken abzulegen und zu sich zu stehen.

In einem Konzept, dass sie für ihr Leben als Nomadin schrieb, nannte sie dieses Themenfeld „Projekt Ehrlichkeit!“

Sie selbst schrieb dazu:

Projekt Ehrlichkeit – zu mir selbst und zu allen anderen

So wie man in den Wald ruft so kommt es auch zurück ... hoffe ich.

Ich habe jahrelang die schillerndsten Masken getragen, bewusst und unbewusst. Um Unsicherheiten zu kaschieren, um Anerkennung zu erhalten, um geliebt zu werden und um es oft leichter zu haben.

Jetzt möchte ich lernen einfach nur ich zu sein.“


An einer anderen Stelle beschrieb sie als einen der Gründe, warum sie auf eine Medizinreise gehen wollte:

„Weil ich frei werden möchte von allen Masken und Restriktionen. Ich möchte Natürlichkeit, Tiefgründigkeit und Ehrlichkeit leben.

Weil ich meine Weiblichkeit leben, mich nicht länger verleugnen und verstecken möchte.“

Es war also bereits von Anfang an der Plan gewesen, offen und ehrlich zu sein und auch über sich selbst zu schreiben. Vor allem war sie sich aber bewusst, dass dazu auch gerade die Dinge gehörten, die sie von ihrem Gottsein trennten und die sie an sich selbst als Schwächen und Mängel wahrnahm. So war die Idee ihrer eigenen Homepage auch, sich selbst nach außen hin zu zeigen:

„Mich als Designerin (daher ist mir eine professionelle Gestaltung wichtig), mich als (Lebens-)Künstlerin, Forscherin, Entdeckerin und Abenteurerin, als mutige Frau, als starke Persönlichkeit, die es schafft sich aus ihrem konvetionellen Leben zu lösen und ihrem Lebensweg zu folgen, die aber auch schwache Momente hat und ebenso über Pleiten, Pech und Pannen berichtet und natürlich auch mich als Herdenmitglied. Dem Ganzen darf natürlich eine gute Protion Humor nicht fehlen. Denn dieser macht mich ja schließlich aus.“

Fortsetzung folgt...

 

Spruch des Tages: Eine Göttin ist eine Frau, die aus ihrer eigenen tiefsten Tiefe auftaucht. (Sharon-Lee Kaplan)

Höhenmeter: 35 m

Tagesetappe: 13 km

Gesamtstrecke: 11.951,27 km

Wetter: bewölkt

Etappenziel: Kloster Antoniano, 72024 Oria, Italien

Hier könnt ihr unser und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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