Tag 878: Polizisten ärgern

von Heiko Gärtner
29.05.2016 15:03 Uhr

Fortsetzung von Tag 877:

Zumindest für eine gewisse Zeit. Denn dann bekamen wir erneut Besuch. Ich selbst bekam davon nur wenig mit, weil ich mir einen Arbeitsplatz etwas unterhalb in einem kleinen Wäldchen eingerichtet hatte. Doch Heiko erzählte es mir später sehr Bildhaft. Zunächst kamen einige Feldarbeiter und Hirten, die aber relativ schnell wieder verschwanden. Einer von ihnen musste jedoch die Polizei gerufen haben, denn die kam kurze Zeit später. Es waren zwei Beamte der Grenzpolizei, die wie immer unsere Ausweise kontrollieren wollten. Heiko befand sich gerade in einer sarkastischen Stimmung und trieb die beiden Beamten damit fast in den Wahnsinn. Zu ihrer Verteidigung muss man aber Sagen, dass sie die ganze Zeit über sehr ruhig und entspannt geblieben sind, obwohl sie die meisten Witze nicht verstanden. Das Gespräch lief etwa folgendermaßen ab.

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Polizist: "Hallo! Passport!" Heiko: "Hallo! Wie bitte?" Polizist: "Ich brauche einen Ausweis!" Heiko (schaut aus dem Zelt heraus): "Oh, da sind Sie hier falsch! Wenn Sie einen Ausweis brauchen, müssen Sie zur Botschaft gehen! Wir sind nur auf der Durchreise und verkaufen keine Ausweise!" Polizist: "Nein, ich brauche Ihren Ausweis!" Heiko: "Achso! Warum brauchen Sie den denn? Haben wir etwas verbrochen? Ist zelten hier nicht erlaubt?" Polizist: "Nein, nein, kein Problem! Am Zelten liegt es nicht! Es ist nur eine routinemäßige Kontrolle! Zelten dürfen Sie hier woimmer sie wollen!" Nebenbeibemerkt: Eine hilfreiche Info! In Bulgarien ist das Wildcampen damit also wohl doch legal oder zumindest von offizieller Seite her geduldet, auch wenn das Gesetz hier eigentlich etwas anderes vorsieht. Heiko: "Na dann ist doch alles in Ordnung!" Polizist: "Ja, aber ich brauche trotzdem Ihren Ausweis!" Heiko: "Warum?" Polizist: "Wir sind von der Grenzpolizei und müssen die Ausweise kontrollieren!" Heiko (schaut sich die beiden Polizisten genauer an): "Sind Sie da sicher? Sie tragen so etwas wie eine grüne Uniform und ihr Kollege trägt Militärkleidung. Besonders offiziell sieht das nicht aus, können Sie sich irgendwie ausweisen?" Polizist (schluckt): "Naja, also hier auf meiner Jacke steht mein Name! Das zeigt doch, dass ich ein Polizist bin!" Heiko: "Ich weiß ja nicht! Hier auf meiner Jacke steht 'Bergans'. Heißt dass dann auch das ich ein Polizist bin?" Polizist (versteht kein Wort) Heiko: "Schon in Ordnung, ich suche die Pässe raus!" (reicht dem Polizisten die Pässe) Polizist: "Sind Sie alleine?" Heiko: "Nein! Zwei Pässe, zwei Leute!"

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Polizist: "Wo ist der zweite?" Heiko: "Der ist unten im Wald und schreibt an einem Baum!" Polizist: "Er schreibt an einen Baum? Warum schreibt er an einen Baum? Was schreibt er da?" Heiko: "Nein! Er schreibt nicht an einen Baum, er schreibt an einem Baum! Auf dem Computer! Er schreibt ein Buch und sitzt an einem Baum!" Polizist: "Aha, also schreibt er kein Buch an den Baum!" Heiko: "Nein! Er schreibt ein Buch über Bäume!" Polizist (versteht überhaupt nichts mehr und wechselt das Thema): "Schlafen Sie hier?" Heiko: "Nein, ich arbeite! Jedenfalls habe ich gearbeitet, bis sie mich unterbrochen haben!" Polizist: "Ja, ich weiß, aber später, nach dem Arbeiten, schlafen Sie dann hier?" Heiko: "Nein, dann kochen wir etwas." Polizist: "Ok, aber nach dem Kochen, dann schlafen Sie hier!" Heiko: "Nein! Dann essen wir! Es wäre ja sinnlos, wenn wir gleich nach dem Kochen schlafen gehen würden. Dann würde ja alles wieder kalt!" Polizist: "Ja aber nach dem Essen, dann schlafen Sie hier, oder?" Heiko: "Nein, dann schauen wir noch einen Film. Aber danach schlafen wir. Denn sonnst hätten wir uns das Zelt sparen können." Polizist: "Ok, dann muss ich jetzt die Pässe kontrollieren!"

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Heiko: "Gut, ich muss auch weiterabeiten!" Polizist (dachte eigentlich, dass Heiko ihn mit zum Streifenwagen begleiten würde und ist etwas irritiert): "Sie kommen nicht mit?" Heiko: "Nein, ich muss arbeiten, Sie können mir die Pässe ja einfach wiederbringen, wenn Sie fertig sind." Polizist: "Ok, ich klopfe dann einfach!" Heiko: "Das wird schwierig, ich habe ja keine Tür!" Polizist: "Mh, naja dann rufe ich eben!" Heiko: "Rufen ist gut! Bis später!"

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Die Polizisten verschwanden und kamen eine gute Viertelstunde später mit den Pässen zurück um sich zu verabschieden. Den beiden Beamten war es nun sogar peinlich, dass sie Heiko bei der Arbeit gestört hatten, doch Heiko hatte sich prächtig amüsiert. Sogar gleich zweimal, denn als er mir die Geschichte später erzählte, mussten wir uns fast kugeln. Trotzdem war die Situation an sich auch etwas besorgniserregend. Bulgarien war nun schon das dritte europäische Land, in dem wir ohne Grund kontrolliert wurden, weil wir Reisende waren. es war langsam kein Einzelfall mehr und man konnte es auch nicht mehr auf die ängstliche Mentalität eines Landes schieben. In Europa veränderte sich etwas und zwar ganz gewaltig. Vor allem gab es uns zu bedenken, dass die Polizisten wieder nicht in der Lage waren, ihre Kontrolle zu begründen und sich auch wieder nicht ausweisen wollten. Das waren schon deutliche Anzeichen eines Polizeistaates und nicht nur kleine. Langsam fragten wir uns, ob wir wohl auch noch kontrolliert werden würden, wenn wir im Herbst Deutschland erreichten. So sicher ausschließen wie noch vor ein paar Wochen konnten wir es nun nicht mehr.

Spruch des Tages: Sorry, aber einen Ausweis kann ich Ihnen leider nicht geben, da müssen Sie schon zur Botschaft gehen.

Höhenmeter: 320 m Tagesetappe: 19 km Gesamtstrecke: 15.437,27 km Wetter: strömender Regen von Morgends bis Abends und die ganze Nacht durch Etappenziel: Zeltplatz auf einer Wiese, kurz vor 5051 Gabrovtsi, Bulgarien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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