Tag 1361: Keine Sonne, Keine Kraft – Wie gewinne ich neue Lebensenergie?

von Franz Bujor
23.02.2018 08:10 Uhr

30.08.-02.09.2017

Verdammt! Er hat uns wieder eingeholt. Zehn Tage haben wir uns vor dem Regen verstecken können, doch jetzt ist er wieder da. Wahrscheinlich hat er erst nicht gemerkt, dass wir mit der Fähre aus Irland geflüchtet sind, weil wir plötzlich so viel schneller waren als üblich. Jetzt wird er wohl bemerkt haben, dass seine Tropfen unsere Köpfe verfehlen und schon ist er hinterher gereist.

Und er macht gleich erst einmal genau so weiter, wie er in Irland aufgehört, oder besser nicht aufgehört hatte. Es dauerte nur Minuten und wir waren zwei begossene Pudel.

kleinr Singvogel auf Asphalt

Alle sehnen skch nach Sonne

Drei Tage lang begleitete uns der Dauerregen nun auch hier und spiegelte damit recht treffend die düstere Stimmung wieder, die ich in mir trug. Ich habe das Thema Energielosigkeit und Müdigkeit ja schon ein paar Mal erwähnt, aber nun hatte es noch einmal ein neues Level erreicht und ich war kurz davor durchzudrehen.

Fehlende Energie

In den letzten Tagen wurde mein Müdigkeitensyndrom so stark, dass es meine Arbeiseffektivität auf Null setzte und mich fast vollkommen übermannte. Sobald ich mich auch nur an einen Computer setzte, schlief ich augenblicklich ein. Nicht einmal mehr einen einzigen Satz konnte ich flüssig zuende schreiben, ohne dabei ins Traumland abzudriften. Jetzt gerade scheint es etwas besser zu sein, denn in diesem Abschnitt sind mir bislang nur ein einziges Mal die Augen zugefallen. Aber ihr merkt, es sind erst fünf Zeilen und das ist bei weitem noch keine Glanzleistung. Normalerweise könnte man ja sagen: „Was solls, dann schlaf eben einfach eine Runde, irgendwann wirst du schon wieder wach werden!“ Aber so einfach war es leider nicht. Denn kurioser Weise hatte ich nicht das Gefühl, als hätte mein Energielevel auch nur das geringste mit der Menge an Schlaf zu tun, die ich mir gönnte. Oftmals fühle ich mich nach dem Schlaf sogar noch ausgelaugter und Müder als zuvor, gerade, wenn ich lange schlafe. Manchmal verfalle ich nach dem Aufstehen auch in eine Art Delirium, das sich wahrscheinlich mit dem Zustand vergleichen lässt in den man kommt, wenn man unter starken Drogen steht. Ich habe die ganze Zeit über das Gefühl, ich könnte bewusst und aktiv handeln, kann es aber nicht. Ich bin wie in einer Traumblase gefangen aus der ich nicht herauskomme.

Zweige, Bäume, Tiere, Wanderer: Alle nass!

Zweige, Bäume, Tiere, Wanderer: Alle nass!

Zu viel in zu wenig Zeit

Das Problem dabei ist, dass ich im Moment einiges an wirklich wichtigen Dingen zu tun hätte, die ich auch wirklich tun will, weil ich ihren Sinn und ihren Nutzten erkennen kann, weil ich sehe, wie wichtig sie sind und weil mir klar ist, dass sie uns alle immer tiefer in die Unabhängigkeit und Freiheit führen werden. Doch anstatt motiviert und voller Elan durchzustarten, tue ich überhaupt nichts mehr. Denn jedes Mal, wenn ich es versuche, fallen mir sofort die Augen zu und ich bin wie betäubt. Es fühlt sich nicht wirklich wie schlafen an, eher wie ohnmächtig werden, oder hypnotisiert werden. Jedes Mal wenn dies passiert, stauen sich Dinge auf, die erledigt werden wollen, aber nicht erledigt werden. Dadurch steigt permanent der Druck und das Gefühl, mir so etwas wie Erholung und Schlaf überhaupt nicht mehr leisten zu können, da ich dadurch ja nur immer noch weiter ins Hintertreffen gerate. Aus diese Weise entsteht ein Teufelskreis, der mich immer tiefer und noch tiefer in die Energielosigkeit und in die Unproduktivität treibt. Für beides verurteile ich mich dann. Ich hasse mich sogar dafür, nicht Herr meiner Sinne sein zu können. Ich hasse mich für die permanente Müdigkeit und dafür, nichts auf die Reihe zu bekommen. Es ist, als würde ich alles sabotieren, was uns und mich selbst auch nur im entferntesten voranbringen könnte. „Irgendetwas stimmt doch mit diesem Kerl nicht, in dessen Haut ich da stecke!“ huscht es immer wieder durch meinen Geist.

Der Regen prasselt seit Tagen auf die Erde herab.

Der Regen prasselt seit Tagen auf die Erde herab.

Energietief als Emotions- und Enteicklungstrainer

Dabei ist die ganze Geschichte weder dramatisch noch negativ, wenn man sie aus ein bisschen Distanz betrachtet. Um genau zu sein hatte ich mir ja sogar selbst so etwas in der Richtung gewünscht. Bei unserem letzten Ritual hatte ich die Vorlagen meines Krafttiertattoos verbrannt und meine Krafttiere darum gebeten, mich zu unterstützen ins Erwachen zu kommen. Ich bat sie, mir dabei zu helfen, zu erkennen, wer ich wirklich bin. Erkennen, dass ich das Alles bin und nicht nur dieser unbeholfene Mensch, der meist schon mit den einfachsten Aufgaben überfordert ist und der sich noch immer verhält, wie eine funktionierende (oder inzwischen defekte) Maschine. Es war ja immer klar gewesen, dass ich aus diesem Bereich nicht herauskommen würde, wenn ich keinen Leidensdruck bekam, der mich antrieb. Und wenn ich ehrlich bin muss ich sagen, man hätte mich auch an keiner besseren Stelle treffen können, als mir die Energie auszusaugen und zu sagen: „Entweder du schaffst es jetzt, zu erkennen, dass du mit der Allenergie verbunden bist und daher niemals energielos sein kannst, oder du wirst vollkommen lahmgelegt.“

Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich den Druck, der so groß wurde, dass ich immer mehr Panik bekam. Ich spürte, wie mir die Zeit und mein Leben durch die Finger rann und ich dabei war, mich selbst umzubringen, einfach nur weil ich nicht erkennen wollte, wie ich mich selbst permanent blockiere und sabotiere. Die Frage war nur: „Warum kann ich nicht einfach loslassen? Warum halte ich so sehr an der Idee fest, ein unbedeutender unfähiger und weinerlicher Junge zu sein, der nichts auf die Reihe bekommt, anstatt das anzuerkennen, was ich eh schon weiß: All dies ist eine Illusion, ein Traum oder besser eine Matrix, die ich mir selbst erschaffen hatte.

Regen prasselt in eine Pfütze

Auf den Straßen steht das Wasser teilweise Knöcheltief

Das Gefühl von  Abgeschnittenheit

Faktisch war oder ist mein Problem also kein echter Energiemangel, denn es gibt ja überall immer ausreichend Energie, die mir uneingeschränkt zur Verfügung steht. Das Problem bestand viel mehr darin, dass ich mich ganz bewusst davon abkapsle. Aus irgend einem Grund habe ich sämtlichen Bezug zu mir selbst und zum Rest des Universums verloren. Bislang habe ich vor allem drei Hauptgründe dafür erkannt. Der erste ist mein Hang zur Negativität und zum Schwarzmalen. Alles, was nicht perfekt funktioniert ist schlecht. Aus irgendeinem Grund habe ich es mir zu einer Art Hobby gemacht, permanent über alles zu meckern, zu fluchen und mich zu beschweren. 99% einer Sache sind super und ich schaffe es trotzdem, mich auf das 1% zu konzentrieren und darüber zu meckern. Dies bedeutet natürlich auch, dass ich ständig mehr in mein Leben ziehe, über das ich meckern und und fluchen kann. Je mehr ich mich also darüber aufrege, dass ich müde und energielos bin, desto müder und energieloser werde ich.

Schwere dunkle Regenwolken über dem Gebirge

Bei diesem trüben Wetter gute Laune und Energie zu bekommen ist eine Herausforderung

Angst vor den Konsequenzen

Der zweite Punkt ist meine Angst davor, was passiert, wenn ich mich selbst wirklich annehme. Heiko beschäftigt sich in letzter Zeit sehr intensiv mit heiliger Sexualität und damit, wie man sich mit einem Partner gemeinsam so unterstützen kann, dass jeder ins Erwachen kommt. Ich selbst habe mich hingegen für den Weg des Eremiten entschieden, was bedeutet, dass ich das, was die beiden über ihre Partnerschaft und ihre Sexualität gewinnen können, mit Hilfe von spiritueller Praxis gewinne. Oder besser: eigentlich gewinnen sollte, denn wie erwähnt klappt es ja leider noch gar nicht. Spirituelle Praxis heißt, sie permanent darin zu üben, sich selbst und alles um einen herum im Gegenwärtigen Augenblick so bewusst wie möglich zu fühlen. Den eigenen Atem zu spüren, den Körper wahrzunehmen und genau zu erkennen, was er wann benötigt und warum. Dies ist nun so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich mein Leben lang versucht habe. Ich war ja bereits immer wieder auf den Schluss gekommen, dass ich Angst vor dem fühlen hatte, Gefühle zuzulassen. Bislang hatte ich jedoch immer gedacht, dass es dabei bloß um Emotionen ging. Aber es war weit mehr. Es ging darum, jede einzelne Zelle seines Körpers bewusst zu spüren und sich seiner selbst vollkommen gewahr zu werden. Dementsprechend steckten natürlich auch noch mehr Ängste dahinter, die ich bislang nicht bewusst wahrgenommen hatte.

Die Blüten schaffen es dennoch, von Innen heraus zu strahlen

Die Blüten schaffen es dennoch, von Innen heraus zu strahlen

Den eigenen Weg annehmen lernen

Da war zunächst die Partner-Thematik. Vom Lebensweg her ist es kein bisschen besser oder schlechter ob man einen Spiegelpartner bzw. eine Spiegelpartnerin an der Seite hat, oder ob man sein eigener Spiegelpartner ist. Alles ist eins, man ist also eh immer jedes Wesen in seinem Leben, egal ob dieses Wesen eine Stimme im eigenen Kopf ist, oder eine äußere Person. Trotzdem gab es einen Teil in mir, der noch immer beleidigt war, weil körperliche Liebesbeziehungen und Sexualität nicht zu meinem Leben gehörten. Ich glaube, es war sogar weniger der Weg selbst der mich störte, als viel mehr das Gefühl, es selber verbockt zu haben. Die Spirituelle Praxis nun anzunehmen und mich vollkommen in ein Leben als Mönch einzufügen, bedeutete also auch, zu akzeptieren, dass der andere Weg für dieses Leben endgültig ausgeschlossen war. Doch stattdessen versuchte ich schon wieder Schlupflöcher zu finden, mit denen ich die Sache umgehen kann. Mein aktueller Lieblingsplan: als Mönch in die Erleuchtung und ins Erwachen zu kommen, so dass ich dann in der Lage bin, alles umzuschreiben um wieder zurückzukehren und es dann noch einmal mit einer Partnerin zu versuchen. Das konnte natürlich nicht klappen, denn zum einen wäre dies nur wieder eine Methode, um ein Ziel zu erreichen, ohne den Weg gegangen zu sein, was ich gerne versuchte, ohne dass es je funktionierte. Und zum anderen Endete der Lebenstraum ja mit dem Erwachen. Man konnte ja nach einem Nachttraum auch nicht noch einmal an dessen Start zurückkehren und alles umschreiben, nur weil man am Morgen gemerkt hat, dass es ein Traum war.

Die Sonne ist nicht weg, sie ist nur hinrer einem dichten grauen Nebel verborgen.

Die Sonne ist nicht weg, sie ist nur hinrer einem dichten grauen Nebel verborgen.

Der Blick in den eigenen Abgrund

Aber da war noch mehr. Ins Fühlen zu kommen bedeutete, alles zu fühlen, was ich mir selbst je angetan hatte. Jede Minute in der ich gegen mich selbst gekämpft habe, in der ich mich verbogen, verleugnet oder selbst ausgebeutet hatte. All dies würde spürbar werden. Ich wusste ja, wie ich mich bislang geschlagen hatte und es gab einen guten Grund dafür, warum ich es vermied, mich jemals genauer anzuschauen. Dem musste ich mich nun wohl stellen und dies bedeutete auch meine eigene Dummheit zu erkennen. Zu erkennen, dass ich nie wirklich hilfreich gewesen war und mein eigenes Leben bewusst selbst so unangenehm, leidvoll und schwer gemacht hatte, wie nur irgend möglich Das war meine Angst! Die Angst, in meinen eigenen Abgrund zu blicken. Deswegen suchte ich mir einen Grund es nicht tun zu können und was war dafür besser geeignet, als permanente Energielosigkeit?

Nasser Wald in Regen und Nebel

Will icj wirklich alles sehen, was sich hinter dem Nebel verbirgt?

Seit Tagen hadere ich nun schon mit mir, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Gestern Abend kam ich dann zum ersten Mal auf einen Punkt, den ich als wirklich hilfreich empfand: In gewisser Weise war dieser Energiemangel meine Form von Heikos Tinnitus. Er war mein Mentor um in einen Fokus zu kommen. Meine Aufgabe, mit der ich umzugehen lernen musste. Ich war natürlich grauenhaft schlecht darin, aber nun wurde mir klar, dass es ums lernen ging. Und ich glaube, als Lernaufgabe kann ich es nun langsam annehmen, ohne mich darüber permanent aufregen zu müssen.

Spruch des Tages: Was immer mir auch widerfährt, es dient meiner Entwicklung

Höhenmeter 120 m

Tagesetappe: 12 km

Gesamtstrecke: 25.615,27 km

Wetter: sonnig und warm

Etappenziel: Gemeindehaus der Kirche, Pellevoisin, Frankreich

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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