Tag 1116: Giftige Verpackungen

von Heiko Gärtner
07.02.2017 02:36 Uhr

20.01.2017

Der bewölkte Himmel verhieß nichts gutes, entpuppte sich dann aber doch als Segen. Die Wolkendecke verhinderte das Auskühlen der Erde und so war es heute bedeutend wärmer als an den letzten Tagen. Gleich in der Früh hatte die Sekretärin des Rathauses in unserer Zielortschaft angerufen um zu fragen, ob wir dort übernachten könnten. „Kein Problem!“ hatte es geheißen, wir müssten nur möglichst vor 12:00 ankommen, da das Rathaus anschließend geschlossen hatte. Bei einer Strecke von 25km war dies natürlich nicht möglich und so schlug die Sekretärin vor, dass man doch Nummern austauschen und einen Schlüsselbeauftragten organisieren solle. „Da fällt mir ein...“, entgegnete die Kollegin am anderen Ende der Leitung, „heute sind leider doch alle Säle belegt!“ So war es eben mit der Gastfreundlichkeit. Wenn man dafür etwas tun musste, war es schnell vorbei. Aber zum Glück gab es noch andere Gemeinden und der Nachbarort war etwas weniger kompliziert. Hier bekamen wir einen kleinen Veranstaltungssaal, den wir im Notfall auch zwei oder drei Tage nutzen durften, nur für den Fall, dass wir keinen Platz für den Folgetag finden würden.

Die spannendste Begegnung auf der Wanderung hatten wir heute mit einer Bisamratte, die uns vom Ufer des Kanals aus beobachtete. Der Kanal du Midi war nun bereits zu weiten Teilen zugefroren und zwar bereits so dick, dass Enten und andere Wasservögel auf der Eisschicht laufen konnten. Es sah lustig aus, wie sie teilweise genauso unbeholfen wie Menschen über das glatte Eis rutschten und versuchten, mit ihren Flügeln die Balance zu halten. Dass die Eisschicht aber auch bereits stark genug für eine Bisamratte war, hätten wir nicht erwartet.

In einer Picknick-Pause packten wir einige der Geschenke aus, die wir in den letzten Tagen von den Einheimischen als Nahrungsspende bekommen hatten. Darunter war auch ein Honig-Gewürzbrot und eine Packung Kekse. Die Kekse waren, wie heutzutage üblich in Plastikfolie eingeschweißt. Was wir jedoch zunächst nicht bemerkten war, dass sie bereits vor mehr als sechs Jahren dort hineingesteckt worden waren. Fast gleichzeitig bissen wir genüsslich hinein und genauso gleichzeitig spuckten wir den Bissen mit vor Ekel verzerrtem Gesicht wieder aus. Das Keksstück zählte zu den widerlichsten Dingen, die wir je gegessen hatten und dabei sind Dinge wie Kaninchenaugen, roher Froschleich, verwesender Hai und eingelegte Schweineohren bereits inbegriffen. Erstaunlicher Weise waren die Kekse nicht schlecht oder verdorben, sondern schienen noch immer in genau dem gleichen Zustand zu sein, wie zum Zeitpunkt ihrer Herrstellung. Dies allein war beängstigend, wenn man bedachte, dass organische Materialien sechs Jahre nach ihrem Tod eigentlich verfallen sollten. Was aber weitaus beängstigender und auch ekelhafter war, war die Plastikfolie. Hätten wir die Folie anstatt der Kekse gegessen, wäre dies zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich gesünder gewesen. Denn sämtliche Weichmacher und Zusatzstoffe aus dem Plastik waren in die Kekse gezogen. Sie schmeckten nach einer Mischung aus Holzleim, Terpentin und Duschgel, wodurch sich sofort jeder Muskel im Körper zusammenzog. Noch mehr als vor dem widerlichen Geschmack erschraken wir jedoch vor der Erkenntnis, die uns dieses Extrembeispiel brachte. Wenn nach sechs Jahren, nahezu alle Weichmacher aus dem Plastik in die Lebensmittel gezogen waren, dann passierte der gleiche Prozess auch in geringerem Ausmaß in kürzerer Zeit.

Dass die Weichmacher auf unsere Nahrungsmittel übergehen ist natürlich bekannt und wurde schon in unzähligen Studien offen gelegt. Dass dies nicht gesund ist und unter anderem zur Konzentrationsschwäche und zu Impotenz führt ist auch längst kein Geheimnis mehr. Aber es ist etwas vollkommen anderes, über eine Studie zu lesen, die von unsichtbaren und unschmeckbaren Giften in Lebensmitteln berichtet, oder diese Gifte selbst zu erkennen, zu schmecken und zu erleben. Was zum Henker tun wir uns da nur an?

Spruch des Tages: So gut scheint die Idee mit der Plastikverpackung nun doch wieder nicht zu sein.

Höhenmeter: 50 m Tagesetappe: 16 km Gesamtstrecke: 20.420,27 km Wetter: Sonnig und frisch Etappenziel: Mehrzweckraum der Stadt, 11150 Villépinte, Frankreich

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.