Wissenswertes über Venedig

von Heiko Gärtner
07.05.2019 23:05 Uhr

Venedig gilt als die wohl romantischste Stadt der Welt und schlägt sich wacker mit Paris um den Titel als Stadt der Liebe. Das ist auch kein Wunder, denn obwohl hier mehr als 250.000 Menschen leben gibt es in der ganzen Stadt keine Autos. Auch keine Mofas, Fahrräder oder Roller. Alles was sich bewegt, bewegt sich entweder zu Fuß oder mit dem Boot. Kann man sich in unserer heutigen, hektischen Zeit etwas romantischeres vorstellen? Dazu strotzt Venedig geradezu vor Kunst, Kultur und Geschichte. Es ist nicht einfach eine Stadt! Es war viele Jahre lang der Mittelpunkt des venezianischen Reiches, von dem aus Abenteurer und Seefahrer in die ganze Welt aufbrachen, in dem der Handel florierte und in dem so manche weitreichende politische Entscheidung getroffen wurde, die uns noch heute beeinflusst.

Kurz: Wer den Norden von Italien besucht, kommt um Venedig nicht herum. Das könnt ihr uns glauben, denn wir haben es wirklich versucht. Und nun, vier Jahre nachdem wir entschieden haben, dass diese Stadt nichts für uns ist, sind wir trotzdem hier gelandet. Und ja! Es ist tatsächlich die erste große Stadt, bei der wir den immensen Hype der um sie gemacht wird, wirklich nachvollziehen können. So abstrakt und irrsinnig die Stadt ist, so faszinierend ist sie auch. Falls ihr also unentschlossen seit, ob es sich lohnt, die Strapazen und Kosten auf sich zu nehmen und einen Kurztrip oder eine Städtereise nach Venedig zu machen, so können wir guten Gewissens sagen: „Ja! Es lohnt sich auf jeden Fall!“

 
Venedig

Venedig

Venedig – die Kurioseste Stadt der Welt

Bevor wir euch hier einen Überblick über die schönsten Sehenswürdigkeiten geben und euch zudem ein paar Tipps verraten, wie ihr Venedig bereisen könnt, ohne dass ihr euer gesamtes Vermögen dafür ausgeben müsst, möchten wir euch diese außergewöhnliche Stadt in einem kurzen Portrait ein bisschen vorstellen. Denn das hat sie wirklich verdient.

Das Besondere an Venedig ist, dass sie nicht nur aufgrund dessen Faszinierend ist, was man hier sehen kann, sondern vor allem aufgrund dessen, was man nicht sehen kann.

Ein Postboot

Ein Postboot

Wann wurde Venedig gegründet?

Das heutige Venedig war einst eine Laguenlandschaft mir mehr als 180 kleinen, überwiegend sumpfigen Inseln, die eigentlich nahezu nicht nutzbar waren. Doch der Mensch wäre nicht der Mensch, wenn er nicht dieses schier unstillbare Verlangen hätte, sich stets genau dort niederzulassen, wo sein Lebensraum eigentlich bereits geendet hat. So kam es bereits im vierten Jahrhundert nach Christus zu einer teilweisen Trockenlegung und Besiedlung der besagten Inseln.

Die ersten Siedler

Zunächst waren es nur vereinzelte Grüppchen, die sich hier her zurückzogen und die wenigen festen Landflächen in Besitz nahmen. Andere bauten kleine Pfahldörfer in den Sumpf, wie man sie beispielsweise auch vom Bodensee oder aus anderen Regionen her kennt. Schließlich wuchsen diese Siedlungen immer mehr zu einer Gesamtheit zusammen. Wann daraus wirklich eine Stadt wurde, weiß niemand mehr, doch der Legende nach fiel die offizielle Gründung der Stadt Venedig auf den 25. April 421. Den Tag des heiligen Markus. Demnach ist es dann auch kein Zufall, dass der größte und berühmteste Platz der Stadt der Markusplatz ist.

Blick von Venedig aus auf die verschneiten Berge

Blick von Venedig aus auf die verschneiten Berge

Zeitlos faszinierend

Wenn man sich bewusst macht, dass Venedig komplett auf Holzpfeilern aufgebaut ist, die zum Teil direkt im Meer, bzw. in der Lagune und zum Teil auf 118 kleinen, sumpfigen Inseln stehen, dann ist das bereits sehr beeindruckend. Macht man sich dabei noch bewusst, dass diese Stadt und die dazugehörige, durchaus waghalsige Konstruktion an den ältesten Stellen bereits rund 1600 Jahre alt ist, dann gibt dies der Sache noch einmal ein völlig neues Licht. Klar, die Pfeiler wurden inzwischen getauscht und auch die Gebäude sind nicht mehr die selben, aber die Stadt an sich blickt auf eine derart lange Geschichte zurück.

Der Markusdom bei Nacht

Der Markusdom bei Nacht

Leben im Meer - Schön und Problematisch

Wir selbst erreichten die Stadt per Boot von der Meerseite aus. Das, was gerade diesen Standort für Venedig so einzigartig macht ist, dass das eigentliche Meer durch mehrere lange schmale Inseln von der italienischen Küste ferngehalten wird. Dadurch bildet sich eine Lagune, in der die Wellen deutlich kleiner und die Schwankungen berechenbarer sind, als dies vor einer offenen Küste der Fall wäre. Nur so konnte sich die Stadt im Meer überhaupt halten, obwohl sie zum Teil nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel liegt. Und nein, wirklich sinnvoll und sicher ist das Konzept nicht. Deshalb ist Venedig auch regelmäßig überflutet und dann für Fußgänger nahezu unbesuchbar. In vielen Seitengassen sieht man daher immer schon Planken und eine Art Kisten paratstehen, die man im Notfall zu einem erhöhten Steg aufbauen kann. Nur zwei Tage vor unserer Ankunft was dies auch noch nötig gewesen.

Heiko erinnerte sich daran, dass er vor vielen Jahren einmal mit seiner damaligen Freundin hier gewesen war und dabei ebenfalls eine Überschwemmung erlebt hatte. Bis zu einem gewissen Punkt war dies ganz abenteuerlich gewesen und hatte definitiv auch seinen Reiz gehabt. Doch dann war ihnen aufgefallen, dass die Überschwemmung auch das Abwassersystem in Mitleidenschaft bezogen hatte. Dies wiederum führte dazu, dass nicht nur Fische und Meeresvögel in den Kanälen und durch die Gassen schwammen, sondern auch große Mengen von Exkrementen. Die romantische Stimmung war dadurch ein klein wenig gedämpft worden.

Die berümten Kanäle von Venedig

Die berümten Kanäle von Venedig

Vie viele Menschen leben in Venedig?

Heute jedoch hatten wir Glück! Einen besseren Tag hätten wir für unsere Venedigbesichtigung nicht erwischen können. Es war sonnig und warm, doch die meisten Menschen trauten dem Frieden noch nicht. Deshalb waren deutlich weniger Touristen in der Stadt, als üblich. Venedig selbst hat insgesamt rund 260.000 Einwohner, von denen aber rund 182.000 in den Stadtteilen am Festland leben und nur rund 60.000 im historischen Stadtkern, den wir als eigentliches Venedig kennen. Weitere 30.000 leben verstreut auf den anderen Inseln in der Lagune.

Wie viele Touristen besuchen Venedig im Jahr?

Und jetzt haltet euch fest! Nach groben und sehr vorsichtigen Schätzungen kommen jedes Jahr mindestens 30.Millionen Touristen in die Stadt. Dabei werden aber nur diejenigen berücksichtigt, die auch offiziell in Venedig übernachten. Diejenigen, die mit ihrem Kreuzfahrtschiff vor der Küste ankern und am Abend dorthin zurückkehren, tauchen in dieser Statistik nicht auf.

Blick von oben auf den Markusplatz

Blick von oben auf den Markusplatz

Mehr Tourismus, als man sich nur vorstellen kann

Allein von diesen Schiffen kommen aber teilweise rund 1,6 Millionen Passagiere auf einen Schlag in der Stadt der Liebe an! Menschen, also, die hier rausgeworfen werden für einen halben Tag bis maximal einen Tag bleiben und dann wieder verschwinden. Wenn dies der Fall ist, müssen die Massen systematisch durch die Gassen geleitet werden. Sonst geht überhaupt nichts mehr.

Genauso wenig umfasst die Statistik die Menschen, die mit dem Bus, Zug oder Auto vom Land her kommen und abends ebenfalls wieder zurück fahren, da die Übernachtungsplätze vor der Küste deutlich billiger sind als in der venezianischen Altstadt. Auch diese Zahl dürfte die der Übernachtungsgäste noch einmal deutlich übersteigen. Und schließlich gibt es in der Altstadt noch eine ganze reihe an privaten und somit inoffiziellen Bed and Breakfasts, Apartments und Gästezimmern, in denen Menschen ebenfalls übernachten können, ohne in irgendeiner Statistik aufzutauchen.

Venedig is eine einzigartige Stadt

Venedig is eine einzigartige Stadt

Overturism als größte Bedrohung für die Stadt

Wenn man all dies berücksichtigt, kommt man auf eine Menge an Touristen, die absolut unvorstellbar ist. Offiziell wird daher bereits von Overtourism gesprochen, was von den Experten bereits als ernstzunehmende Bedrohung angesehen wird. Auch die letzten echten Venezianer, die noch auf der Insel leben verzweifeln daran. Klar, sie brauchen den Tourismus, denn der ist ihre Einnahmequelle. Gleichzeitig hätten sie aber auch nichts dagegen, wenn man in ihrer Stadt auch noch leben könnte, ohne plattgetrampelt oder zu Tode gestarrt zu werden.

Sogar die Unesco, die Venedig 1987 zum Weltkulturerbe ernannt hat, ist besorgt und droht damit, den Rang vom „Kulturerbe“ aufzuheben und die Stadt dafür auf die schwarze Liste für „gefährdeten Erbstücke der Menschheit“ zu setzen. Wirtschaftlich betrachtet wäre das ein deutlicher Nachteil, aber es könnte die Stadt vor dem Untergang retten.

Einer von vielen Plätzen in Venedig

Einer von vielen Plätzen in Venedig

Wann wird Venedig untergehen?

A Pros Pros Untergang! Dieser wird Venedig übrigens schon seit mehr als hundert Jahren prophezeit. Bis vor wenigen Jahren hatte das aber noch nichts mit dem Tourismus zu tun, sondern viel mehr mit dem Unterbau der Stadt. Denn nach den Messungen der Wissenschaftler sinkt Venedig langsam aber sicher und verschwindet wohl irgendwann einmal im Meer.

Wann das passiert weiß man nicht, aber im Schnitt sinkt die Stadt jährlich um 2,7 mm weiter nach unten. Eine Entwicklung die nicht besonders viel Hoffnung macht. Andererseits hat die kuriose Stadt es auch die letzten 1600 Jahre geschafft zu überleben und dies obwohl sie laut den historischen Aufzeichnungen um 400 n. Chr. Rund 1,9m unterhalb des Wasserpegels lag, den das Mehr hier seit 1897 hat. Mit anderen Worten: Wenn man unseren Wissenschaftlern glaubt, ist Venedig eigentlich längst untergegangen. Jeder, der einmal da war, kann aber dennoch mit Gewissheit behaupten, dass es die Stadt noch gibt. Irgendwie zieht sie wohl also immer wieder ihren Kopf aus der Schlinge.

Die berühmten Gondeln von Venedig

Die berühmten Gondeln von Venedig

Venedig per Boot bereisen

Um von der Halbinsel, die bei Lido de Jesolo beginnt und bei einem Ort namens Tre-Porti endet, nach Venedig zu kommen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Welche davon am sinnvollsten ist, hängt ein bisschen davon ab, wie lange ihr bleiben und wie viel ihr insgesamt mit Booten unterwegs sein wollt.

Wenn ihr wie wir nur eine einfache Fahrt benötigt, bietet sich ein kleines Schiffsunternehmen mit dem Namen „Doge“ an, bei dem die Einzelfahrt etwas günstiger ist, als bei den regulären Wassertaxis bei diesen gibt es jedoch die Möglichkeit, Tages oder Mehrtagestickets zu kaufen, mit denen man sich auch die anderen Inseln in der Lagune von Venedig anschauen kann. Jeder der mehr als einen Tag Zeit hat, sollte das nutzen. Wer zum ersten Mal in Venedig ist und nur einen Tag Zeit hat, kann sich das sparen. Denn bereits auf der Hauptinsel mit der Altstadt gibt es schon so viel zu sehen, dass man es unmöglich in einem Tag schaffen kann.

Mit dem Schnellboot nach Venedig

Mit dem Schnellboot nach Venedig

Ist Venedig behindertengerecht?

Mit unserem Schiff kamen wir etwas nördlich des Markusplatztes an und mussten uns von hier aus einmal durch die Stadt zu unserem Übernachtungskloster schlagen. Dabei bekamen wir am eigenen Leib zu spüren, warum es in Venedig weder Motorräder noch Fahrräder noch sonst irgendetwas gab, das fuhr ohne sich dabei im Wasser zu befinden. Allein auf dem Weg ins Dominikanerkloster lagen 8 Brücken auf unserem Weg. Jedes Mal mussten wir unsere Wagen also ungefähr ein übliches Stockwerk nach oben und dann wieder nach unten hieven.

Man kann also definitiv feststellen, behinderten Gerecht ist Venedig nicht. Mit einem Rollstuhl kommt man hier keine 50 Meter weit. Das einzige einigermaßen sinnvolle Lösung für Menschen, die nicht laufen können, erschienen uns die Boote zu sein. Wenn man seinen Rollstuhl verlassen und vielleicht sogar falten kann, kann man hier einsteigen, sich den Tag lang durch die Stadt schippern lassen und an den wirklich interessanten Punkten hin und wieder aussteigen. Aber auch das ist natürlich nicht ganz ohne.

Venedig ist die Stadt der Verliebten

Venedig ist die Stadt der Verliebten

Für Pilgerwagen ungeeignet

Wir für unseren Teil waren froh, als wir unsere Wagen sicher und geschützt bei den Dominikanerbrüdern unterstellen konnten. Ohne den zusätzlichen Ballast war die Stadtbesichtigung einfach um so viel entspannter. Doch nachdem wir nun aufgrund unserer eigenen Erfahrung wussten, was es bedeutete, Lasten durch diese Stadt befördern zu müssen, konnten wir die Arbeite der Gepäck-Transporter-Jungs deutlich mehr wertschätzen. Da es wie gesagt nichts fahrbares in Venedig gibt, muss alles zu Fuß transportiert werden. Angefangen bei den Koffern der Touristen, über den Inhalt der Laden-Regale bis hin zur Wohnungseinrichtung im Falle eines Umzuges.

Dafür gab es die Lasten-Jungs, die eine ganz eigene Form von Wagen bei sich führten, die irgendwie eine Mischung aus Schubkarre und Bollerwagen zu sein schienen. Das besondere daran war, dass sie zwei lange Stangen hatten, die nach vorne ausgerichtet waren und an deren Ende sich noch einmal kleine Räder befanden. Mit ihrer Hilfe und einer geschickten Technik konnte man mit den kleinen Karren einfach die Treppenstufen hinauffahren, ohne wenden zu müssen. Das machte den Transport um ein vielfaches effektiver.

Venedig ist ein Magnet für Luxusyachten

Venedig ist ein Magnet für Luxusyachten

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare