Leichte Verletzungen behandeln - im Freien und ohne Ausrüstung

von Shania Tolinka
29.08.2020 12:13 Uhr

Wie behandele ich leichte Verletzungen in der Wildnis?

   

Wenn wir an Outdoor Erste Hilfe denken, dann haben wir meist Bilder von halsbrecherischen Rettungsaktionen und der Versorgung schwerer Verletzungen im Kopf. Viel häufiger passiert es jedoch, dass man sich kleine leichte Verletzungen und Blessuren zuzieht, die einen zwar nicht umbringen, die aber dennoch sehr unangenehm sein können. Und meist hat man genau dann, wenn man sich eine solche Verletzung zuzieht, keine Erste-Hilfe-Ausrüstung dabei, um sie zu versorgen. Aus diesem Grund haben wir euch hier einige Tipps zusammengestellt, wie ihr diese Verletzungen auch ohne große Ausrüstung behandeln könnt, einfach mit dem, was ihr ohnehin bei euch tragt oder was ihr direkt in der Natur findet.

 
Bei einem Krampf wird erstmal gedehnt

Bei einem Krampf wird erstmal gedehnt

1. Leichte Hautverletzungen

Vor allem, wenn man in unwegsamem Gelände unterwegs ist, entstehen leichte oder mittlere Hautverletzung relativ schnell. Um zu verhindern, dass Blut auf eure Ausrüstung und Dreck in die Wunde gelangt, ist es oft wichtig sie zu verschließen. Wenn ihr kein Pflaster für leichte Verletzungen dabei habt, könnt ihr alternativ das Harz von Kiefern, Fichten, Tannen oder Duglasien verwenden. Es enthält verschiedene ätherische Öle enthält, die sowohl entzündungshemmend als auch heilungsfördernd wirken. In den meisten Fällen müsst ihr nicht lange suchen, bis ihr an einem Stamm ein paar dicke Tropfen Harz findet, die ihr auf eure Wunde streichen könnt. Der einzige Nachteil dieses Naturpflasters ist, dass es recht klebrig ist und daher leicht an allem anhaftet, was damit in Berührung kommt. Es ist daher oft hilfreich, wenn ihr zusätzlich noch ein Taschentuch oder etwas Vergleichbares darum wickelt. Da das Harz aber steril und antiseptisch ist, ist es nun kein Problem mehr, wenn euer Taschentuch nicht ganz so rein ist.

     

2. Entzündungen und Eitrige Wunden

Hin und wieder geschieht es, dass sich eine Wunde entzündet, eitert und nur noch langsam oder gar nicht mehr verheilt. Um das zu verhindern ist es wichtig, sie regelmäßig zu desinfizieren. Daher ist es gut, dass wir immer ein effektives, natürliches Desinfektionsmittel in Form unseres Urins bei uns haben, mit dem wir die Wunde ausspülen können. Auf den ersten Blick mag es etwas befremdlich erscheinen und oft kostet es am Anfang etwas Überwindung, den eigenen Urin auf die Haut aufzutragen, aber der Erfolg ist es auf jeden Fall wert. Solange der Urin frisch ist, ist er vollkommen Keimfrei und er enthält stets genau die Substanzen, die unseren Körper in der aktuellen Situation bei der Wundheilung und der Auflösung des Entzündungsherdes unterstützen.

Wenn eine Wunde bereits stark eitert und sich nicht verschließen will, könnt ihr sie entweder mit Torfmoos oder einem sauberen, uringetränkten Tuch ausreiben, bis das rosa Fleisch sichtbar wird. Torfmoos hat ebenfalls einen hohen entzündungshemmenden Faktor und wird schon seit Urzeiten zur Wundreinigung genutzt. Sollte die Wunde dennoch weiter eitern, habt ihr die Möglichkeit, der Natur selbst das Feld zu überlassen, in dem ihr zulasst, dass Fliegen ihre Eier in die Wunde legen. Wenn die Maden schlüpfen fressen sie nur das tote Fleisch und sorgen für eine Wundreinigung, sodass sich die Haut anschließend wieder verschließen kann.

 
Eitrige Wunden müssen desinfiziert werden.

Eitrige Wunden müssen desinfiziert werden.

 

3. Blasen

Vor allem wenn die Füße im Sommer schnell schwitzen oder wenn man durch einen heftigen Regenschauer für längere Zeit in nassen Schuhen wandern musste, kann man sich leicht eine Blase holen, die einem das komplette Abenteuer vermiesen kann. Wenn ihr trotz der Blase normal weiterlaufen könnt, ohne dass sie sich vergrößert oder aufplatzt, oder wenn ihr euren Füßen eine Pause zum Regenerieren gönnen könnt, ist es das Beste, sie einfach unbehandelt zu lassen, da sie so am schnellsten wieder verheilt. Falls sie sich durch den permanenten Druck, der auf sie ausgeübt wird jedoch stetig weiter vergrößert, müsst ihr sie öffnen und das Blasenwasser entfernen. Für leichte Verletzungen wie hierbei, gibt es verschiedene Methoden. Optimal ist es, wenn sich in eurem Wandergepäck ein kleines Nähset mit Nadel und Faden befindet.

Wenn das der Fall ist, nehmt ihr eine Nadel und desinfizierst sie über einer Flamme, indem ihr sie erhitzt, bis sie leicht zu Glühen beginnt. Anschließend lasst ihr sie wieder erkalten und fädelt dann einen kurzen Faden ein, an dessen Ende ihr einen Knoten macht. Nun stecht ihr die Nadel durch die Haut, die sich von eurem Fuß gelöst hat und unter der sich das Blasenwasser befindet. Achtet darauf, dass ihr seitlich hineinstecht, sodass ihr die Nadel durch ein zweites Loch wieder nach außen bringen könnt. Dann lasst ihr den Faden aus der Nadel gleiten und schneidet ihn so ab, dass ihr auch auf der anderen Seite einen Knoten machen könnt. Kürzt diesen so weit wie möglich ein, damit er euch später beim Laufen nicht stört und damit ihr nicht aus Versehen darauf treten könnt.

Der Faden sorgt nun dafür, dass sich die Nadellöcher nicht verschließen können, sodass das Blasenwasser langsam auslaufen kann. Ihr braucht die Blase daher nicht ausdrücken, was zum einen angenehm ist und zum anderen euren Fuß schont, sodass er schneller verheilen kann. Selbst wenn sich nun beim Weiterlaufen neues  Blasenwasser bildet, kann es sich nun nicht mehr sammeln. Solltet ihr keine Nadel und keinen Faden bei euch haben, könnt ihr die Blase auch mit einem spitzen Messer öffnen. Erhitzt die Messerspitze dafür wieder zur Desinfektion über einer Flamme und stecht sie vorsichtig von der Seite her in die Blase, sodass das Messer parallel zur Hautoberfläche verläuft. Gleichzeitig drückt ihr nun mit der anderen Hand von der gegenüberliegenden Seite die Flüssigkeit in Richtung Einstichstelle, sodass sie entweichen kann.

TIPP: Solltest ihr weder eine Nadel noch ein Messer bei euch tragen, könnt ihr zum Aufstecken auch eine spitze Kiefernnadel oder einen Pflanzendorn nehmen. Kiefernnadeln enthalten ätherische Öle, die desinfizierend wirken, sodass auch hierbei keine Entzündung entsteht. Bei Dornen hingegen müsst ihr darauf achten, dass ihr weder Giftpflanzen erwischt noch solche, auf die ihr allergisch reagiert. In jedem Fall ist es hilfreich, die Blase nach dem Aufstechen mit einem Pflaster, am besten einem Blasenpflaster abzudecken, damit sie nicht weiter scheuern kann.

 
Die Outdoor Erste Hilfe Variante gegen Blasen an den Füßen.

Die Outdoor Erste Hilfe Variante gegen Blasen an den Füßen.

 

4. Insektenstiche

Solange wir nicht extrem allergisch auf das Gift der Insekten reagieren, sind ihre Bisse und Stiche vor allem unangenehm und lästig. Um juckende Schwellungen und leichte Verletzungen damit zu lindern oder gänzlich zu verhindern, könnt ihr euch ein Antiallergikum aus Spitzwegerich herstellen. Die kleine Pflanze, die fast auf jeder heimischen Wiese zu finden ist, hat lange, lanzettenförmige Blätter mit durchgängigen, dicken Adern darin und ist, wenn ihr sie einmal bestimmt habt, leicht zu erkennen und unverwechselbar. Wenn ihr einen Spitzwegerich gefunden habt, pflückt ihr ein paar Blätter und zerkaut sie zu einem zähen Brei. Diesen Brei könnt ihr dann auf euren Insektenstich großflächig auftragen. Durch den Speichel öffnen sich die Pflanzenzellen und geben einen Saft frei, der eine starke anti-allergene Wirkung hat. Damit der Brei nicht wieder herunterfällt, könnt ihr nun ein Tuch oder etwas Ähnliches darum wickeln. Haltet die Stichstelle ruhig und kühl, bis das Gift vollständig abgebaut wurde. Wenn ihr sehr stark und sehr lange auf den Stich reagiert, kann es hilfreich sein, den Spitzwegerich-Brei nach einiger Zeit zu erneuern. Falls ihr keinen Spitzwegerich finden solltet, könnt ihr alternativ auch den verwandten Breitwegerich oder den mittleren Wegerich verwenden. Beide wirken ebenfalls, wenn auch nicht ganz so intensiv wie ihr länglicher Verwandter.

Bei Bienenstichen müsst ihr jedoch beachten, dass der Stachel meist in der Haut stecken bleibt und erst entfernt werden muss. Wenn ihr keine Pinzette bei euch habt, packt ihr diesen direkt über der Haut mit den Fingernägeln von Daumen und Zeigefinder. Achtet darauf, dass ihr nicht auf die Giftblase drückt, damit ihr nicht noch mehr Gift in die Stichwunde presst und zieht den Stachel dann vorsichtig heraus. Wichtig: Manche Menschen reagieren auf Insektenstiche so allergisch, dass sie einen anaphylaktischen Schock bekommen. In diesem Fall wird aus dem kleinen Ärgernis ein ernster Notfall, besonders wenn ihr euch in unwegsamem Gelände befindet. Nun ist es wichtig, ruhig zu bleiben und so schnell wie möglich ärztliche Hilfe zu bekommen. Achtet darauf, dass der Patient die Schocklage einnimmt, dass er sich im Kühlen befindet und möglichst viel Wasser zu sich nimmt.

 

5. Nasenbluten

Gerade bei sehr trockener, warmer Luft, sowie in extremen Höhenlagen, kann es vorkommen, dass die Nase einfach spontan zu bluten beginnt.

Um die Blutung möglichst schnell wieder zu stoppen, solltet ihr euch möglichst ruhig hinsetzen, den Kopf leicht nach vorne beugen und genau an der Stelle mit den Fingern seitlich auf euren Nasenrücken drücken, an der die Blutgefäße über das Nasenbein verlaufen, sodass sich diese schneller wieder verschließen können.

         
Manche Zähnen können beim Zurück schieben an die Stelle wieder anwachsen

Manche Zähnen können beim Zurück schieben an die Stelle wieder anwachsen

6. ausgeschlagene Zähne

Wenn ihr euch durch einen Unfall einen Zahn ausgeschlagen habt, ist es das Beste, ihn wieder zurück in die Zahnlücke zu schieben und mit leichtem Druck festzuhalten. Dadurch ist die Chance am größten, dass er wieder anwächst.

Sollte der Zahn schmutzig sein, könnt ihr ihn vorsichtig reinigen,  am besten mit Milch.

Achtet jedoch darauf, dass ihr mit den Fingern nicht auf die Zahnwurzeln kommt, um diese nicht zu beschädigen wenn ihr leicht verletzt seid. Wenn der Zahn auch nach längerem Warten nicht wieder anwächst, bewahrt ihn am besten in der Backe auf, bis ihr einen Arzt aufsuchen könnt.

7. Bisswunden

Wenn ihr von einem Tier gebissen wurdet, ist es wichtig, die Wunde umgehend mit sehr viel Wasser auszuwaschen, da die Mundflora die im Artfremden Speichel vorherrscht sehr leicht zu starken Entzündungen führen kann. Weicht die Bissstelle daher zunächst in kaltes Wasser ein oder lass für mindestens fünf Minuten Wasser darüber laufen. Wenn sie blutet, könnt ihr sie anschließend mit einem Tuch verbinden. Auch hierbei ist die Eigenurintherapie für solch leichte Verletzungen sehr hilfreich.

 
Leichte Verletzungen wie eine Bisswunde, soll zuerst mit kaltem Wasser eingeweicht werden.

Leichte Verletzungen wie eine Bisswunde, soll zuerst mit kaltem Wasser eingeweicht werden.

 

8. Verletzungen durch Meerestiere

Nach einem Kontakt mit giftigen Quallen, Seeanemonen und Korallen bleiben oft sogenannte Brennfäden auf der Haut zurück, die ein Gift aussenden, das zu Reizungen und Verätzungen führt. Diese müsst ihr mit fließendem Wasser sowie Alkohol oder Essig abwaschen. Wenn ihr auf einen Seeigel oder ein ähnliches Tier getreten seid, bleiben die Stacheln oft tief in der Haut stecken und entzünden sich leicht. Um sie zu entfernen könnt ihr euren Fuß ins Wasser halten, das so heiß ist, dass ihr es gerade noch ertragen könnt. Dadurch wird das Gift in den Stacheln entschärft und die Schmerzen lassen nach. Anschließend könnt ihr die Stacheln entfernen, was jedoch keine leichte Aufgabe ist, weshalb hierbei ein Arzt zu Rate gezogen werden sollte.

 
Bei einem Krampf in die entgegengesetzte Richtung dehnen

Bei einem Krampf in die entgegengesetzte Richtung dehnen

9. Krämpfe

Besonders wenn es sehr warm ist und man durch das ständige Schwitzen viele Mineralsalze verliert, kann es leicht zu Krämpfen kommen. Vor allem dann, wenn man Anstrengung und langes Wandern nicht gewohnt ist.

Um den Krampf zu lösen müsst ihr den entsprechenden Muskel in die entgegengesetzte Richtung dehnen und könnt ihn gleichzeitig an den betroffenen Stellen massieren. Fragt euch dabei jedoch immer, ob der Krampf wirklich nur von der Überbelastung kommt, oder ob er noch eine andere Ursache hat. Schlangenbisse beispielsweise können ebenfalls leichte Verletzungen wie Krämpfe auslösen, die dann natürlich entsprechend behandelt werden müssen.

   

10. Fremdkörper im Auge oder Ohr

Wenn ein Fremdkörper ins Auge geraten ist, zieht ihr als Erstes die Lider auseinander und schaut nach, um was für ein Objekt es sich handelt. Wenn etwas direkt im Augapfel steckt, solltet ihr es auf keinen Fall entfernen, sondern immer einen Arzt aufsuchen. Schwimmt das Objekt hingegen im Auge, könnt ihr es mit Wasser ausspülen. Auch die meisten Fremdkörper, die in den Gehörgang eingedrungen sind, lassen sich so ausspülen. Hierbei solltet ihr am besten lauwarmes Wasser verwenden.

 
Schwimmt ein Gegenstand im Auge, könnt ihr dies mit Wasser einfach ausspülen.

Schwimmt ein Gegenstand im Auge, könnt ihr dies mit Wasser einfach ausspülen.

 

11. Angelhaken entfernen

Beim Hantieren mit spitzen Angelhaken kann es leicht passieren, dass man sich einen von ihnen unter die Haut jagt. Da sie spitze Widerhaken haben könnt ihr ihn anschließend nicht einfach wieder herausziehen. Sollten sich die Widerhaken wie bei diesen leichten Verletzungen noch im Fleisch befinden, müsst ihr den Angelhaken zunächst so drehen und schieben, dass sie wieder zum Vorschein kommen. Anschließend könnt ihr sie mit einer Zange direkt über der Haut abschneiden und den Rest des Hakens wieder auf dem gleichen Wege entfernen, auf dem er auch in die Haut eingedrungen ist.

 
Mit einem Angelhaken im Finger muss man vorsichtig und ruhig vorgehen.

Mit einem Angelhaken im Finger muss man vorsichtig und ruhig vorgehen.

 

Wissenswertes zu Verletzungen:

Ein Schwerverletzter oder lebensgefährlich Verletzter ist in der medizinischen Definition ein Mensch, bei welchem ein Körperteil oder Organ durch plötzliche Einwirkung so schwer beschädigt wurde, dass es nicht mehr funktionsfähig ist.

Ob Verletzungen, leichte bis schwere Wunden, Brüche, Risse und Gelenksverletzungen, durch einen Autounfall kann euch dies schneller passieren als einem lieb ist. Im Alltag kann es sogar jederzeit passieren, dass man sich verletzt. In der örtlichen Unfalluntersuchung werden Unfälle in verschiedene Kategorien eingeteilt. Es werden sechs Unfallkategorien unterschieden. Die Unfallkategorien 1–3 bezeichnen Unfälle mit Personenschaden und die Kategorien 4–6 Unfälle mit Sachschaden. Die Kriterien für die Einteilung der Personenschäden in die Kategorien kann dabei von Land zu Land variieren.

Wenn ihr auf Abenteurtrips oder Survivaltouren im Ausland unterwegs seid, solltet ihr euch zuvor unbedingt die englischen Begriffe für die Unfallklassifizierung einprägen, damit ihr im Ernstfall genau beschreiben könnt, was passiert ist. Leichte Verletzungen werden im englischen als "quick to take offence" bezeichnet. Schwere Verletzungen hingegen gibt man mit "traffic injury severity"an.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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