Orientierung im Gelände ohne technische Hilfsmittel
7 Tipps zur Orientierung im Gelände mit natürlichen Hilfsmitteln
Wenn ihr in der Natur unterwegs seid, gibt es kaum ein Thema, das so wichtig ist, wie Orientierung. Orientierung im Gelände ist die Kunst, stets zu wissen, wo man ist, wo man hin will und wie man wieder zurückfindet. Es geht also immer um drei zentrale Fragen: „Wo bin ich?“ „Wo will ich hin?“ und „Wie stelle ich das an?“ Um diese Fragen zu beantworten, gibt es heute eine Menge technische Hilfsmittel, wie Karten, Kompasse, Wander-Apps, GPS-Geräte und Navigationssysteme. Doch wer sich wirklich frei in der Natur bewegen will, muss seine Orientierung auch ohne diese Hilfsmittel halten können. Dafür haben wir euch im folgenden einige Tipps zusammen gestellt.
1. Wandern mit offenen Augen
Es klingt lapidar, aber eure Aufmerksamkeit ist das A und O eurer Orientierungsfähigkeit. Verlaufen tun wir uns stets nur deshalb, weil wir uns nicht merken, woher wir gekommen sind. Und dies passiert, weil wir nicht aufmerksam genug auf unsere Umgebung achten. Wenn ihr das erste Mal in einer neuen Stadt umherstreift, passiert es auch leicht, dass ihr euch verlauft. Haltet ihr euch jedoch länger in der Stadt auf, dann bekommen die einzelnen Straßen und Ecken eine Art Persönlichkeit. Ihr nehmt sie genauer wahr, verknüpfst diese mit Erinnerungen und allmählich entsteht in eurem Kopf ein Bild. Je aufmerksamer ihr seid, desto schneller prägt sich dieses Bild in eurem Kopf ein und desto weniger passiert es euch, dass ihr euch bei der Orientierung im Gelände verlauft.
Wandert ihr bereits beim ersten Mal aufmerksam durch die Straßen und nehmt ihre Besonderheiten bewusst wahr, erinnert ihr euch auch ohne Wiederholung an euren Weg und könnt euch nun nicht mehr verlaufen. Bedenkt dabei jedoch, dass ihr auf dem Rückweg aus der anderen Richtung kommt. Daher ist es wichtig, immer wieder auch einen Blick zurück zu werfen und zu sehen, wie die Straßen, Bäume und Gebäude aus der anderen Richtung aussehen.
Die Orientierung im Gelände ist letztlich nicht anders als die in der Stadt. Die Schwierigkeit besteht lediglich darin, dass sich Bäume für unseren oberflächlichen Blick viel stärker ähneln, als Häuser und Straßen. Wir haben das Gefühl, dass ohnehin alles gleich aussieht und so schaltet unser Geist in der Regel ab und versucht gar nicht mehr, sich den Weg zu merken. Hier ist es also noch einmal besonders wichtig, mit voll geöffneten Sinnen unterwegs zu sein. Versucht stets so viel wahrzunehmen wie möglich, nicht nur mit den Augen, sondern auch mit der Nase, den Ohren und den Füßen. Je mehr Informationen über eure Umgebung in euer Bewusstsein gelangen, desto leichter fällt es euch, euch später wieder an den Heimweg zu erinnern. Praktisch für eine Unterstützung zur Orientierung mit Karte und Kompass ist ein handliches PDF.2. Songline
Um sich den Rückweg noch leichter merken zu können, gibt es eine uralte Methode, die sogar schon bei den Aborigines gute Dienste geleistet hat. Diese Methode der Orientierung im Wald ist die sogenannte Songline. Dazu wählt man während des Gehens immer wieder markante Punkte aus – besonders dann wenn man seine Richtung ändert – und baut diese in eine möglichst lebhafte Geschichte ein. Am Anfang ist es hilfreich, wenn man die Geschichte laut ausspricht um so einen intensiveren Bezug zu ihr aufzubauen. Wichtig ist jedoch vor allem, dass sie möglichst intensive Bilder, Farben und Gefühle in einem hervorruft, da diese so besonders gut im Kopf haften bleibt. Macht man sich nun auf den Rückweg, geht man die einzelnen Stationen der Geschichte in umgekehrter Reihenfolge noch einmal durch und leitet sich so zu seinem Ausgangspunkt zurück. Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass man sich, wenn man sie nicht geübt hat, sehr stark auf die Geschichte und den Weg konzentrieren muss und dadurch kaum Gelegenheit hat die Gegend rechts und links davon wahrzunehmen.
3. Markierungen
Wenn ihr in einem Gebiet seid, in dem es zu wenig auffällige Orientierungspunkte gibt, könnt ihr euren Weg auch wie bei der Bundeswehr in regelmäßigen Abständen markieren. Am besten eignen sich dafür Äste oder Steine, die ihr in ungewöhnlichen Formationen anordnet oder an Stellen legt, an denen sie natürlicherweise nicht vorkommen. Je nachdem wo und wie ihr unterwegs seid, müsst ihr abwägen, ob es in der momentanen Situation hilfreicher ist eine möglichst auffällige Spur zu legen, die dann aber auch von jedem anderen verfolgt werden kann. Oder besser eine, die man nur erkennen kann, wenn man weiß, dass sie da ist. Letztere birgt natürlich die Gefahr, dass ihr sie selbst überseht.
4. Landmarken
Das wichtigste Mittel bei der Orientierung im Gelände sind die sogenannten Landmarken. Dies sind auffällige Grundzüge, die eine Landschaft ausmachen, die man gut erkennen kann und die so groß sind, dass man sich an ihnen über eine längere Strecke hinweg orientieren kann. Dazu zählen Bergrücken, Flüsse, Waldränder, Schluchten und in unseren Wäldern natürlich auch Wege und Straßen. In einigen Gebieten wie beispielsweise den Apalachen in Virginia, verlaufen die Berge relativ gerade und parallel (in diesem Fall von Südwest nach Nordost). Hat man die Verlaufsrichtung einmal bestimmt, so weiß man automatisch in welche Richtung man läuft, wenn man z.B. einem Tal folgt. Sobald man dies einmal erkannt hat, kann man sich relativ frei im Gelände bewegen, da man weiß, dass man zum Lager zurückkommt, wenn man beispielsweise so geht, dass der Bergrücken immer rechts von einem ist. Nur wenn man den Berg überquert wird es wichtig, sich neue Landmarken zu suchen, die einen zurück zum Ausgangspunkt führen können.
Auch Flüsse sind besonders gute Orientierungspunkte im Gelände, da sie einem nicht nur einen langfristigen Anhaltspunkt liefern, sondern durch die Fließrichtung auch noch anzeigen, in welche Richtung man gehen muss. Wenn ihr euch in der Wildnis verirrt habt und den Weg zurück in die Zivilisation sucht, kann euch ein Fluss dabei ebenfalls hervorragende Dienste leisten. Menschen siedeln seit jeher am liebsten am Wasser und so werdet ihr fast immer früher oder später auf einen Ort oder eine Stadt treffen, wenn ihr einem Fluss abwärts folgt. Die einzige Ausnahme hierbei sind Wüstengebiete. Wenn ihr in einer Wüste auf einen Fluss oder ein Rinnsal trefft, folgt ihm flussaufwärts. Anders als in anderen Gebieten sammelt sich das Wasser hier nicht zu immer größeren Flüssen zusammen, sondern versiegt meist früher oder später im Sand. Geht ihr dem Wasser jedoch entgegen, werdet ihr früher oder später auf die Quelle treffen und hier ist die Chance auf eine Besiedlung am größten.
Wichtig ist jedoch, dass ihr euch bewusst macht, dass ihr nicht die einzigen sein werdet, die Flüsse als Orientierungshilfe auswählen. Je nachdem in welchen Regionen der Erde ihr unterwegs seid, kann es recht riskant sein, direkt neben dem Fluss zu laufen. In Kanada, Russland und anderen Bärenregionen ist hier die Chance am Größten, auf einen der pelzigen Riesen zu treffen.
5. Akustische Zeichen
Wenn ihr gerade an einem Punkt seid, an dem euch eure Augen keine Orientierung im Gelände bieten, kann es sein, dass eure Ohren ein gutes Stück weiterhelfen können. Bleibt dafür einen Moment stehen und achtet auf markante Geräusche wie Wasserrauschen, Straßenlärm und dergleichen mehr. Wenn ihr zurück in eine Stadt finden wollt, gibt es meist eine ganze Palette an Geräuschen, die euch verraten, ob ihr dieser näher kommt und in welche Richtung ihr weiterziehen müsst. Wichtig ist jedoch, dass ihr sehr aufmerksam und genau hinhört, denn oftmals klingen das Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume, das Rauschen des Wassers in einem Fluss oder an einer Küste und das Rauschen vorbeifahrender Autos auf einer Autobahn von weitem sehr ähnlich. Sodass man sich auch leicht in die Irre führen lassen kann.
6. Markante Wegpunkte
Ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Orientierung im Gelände spielen kleinere Auffälligkeiten in der Landschaft, die man vielleicht nicht von weitem sehen kann, die euch aber immer wieder einen bestimmten Weg markieren können. Hierzu zählen auffällig gewachsene Bäume, besondere Felsen, dicke Steine und alle anderen ungewöhnlichen Naturerscheinungen, die ihr ausfindig machen könnt. Ihr könnt sie entweder in eure Songline mit einbauen, oder euch als wichtige Wegepunkte merken. Ein Fluss oder ein Bergrücken als Orientierungshilfe ist gut und wichtig, aber wenn ihr euer Lager nicht direkt neben ihnen aufgebaut habt, dann braucht ihr etwas, woran ihr erkennt, wann ihr in welche Richtung abbiegen müsst.
7. Orientierung mit Hilfe der Sonne
Die Erde dreht sich innerhalb von 24 Stunden genau einmal gegen den Uhrzeigersinn (von Westen nach Osten) um ihre eigene Achse. Dadurch scheint sich die Sonne von Osten nach Westen über den Himmel zu bewegen, wobei sie pro Stunde um ca. 15° nach Westen wandert.
Bei der Orientierung ohne Kompass wird die Sonne zu einer perfekten Unterstützung, hierzu gibt es auch ein Arbeitsblatt. Wenn die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat, steht sie auf der Nordhalbkugel genau im Süden, auf der Südhalbkugel genau im Norden und in der Äquator Gegend fast genau senkrecht über einem (Zenit). Dies könnt ihr nutzen, um anhand der Sonne die Himmelsrichtungen zu bestimmen und euch so wieder neu zu orientieren, wenn ihr nicht mehr wisst, in welche Richtung ihr gehen müsst. Am einfachsten funktioniert dies, wenn ihr eine Uhr dabei habt. Dabei müsst ihr allerdings berücksichtigen, dass sich unsere Sommerzeit entgegen der „echten“ Zeit um eine Stunde vorverschiebt. Ihr müsst also von der Uhrzeit, die auf einer Uhr angezeigt wird, eine Stunde abziehen. Habt ihr nur eine Digitaluhr dabei, lässt sich mittels Papier und Stift auch eine improvisierte Analoguhr basteln, indem ihr ein Ziffernblatt malt und die 12:00 Marke sowie den Stundenzeiger zur aktuellen Zeit eintragt.
Die Technik ist umso genauer, je weiter man vom Äquator entfernt ist. Haltet dafür eure Uhr waagerecht, und richtet den Stundenzeiger genau auf die Sonne. Um noch genauer zu sein, könnt ihr diesen auch anhand des Schattenwurfs eines geraden Objektes ausrichten. Nun denkt euch eine Linie, die den Winkel zwischen dem Stundenzeiger und der 12:00 Uhr Marke genau in der Hälfte teilt. Diese gedachte Linie zeigt auf der Nordhalbkugel in Richtung Süden. Eine Ausnahme bildet die Zeit vor 06:00 und nach 18:00 Uhr. Hier zeigt die gedachte Linie nach Norden – vorausgesetzt man kann die Sonne um diese Zeit schon sehen. Auf der Südhalbkugel richtet man hingegen die 12:00-Marke auf die Sonne und halbiert den Winkel bis zum Stundenzeiger. Die dabei entstehende gedachte Linie zeigt (zwischen 06:00 und 18:00) nach Norden.
Wenn ihr keine Uhr, dafür aber etwas Zeit habt, könnt ihr die Himmelsrichtungen auch mit einem Stock bestimmen, den ihr an einer ebenen Stelle senkrecht in den Boden steckt, sodass sein Schatten gut sichtbar ist. Nun markiert ihr das Ende des Schattens mit einem Stein oder etwas ähnlichem und wartet, bis der Schatten ein gutes Stück weitergewandert ist. Je länger ihr wartet, desto genauer wird die Bestimmung. Das Minimum, damit es funktioniert ist aber eine viertel Stunde. Wenn ihr so weit seid, markiert auch das neue Ende des Schattens mit einem Stein und verbindet beide Markierungen mit einer Linie oder einem geraden Stock. Diese Linie verläuft nun ungefähr in Ost-West-Richtung, wobei die zuerst gesetzte Markierung in West-, die zweite in Ostrichtung weist.