Heiko Gärtner: Weltrekord laufen

von Shania Tolinka
08.11.2021 19:09 Uhr

Weltrekord laufen - Kann man wirklich sagen, dass Heiko Gärtner, einen Weltrekord beim Laufen aufgestellt hat? Heiko Gärtner ist ein verrückter Kerl. Er hat blind die Zugspitze bestiegen, ist 3.300 Kilometer in steinzeitlicher Manier nach Spanien gelaufen und ist 45.500 km ohne Geld um die Welt gewandert. Er ließ sich von Survival Profis, Wildnismentoren, Medizinleuten und Schamanen ausbilden, besuchte verschiedene Naturvölker und lebte in Kanada, auf Island, in der Ukraine, in Polen, Deutschland und Österreich monatelang autark in der Natur. Was man also sagen kann ist, dass Heiko Gärtner einer der führenden Survival Spezialisten der Welt ist. Er hat sogar für einen Monat in einem selbstgebauten Iglu gelebt, ist 142 Kilometer mit einem selbstgebauten Grasboot einen Fluss entlang gefahren und hat kilometerlange Höhlensysteme erforscht. Doch er ist nicht nur ein Survival Profi und Off Cam Berater für viele Survival Shows gewesen. Er ist investigativer Journalist, Autor und Aktivist für Umweltschutz und Menschenrechte. Neben Fernsehauftritten wurde er vor allem für seine Buchprojekte bekannt. Sein bekanntestes Buch “Krankheiten auf einen Blick erkennen”, ist eines der umfassendsten Grundlagenwerke in der Antlitzdiagnose, die es bis dato gegeben hat.

Heiko Gärtner und Tobias Krüger schaffen einen Weltrekord im Laufen.

Heiko Gärtner und Tobias Krüger schaffen einen Weltrekord im Laufen.

 

Aber ist er wirklich ein Weltrekordhalter im Laufen?

Ab wann ist ein Weltrekord im Laufen, wirklich ein Weltrekord? Heiko Gärtner hat schon oft seinen Körper, aber auch seinen Geist herausgefordert. Als er als Steinzeitmensch ausschließlich von wilder Nahrung gelebt hat, hat er in den ersten drei Monaten des Laufens 12 Kilogramm Körpergewicht abgenommen. Schon jeher wollte er wissen, wie man mit wenig oder gar keinem Geld, weite Strecken laufen kann. Sein Spruch war: Der Dachs muss doch auch nicht zur Dachsbank, nur weil er lebt. Seine Idee war es, einmal zu Fuß und ohne Geld um die Welt zu laufen. Hier ist ein Video von der Reise:

 
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Heiko Gärtner und das Laufen?

Heiko Gärtner wuchs in Postbauer-Heng in Bayern auf und hatte eine sehr behütete Kindheit. Er verbrachte mehr Zeit im Wald, als am Schreibtisch. Seine Schulbücher, waren die Natur und die Lust auf Abenteuer. Er war schon immer ein Weltenbummler und in seinem Herzen brannte schon seit jeher die Leidenschaft fürs Reisen. Dass er jedoch irgendwann einen Weltrekord knackt und das ohne es zu wissen, das hätte selbst er nie gedacht. Er wollte gar keinen Weltrekord im Laufen aufstellen. Klar hat er Gewaltmärsche von 100 Kilometer am Tag absolviert, um sich als Survival Experte zu prüfen, allerdings war das Teil einer Ausbildung und diente dazu, sich auf Extremsituationen vorzubereiten. Hier hatte Heiko Gärtner nie die Absicht, einen Weltrekord im Laufen aufzustellen.

Dennoch hatte er bereits in seiner Kindheit gespürt, dass Kurzstrecke nicht sein Ding war. Was er aber konnte, war wie eine Maschine ultraweit zu laufen. Laufen war für ihn kein Muss. Er wollte sich bewegen. Für ihn war es reine Freude zu wandern und zu pilgern.

Weltrekord Laufen: Heiko als Steinzeit-Pilger

Heiko als Steinzeit-Pilger: Schon bei früheren Projekten war das Laufen für Heiko Gärtner ein zentrales Thema.

 

Weltrekord im Laufen: Der längste Charitywalk der Welt

Als Heiko Gärtner mit Tobias Krüger am 01.01.2014 zum längsten Lauf der Welt ohne Geld aufgebrochen ist, hätten die beiden Weltenbummler niemals gedacht, dass sie nach einigen Jahren, ohne es gewollt zu haben, einen Weltrekord aufgestellt zu haben.

Doch wie kam es dazu?

Heiko Gärtner und sein Freund wollten kein Rad mehr im Gesellschaftssystem sein. Schon sehr lange beschäftigten sie sich mit dem Thema indirekte und direkte Sklaverei. Als sie als Extremjournalisten hier einen Bericht nicht veröffentlichen durften, da dieser zu explosiv war, beschlossen sie, dass sie ab jetzt frei arbeiten wollten. Sie wollten von keiner Medienagentur mehr abhängig sein, sondern nur noch für das ein stehen, wovon sie auch überzeugt waren.

Wandernde Forscher und Journalisten

Sie wollten Reiseblogger werden, die von ihrer Forschungsreise berichten, sodass die Menschen Zuhause sich ein Bild über die Welt machen können. Da der investigative Journalismus schon immer ein großes Steckenpferd von Heiko Gärtner war und er in Kooperation mit Felicitas Engelmann und Günter Wallraff ein Buch über das Leben auf der Straße in Deutschland herausgebracht hatte, wusste er, dass er mehr Missstände auf dieser Welt aufzeigen wollte. Heiko Gärtner und Tobias Krüger zogen einen tiefen Strich unter das übliche Gesellschaftsleben und beschlossen in den Geldstreik zu gehen. Sie wollten mit ihrem Statement ein Zeichen setzen und aufzeigen, dass unser Geldsystem in vielen Bereichen die entzündete Zahnwurzel ist, die die Lohn- und Vollsklaverei fördert. Sie wussten zwar nicht, wie sie diese Massage in die Welt tragen wollten, wussten aber, dass sie es nicht mehr verantworten konnten, ein Teil dieses Systems zu sein. Der Titel: “Weltrekord laufen ohne Geld”, war nicht in ihrem Kopf. Sie wollten einfach nur los und nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, dass jeder Bürger in der hoch privilegierten Gesellschaft indirekt rund 37 Lohnsklaven benötigt, damit sein Lebensstandard gewährleistet sein kann. Es lag ihnen nicht daran, mit den Fingern auf andere zu zeigen. Viel mehr wollten sie herausfinden, warum sie selbst zuvor nicht gewusst hatten, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrem Erschaffen, indirekt im Schnitt 37 Sklaven benötigten, die ihnen ihren Lebensstil ermöglichten.

Weltrekord Laufen: Survival Experte Heiko Gärtner untersucht eine Schlange

Survival Experte Heiko Gärtner untersucht eine Schlange: Auch das Forschen und Beobachten war immer ein wichtiger Teil des Projekts.

 

Laufen, wie einst Forrest Gump

Sie waren wie Forrest Gump und wollten einfach nur laufen. Laufen war das, was sie konnten. Einen Weltrekord laufen - nein, das war nicht ihr Ziel. Sie folgten dem Zitat von Forrest Gump: "Dumm ist der, der Dummes tut." Und warum sollte man dummes tun, wenn man doch weiß, dass die gesellschaftliche Art des Lebens für 37 Menschen Leid und Schmerz bedeutet? Dieses Karma wollten die beiden Survival Experten nicht mehr tragen.

Sie wussten aus ihrer Vergangenheit als Wildnismentoren das man in Mitteleuropa 4.800 Pflanzen essen kann und das es 1,2 Millionen Tierarten gibt, die den Speiseplan auffüllen können. In Ihnen war der Satz: "Lauf, Forrest, lauf!" Sie wollten einfach nur noch weglaufen. Raus aus diesem System, das an der Krankheit der Leidvergrößerung erkrankt ist. Also packten sie ihren Pilgerwagen mit 70 Kilogramm Gepäck und starteten vom Elternhaus von Heiko.

Weltrekord Laufen: Heiko Gärtner und Tobias Krüger auf den Spuren von Forrest Gump

Heiko Gärtner und Tobias Krüger auf den Spuren von Forrest Gump: Weltrekord laufen und auf einer Parkbank sitzen.

 

Geldstreik - Ab jetzt ist eigenes Geld ein Tabu.

“Wir leben von dem, was uns die Schöpfung gibt!”, mit diesem Satz sind Heiko Gärtner und Tobias Krüger aufgebrochen. Nach 10.000 Kilometern stellten sie fest, dass noch nie ein Mensch so lange ohne Geld gelaufen war. Sie saßen abends bei einem Pilger in Italien auf der Terrasse und philosophierten über die Welt, als dieser zu ihnen sagte: "Heiko und Tobias, ist euch eigentlich klar, dass ihr einen Weltrekord im Laufen aufgestellt habt?" Doch den beiden Jungs, war dies ganz und gar nicht klar, dass sie bereits nach 10.000 Kilometern einen Weltrekord im Laufen aufgestellt hatten.

Weltrekord laufen - Was soll das denn sein?

Heiko und Tobias forschten nach und erfuhren aus dem Internet, dass noch kein Mensch, ohne Geld 10.000 Kilometer zurückgelegt hatte. Alles, was sie bis dahin erhalten hatten, waren Geschenke oder Dinge von Sponsoren, da ihre Mission so einen großen Anklang gefunden hatte, dass sie den Geldstreik unterstützen wollten. Viele Firmeninhaber wussten, dass die Marktwirtschaft so ausgelegt war, dass Leid in die Welt getragen werden musste. Keiner von diesen guten Seelen wollte es und doch verlangte es das System.

Heiko und Tobias spürten mit jeder Verbindung zu Sponsoren, wie die meisten Menschen für eine gerechte Welt brannten. Die Frage war also, wie konnte es sein, dass die Menschen, die Geld verdienen wollten und zum großen Teil auch mussten, mit jedem Euro, den sie verdient haben, indirekt Leid ausdehnen mussten.

Warum war das so?

Schon lange ging es Heiko und Tobias nicht mehr darum, die Menschen zu sein, die am längsten im Geldstreik gelebt haben. Es war nicht das Ziel einen Weltrekord im Laufen aufzustellen oder in einem anderen Bereich. Sie wussten sehr wohl, dass sie nicht einen Weltrekord Lauf auf 100 m hinlegen könnten, aber darum ging es auch nicht. Sie wollten sich auch nicht mit den Weltrekordhaltern messen. Viel mehr schlitterten sie einfach in den Weltrekord hinein, ohne dass sie es bewusst wahrnahmen. Die Absicht lag an einer vollkommen anderen Stelle. Also recherchierten sie, bis die Finger bluteten. Sie wollten herausfinden, wie es zu solch einem System hatte kommen können, das automatisiert das Leid und nicht die Liebe ausdehnt.

Diese Bilder erinnern eher an Afrika als an Italien

Slums wie diesen fanden Heiko Gärtner und Tobias Krüger überall in Europa. Auch in Deutschland.

 

Warum haben wir dieses System der Ausbeutung gewählt?

Warum soll es Sinn ergeben, dass 9 Menschen ausgebeutet werden und einer in einem erhöhten Luxus leben kann?

Dehnt man dadurch wirklich die Liebe maximal aus? Heiko Gärtner hatte Millionen von Fragen im Kopf. Er war nicht nur ein Weltenbummler, der schon viele einheimische Kulturen in der Wildnis besucht hatte, er war auch ein Kämpfer für Menschenrechte. Warum sollte ein Mensch, der an einem ungünstigen Standort lebt, weniger zum Essen haben, als ein Mensch, in Köln, Frankfurt oder München? Denn ja, wie er selbst in einem Experiment herausgefunden hatte, bei dem er unter anderen in diesen Städten als “Obdachloser auf Zeit” gelebt hatte, gab es hier selbst dann noch genug zu Essen, wenn man keinerlei Geld und auch keine besonderen Fähigkeiten besaß. In anderen Regionen, war man hingegen bereits mit wenig Geld vollkommen aufgeschmissen. Ergibt das Sinn? Nach den Recherchen der beiden Extrem Journalisten könnten wir geschätzt 21,4 Milliarden Menschen mit der von uns produzierten Nahrung vollkommen ernähren.

Doch es geschieht nicht!

Warum?

Wie kann es sein, dass sie an Feldern vorbeigelaufen sind, wo 54 % der Zwiebeln nicht geerntet, sondern wieder ins Feld gepflügt wurden? Wie kann es sein, dass sie auf einer Fischfangflotte, bei der sie mitreisen durften, zu ihrem Entsetzen feststellen mussten, dass für ein Kilogramm Fisch, der zum Verzehr bereitgestellt wurde, in dieser Zeit 54 Kilo Beifang weggeschmissen wurden?

Alles nur Zufall?

Wie konnte es sein, dass sie auf ihrem Weg Hühnerfabriken entdeckten, in denen mehr als 1,2 Millionen Legehennen in brutalster Käfighaltung schuften mussten, bei denen die Eier am Ende aber in allen bunten Farben mit den Aufdrucken für verschiedenste Herkunftsländer und Haltungsklassen, von der Bodenhaltung bis hin zum Bio-Ei gestempelt wurden?

Ist das alles Zufall?

Wie konnte es sein, dass sie in Bulgarien Arbeitercamps gefunden haben, in denen die Feldarbeiter mit der Maschinenpistole bedroht wurden, um schneller zu arbeiten und um sicher zugehen, dass keiner davon laufen konnte?

Warum gab es in jedem Land in Europa indirekte Lohnsklaverei oder sogar Menschenhandel? Ja, auch in Deutschland!

Warum konnten die beiden in kein Land in Europa gehen, wo es keinen sexuellen Menschenhandel bei Kindern, Frauen und jungen Männern gab?

Wie konnte das alles sein, wenn unser System auf die Ausdehnung der Liebe ausgelegt ist? Es war kein Weltrekord im Laufen. Es war eher ein Weltrekord in der Recherche, den die beiden Jungs aufgestellt haben.

Webnomade Heiko Gärtner: Forschung und Recherche wurden ein wichtiger Bestandteil der Reise

Webnomade Heiko Gärtner: Forschung und Recherche wurden ein wichtiger Bestandteil der Reise.

 

Weltrekord im Laufen zu Corona-Zeiten?

Es war die gleiche Leistung, wie wenn ein Athlet den Weltrekord im 1000-Meter-Lauf aufstellt. Und doch war es etwas vollkommen anderes. Sie waren ständig inkognito. Obwohl sie durch ihre Bücher, wie “Krankheiten auf einen Blick erkennen”, “Draußen - Geschichten vom Rand der Gesellschaft”, “Gruppendynamik für Blödes”, “Burnout vs. Freiheit”, “Dem Ruf des Schamanen folgen” und “Die natürliche Heilkraft der Bäume” ausreichend Geld bezogen, nahmen sie das Geld und investierten es rein in die Werbeplattform für die sozialen Projekte, die sie unterstützen wollten. Unter der 7-jährigen Wanderreise lebten sie vollkommen ohne Geld. Sie wanderten 2555 Tage im Geldstreik. Und ja, das ist ein Weltrekord und nein, sie hätten nicht aufgehört, wenn sie Corona in Frankreich nicht gefangen hätte. Aber auch dort nutzten sie keinen einzigen Cent. Sie wurden liebevoll von einem Pfarrer aufgenommen und durften dort für drei Monate in einem Pilgerzimmer arbeiten und verweilen. Der Bäcker, der Schlachter und auch Privatleute aus der Nachbarschaft, waren so von der inspirierenden Geschichte von Heiko und Tobias fasziniert, dass sie ihnen jeden Tag eine Tüte mit Essen und Getränken vor das Pfarramt hängten.

Selbst nach der schweren Corona-Zeit wanderten sie wiederum im Geldstreik bis nach Schweden. Sie wussten, dass die Pandemie keine Eintagsfliege werden wird und entschlossen sich, in das dünnst-besiedelte Areal in Nordschweden zu ziehen.

Heiko Gärtner entspannt auf einem Baum

Durch Corona wurde Heiko Gärtner mit seinem Projekt Weltrekord Laufen zu einer Pause gezwungen.

 

Die Krise überdauern

Auf dem Weg, waren Heiko und Tobias zutiefst geknickt und wussten nicht, wie es weiter gehen sollte. Klar waren sie offiziell schon ein Weltrekordhalter im Laufen ohne Geld, doch darum ging es den beiden nicht. Es war nicht wichtig, ob sie einen Titel im Weltrekord laufen hatten. Sie wollten weiterhin im Geldstreik leben.

Wie aber war das möglich?

Also fragten sie ihre Community und lehrten den Sparstrumpf der letzten Spenden aus. In ihren Gedanken war nur, es ist vollkommen unmöglich einen arktischen Winter in einem Land zu verbringen, das als einziges keinen Lockdown verhangen hat. Wo wollten sie unterkommen? Wer würde sie aufnehmen? Schon beim Eintritt nach Schweden spürten sie, dass die alten Projekte früher deutlich leichter gewesen waren. So hatte  Heiko Gärtner ein Holzfloß in der Ukraine gebaut und gezeigt, wie man ohne Hilfsmittel, ein Floss erschaffen kann. Über 430 Nächte hatte Heiko Gärtner schon in selbst errichteten Notunterkünften verbracht. Doch in einem Land wo es bis zu 38 °C minus haben wird, wie sollte das funktionieren? Heiko und Tobias erklärten sich und riefen ihre treuesten Follower auf, ob sie daran Interesse hätten, dass der Geldstreik weiter laufen sollte. Viele spendeten einen oder zwei Euro. Das spannende war, dass sie schon nach wenigen Tagen einige tausend Euro hatten. Sie fassten wieder neuen Mut und dachten sich: "Eine alte Almhütte mit einem Ölfass als Ofen, sollten wir definitiv bekommen."

Franz Bujor: Gemütliches Arbeiten am Kamin

Ob es uns wohl gelingt, ein Haus mit einem so gemütlichen Kamin aufzutreiben?

 

Vom Weltrekord-Läufer zum Hauseigentümer

Jedoch kam es, wie immer anders. Durch einen Zufall hörte ein Bekannter von der Notlage der Lebenspilger. Er wusste ganz genau, dass man den Lebensabenteurern jetzt unter die Arme greifen musste. Also zögerte er nicht und schlug ein Haus aus einer Polizeiversteigerung vor.

Jemand der im Geldstreik ist, soll ein Haus erwerben? Heiko und Tobias konnten nur noch lachen. Wie abstrakt war diese Welt geworden? Was war dieser Virus? Zeigte der Virus einfach nur an, dass wir allesamt auf dem Holzweg waren oder war es eher ein Hilfeschrei, dass das System schon lange krank war? Sie wussten es nicht. Abstrakt war jedoch, dass zwei Jungs, die im Geldstreik lebten, so viel Geld geschenkt bekommen hatten, dass sie sich eine alte Drogenhöhle leisten konnten.

Ja, ihr habt richtig gehört!

Das Haus, dass sie ersteigern konnten, war eine Hütte, die als zuvor Drogenlabor verwendet worden war. Alle anderen Häuser wären einfach unbezahlbar gewesen. Mit gerade mal 6.000 Euro sollte es nach einer Razzia, die zwei Jahre zuvor stattgefunden hatte, verkauft werden. Die Türen waren aufgebrochen, die Fenster waren herausgetreten und das Haus war vollkommen verwahrlost.

Punkt.

Heiko und Tobias wussten: “Wenn wir hier nicht zuschlagen, kriegen wir auf gar keinen Fall eine Bleibe!”

Noch kann ich mir nicht vorstellen, in dieser Küche jemals etwas essen zu wollen

Ok, ganz so heimelig sollte das neue Weltreise-Vorbereitungs-Hauptquartier dann wohl erst einmal nicht werden...

 

Weltrekord-Wandern zum neuen Haus

Mit jedem Schritt, den sie dem Haus näher kamen, wussten sie, dass der Weltrekord im Laufen erstmal unterbrochen werden musste. Die Welt war im Lockdown und sie waren mit ihrer Energie am Ende. In den letzten sechs Monaten war das laufen ohne Geld wie ein Spießrutenlauf gewesen. Sie durften keinem Menschen begegnen, trugen eine Maske und wussten, dass sie sich in ein einsames Gebiet begeben müssen. Nun war es so weit. Sieben Jahre wandern ohne Geld waren vorüber. 45.500 Kilometer Weltrekord Laufen waren im Geldstreik absolviert worden. Es war ein epochales Gefühl für die beiden und trotzdem fühlte es sich nach einer Niederlage an. 58 Länder hatten sie ohne Geld durchwandern können. Das war ohne jeden Zweifel ein Weltrekord. Die längste Strecke, die sie an einem Tag ohne Essen und trinken hatten zurücklegen müssen, weil sie nichts zuvor keinen Schlafplatz finden konnten, waren 78 Kilometer gewesen. Ihr Füße waren fleischig und der Geist mürbe. Doch so mürbe wie an diesem Tag, an dem sie in das Drogenhaus eingezogen sind, war ihr Geist noch nie. Tausend Fragen hämmert durch ihren Kopf.

Wie sollen wir an einem festen Ort ohne Geld leben?

Wo bekommen wir Nahrung her?

Wie können wir die Türen schließen?

Wie können wir ohne Geld heizen?

Heiko Gärtner vor seinem neuen Haus: Das Projekt "Weltrekord laufen" kann vorerst nicht weiter gehen.

Heiko Gärtner vor seinem neuen Haus: Das Projekt "Weltrekord laufen" kann vorerst nicht weiter gehen.

 

Das Ende einer Reise?

Der Gedankenstau war so groß, dass man ihn sich kaum vorstellen konnte. Die erste Nacht war so kalt, dass der Schlafsack durch die Kondensfeuchtigkeit angefroren war. Nicht nur, dass das Haus weit unter null Grad hatte, Heiko und Tobias waren vollkommen durchnässt. Da das Haus in einer sehr kleinen Ortschaft lag, mussten sie 47 Kilometer im Regen gehen. Patschnass, begossen wie die Pudel, kein Strom, keine Nahrung, kein Wasser, aber dafür zwei Rohrbrüche und Bodenfrost. Gibt es ein schöneres Ausgleiten einer Weltreise zu Fuß und ohne Geld? Will nicht jeder nach 7 Jahren Weltreise im Geldstreik so herzlich empfangen werden? Natürlich hätten die Jungs zu Heiko Gärtners Eltern gehen können, doch aufgeben war keine Option in den Gehirnwindungen der Survival Experten.

Ein neues Kapitel beginnt

Also packten sie alle Überlebensfertigkeiten aus und reparierten mit einem Multitool und einer alten verrosten Säge das Haus notdürftig, sodass eine Schutzunterkunft entstand. Als sie in der Dorfkirche vorsprachen und von ihren sozialen Projekten erzählten, die sie unterstützen und warum sie auf Wanderschaft waren, waren die Menschen so begeistert, dass sie ihnen alle Hilfe zuteilwerden ließen, die der kleine Ort zu bieten hatte. Uwe, der schweigsame Klempner, reparierte die beiden Rohrbrüche und die Nachbarn stellten ihnen Farbe, Werkzeuge, Mitfahrgelegenheiten, ein paar Möbel und Lebensmittel zur Verfügung. Sogar einen Freischneider bekamen sie, sodass sie ihren Garten ein wenig zivilisierter aussehen lassen konnten. Doch die Hilfe kam nicht nur aus dem Ort. Ein Follower, der die Geschichten der beiden seit dem ersten Tag mitgelesen hatte, spendierte ihnen den Elektriker, der 40 % der elektrischen Leitungen entfernte, sodass überhaupt Strom fließen konnte. Das spannende war, dass die Vorbesitzer unendlich viele Kabel im Haus verlegt hatten, sodass sie ihre Marihuana-Pflanzen künstlich bewässern und mit Wärme bestrahlen konnten. Was aber hilft ein Sicherungskasten der funktioniert, wenn man nicht im Stromnetz angeschlossen ist? Denn leider hatte es der Energiekonzern, der den Strom hätte liefern sollen, völlig verpasst, den Neuanschluss des Hauses nicht nur zu bestätigen, sondern auch wirklich durchzuführen.

Weltrekord Laufen ins Zentrum von Skorped

Das Zentrum von Skorped: Ohne die Hilfe der Nachbarn wäre Heiko Gärtner mit seinem Projekt am Anfang vollkommen untergegangen.

Frieren für einen guten Zweck?

Also froren die Jungs die ersten 12 Tage ohne Licht und Strom. Nur ein kleiner Holzofen, den sie aus einem Sperrmüllhaufen fischen konnten, war so gut, dass sie damit das Haus auf 9° Celsius heizen konnten. Natürlich war es noch nicht gemütlich. Aber hatten es die Sklaven gemütlich, die wir dazu zwingen, all die Dinge herzustellen, die dafür sorgen, dass wir es warm und kuschelig haben? Solche oder ähnliche Motivationssätze kreisten durch den Kopf der Survival Experten. "Aufgeben gibts nicht. Wer 500 Kilometer ohne Ausrüstung durch eine Eiszone mit -20° C gewandert ist und überlebt hat, wird wohl auch in einem halbwegs beheizten Haus überleben."

Obwohl diese Gedanken der Motivation da waren, waren die Weltrekordhalter kurz davor aufzugeben. Sie hatten nie ein Problem, einen Weltrekord im Laufen aufzustellen, aber in einem Haus zu leben, das zwang sie fast in die Knie. War das nicht paradox? Heiko Gärtner war am sechzehnten Nachmittag so weit. Er wollte einfach nicht mehr!

"Das macht doch alles keinen Sinn. Wir sind doch Null Komma Null produktiv. Wem helfen wir denn überhaupt, wenn wir hier ums Überleben kämpfen? Was bringt den so ein Geldstreik?"

Heiko Bademantel Wasserziege duschen Sonne

Kein Strom, kein fließend Wasser: Am Anfang blieb Heiko Gärtner nur die Outdoor-Dusche im Schnee!

 

Auch ohne Wandern geht das Projekt weiter

Obwohl Heiko Gärtner und sein Kollege kurz vor dem Verzweifeln waren, kam plötzlich ein helles Licht. Die Kirche erlaubte Ihnen, für einen Monat die Säle zu nutzen, in denen der Kommunionsunterricht und die Pfadfindertreffen stattfanden. Auch die Küche durften sie verwenden, um so zu neuen Kräften zu kommen. Also telefonierten die beiden im Büro der Pfarrei nach Sponsorenverträge und stellten das Projekt “Geldstreik im arktischen Winter” vor. Schon bald hatten sie einen Stromanbieter, der das Projekt unterstützen wollte. Nach gerade einmal 31 Tagen hatten sie Strom. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für ein Gefühl war, als die Jungs auf den Lichtschalter drückten und von 12 Glühbirnen eine brannte. Nun mussten sie nur noch das Chaos beseitigen. Je mehr sie heizen konnten, desto eher konnten sie auch das Haus reinigen. Die eingetrockneten Speisereste, das Fett, das im Ofen stand, die Marihuanareste, die noch überall den Duft des Drogenhauses versprühten. Schon nach zwei Monaten sah das Haus, wie ein Haus aus und nach einem Monat der Organisation hatten die Jungs einen Supermarkt als Sponsor für die Nahrung gefunden und ausreichend Holz für das Heizen. Klar erhielten sie nur die Dinge, die weggeworfen wurden, aber war es nicht genau das, was sie wollten.

Weltrekord Laufen: Ein neues Begleitfahrzeug für die Weltreise

Das Projekt geht weiter: Dieser Schiffscontainer wir das neue Begleitfahrzeug für den zweiten Teil des Charitywalks. Wenn er fertig ist, geht das Weltrekord Laufen in die nächste Runde.

 

Lebensmittel vor dem Müll retten

Plötzlich durften sie noch tiefer in die Müllpolitik der Supermärkte blicken. Je länger sie Vorort waren, desto mehr Supermärkte wollten das soziale Projekt unterstützen. Heiko und Tobias waren jedoch bestürzt wie viel Nahrung pro Tag in einem Supermarkt weggeschmissen wurde. Natürlich hatten sie nun mehr als genug zum Essen, doch war dies wirklich das Ziel des Weltrekords im Laufen ohne Geld, fest an einem Ort zu sitzen und sich von dem Müll der Gesellschaft zu ernähren?

Natürlich hatten die beiden auch auf der Reise schon sehr viel containert, aber jetzt offiziell in die Kammer des Mülls eingeladen zu werden, war abstrakt. Diese unglaublichen Massen machten sie nachdenklich und traurig zu gleich. Es war ein absoluter Segen, dass sie nicht verhungern mussten und trotzdem, spürten sie auch, wie es sich komisch anfühlte, dass das System, so viel Nahrungsabfall produziert.

Weltrekord Laufen: Streetsurvival, Containern und Wandern ohne Geld

Nahrung aus dem Müll zu retten wurde zu einem wichtigen Bestandteil, um das Projekt weiterhin am Leben halten zu können.

 

Ein autarkes Mobilheim für den Neustart der Reltrekord-Reise

Da sich die Situation immer mehr verschlechterte und die Pandemie kein Ende finden wollte, beschlossen sie, noch einen Schritt weiterzugehen: "Wie kann man nachhaltig in unserer Gesellschaft leben?" Diese Frage warf Heiko auf und er wollte von Tobias wissen, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, wie man mit Upcycling so bauen kann, dass man den kleinstmöglichen ökologischen Fußabdruck hat, aber trotzdem ein mobiles Heim hat, sodass man je nach Gefahrenlage in der Welt stets einen passenden Wohnplatz finden kann. Schon nach wenigen Worten, als Heiko Gärtner und Tobias Krüger durch den Wald gegangen sind, um zu reflektieren, waren sie von der Idee so begeistert, dass sie zusammen mit ihren über 500 Sponsoren,  ein Containerhaus auf Rädern entwickeln wollen, das vollkommen autonom ist.

Eckdaten des Mobilheimes auf Rädern:

  • Länge des Wohncontainers 12 Meter
  • Breite des Wohncontainers 2,44 Meter
  • Länge des Technikcontainer 1,33 Meter
  • Breite des Technikcontainer 2,44 Meter
  • Deckenhöhe der Container im Innenraum: 2,55 Meter
  • Gesamthöhe des Mobilheims mit Rädern: 3,99 Meter

Ausstattung:

  • 1000 Liter Frischwassertank
  • 200 Liter Abwassertank
  • Kläranlage für Flusswasser und Regenwasser
  • 10.000 Watt Fotovoltaikanlage
  • 3.000 Watt Windenergie
  • 47 Dezibel Schallschutz Fenster und Türen
  • U-Wert der Außenwand 0,42
  • Holzofen zum Heizen und kochen
  • Gasherd und -ofen zum Kochen
  • Induktionskochfeld zum Kochen
  • Luftwärmepumpe zum Heizen und Kühlen
  • Minizentralheizung zum Heizen und zum Produzieren von Warmwasser

Die neue Idee war gefasst. Der längste Spendenlauf musste wegen der Pandemie auf Eis gelegt werden, würde aber schon bald in eine neue Runde starten können. Ohne eigenes Geld ein mobiles Niedrigenergiehaus zu bauen - Ob ihnen dieses Projekt gelingt, kann noch niemand wirklich sagen. Aber es sieht sehr gut aus. 90 % der Baumaterialien sind erschaffen und die letzten 10 % werden auch noch den Weg zu ihnen finden. Sie haben also nicht nur vor, einen Weltrekord beim Laufen aufzustellen, sondern auch den Weltrekord im Bereich, ohne Geld an einem Ort zu leben und zudem ein mobiles Haus auf Rädern zu bauen. Und nicht irgendeines, sondern ein mobiles Niedrigenergiehaus. Hier könnt ihr bereits eine erste Führung durch das Mobilheim machen:

 
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Weltrekord im Laufen geht weiter

Heiko Gärtner steht schon sehr lange für verrückte Ideen. Wer würde sonst auf die Idee kommen mit Fellen gewandet nur mit Wildnahrung ans Ende der Welt nach Spanien zu laufen? Heiko Gärtner und Tobias Krüger sind zwar zu dieser Zeit fest an einem Platz, doch der Wunsch, jedes Land der Welt zu Fuß und ohne Geld einmal zu durchwandern, schlägt noch tief in der Brust. Vielleicht können sie den Weltrekord Versuch nicht genau so umsetzen, wie sie ihn ursprünglich vorhatten. Was man aber sagen kann ist, dass noch nie ein Mensch so lange ohne Geld zu Fuß um die Welt gelaufen ist. “Weltrekord Laufen” gehört eben nicht nur den 100-Meter-Läufern, den Hürdenläufern oder den 5-Kilometer-Läufern. Es können auch Leute einen indirekten Weltrekord im Laufen aufstellen, der in der Öffentlichkeit nicht anerkannt ist, aber in den Herzen derjenigen, die das positive unterstützen wollen. Jetzt drücken wir ihnen erstmal die Daumen, dass sie eine Lösung finden, um ein Energiesparhaus auf Rädern aufzubauen, sodass sie zeigen können, dass man auch in einer anderen Art und Weise leben könnte. Der “Weltrekord Laufen” ist definitiv noch nicht vom Tisch, so die Aussage von Heiko Gärtner.

 
Heiko Gärtner beim Weltrekord Laufen

Heiko Gärtner beim Weltrekord Laufen: Das Projekt ist noch lange nicht vorbei!

 
Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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