Mein Freund und Helfer oder doch der Feind im grünen Rock
von Shania Tolinka
04.02.2012 20:39 Uhr
21 Grad minus. Selten habe ich so eine kalte Nacht erlebt. Nach stundenlangen trampen verließen wir Stuttgart in Richtung Bodensee. Nach stundenlangen Autobahn Hopping reichte es uns und wir entschlossen in Memmingen die Nacht zu verbringen. Der Döner Mann unseres Vertrauens spendierte uns einen Dönerteller und jeweils einen Kaffee. Frisch gestärkt entschlossen wir, dass wir ohne Schlafsack nur in einer Notunterkunft oder in einer Bank schlafen könnten. Da niemand wusste, ob es eine Notunterkunft gab, entschlossen wir uns für die Bank. Vom Fenster aus betrachteten wir die eiskalte Nacht. Nach gerade mal einer Stunde Schlaf weckte uns die Polizei freundlich und erteilte uns einen Platzverweis. Auch unsere Erklärungen, dass man ohne Obdach und Schlafsack draußen erfrieren würde, führte zunächst nur zu einer strickten Aussage. Sie dürfen hier nicht sein. OK das verstehen wir, aber wohin sollen wir dann bei nun 22 Grad minus? Nachdem die Polizei kurz aus der Tür verschwunden war, kamen die Polizisten durch die Tür und meinten kühn in freundlicher Stimme: Ihr könnt doch gegenüber im Hausflur schlafen. Sagt dem Wachmann wir haben es erlaubt. Was bitte? Die Polizei ist dazu verpflichtet uns zu schützen und uns in ein Schutzobdach zu geleiten. Wenn nicht bei diesen Kühlschranktemperaturen, wann denn dann? Sollten nicht wir die Survival Tipps geben und nicht die Polizei? Ist sie nicht eher für die sichere Variante zuständig und wir für das Risiko? Gesagt getan, nun lagen wir in einem eiskalten Flur einer Wohnsiedlung. Die Kälte der Bodenfliesen bohrte sich durch unseren Körper. Zitternd meditierten wir uns in den Schlaf. Nun kam der Wachmann, um uns zu vertreiben. Sofort drohte er mit der Polizei und wir sollten umgehend das Gebäude verlassen. Wir kamen kaum zu Wort und schon wieder standen wir in der Kälte der späten Nacht bei 17 Grad minus! Noch nie war ich in meinem Leben so von der Polizei enttäuscht und dem fehlenden Mitgefühl der Menschen gegenüber schlafenden Obdachlosen. Das nicht mehr Obdachlose den Kältetod sterben, ist ein wahres Wunder und kann nur auf die Kameradschaft der Straßenmenschen zurückgeführt werden. Nicht nur das uns die Polizei in Nürnberg nicht erkannt hatte, nun wurden wir noch bewusst in die todbringende Kälte für einen Obdachlosen ohne Schlafsack geschickt. Heute erreichten wir am späten morgen den Bodensee und genossen bei klirrender Kälte die strahlende Sonne. Beim Wok in bekamen wir heute 20 Frühlingsrollen geschenkt und für jeden ein leckeres Nudelgericht mit gebratenen Huhn. So lecker. Wir waren so dankbar, dass man es kaum in Worte kleiden konnte. In kleinen Städten ist es als echter Obdachloser kaum möglich, ein leichtes Leben zu führen. Aus diesem Grund vermuten wir, pilgern viele Obdachlose in die großen sozial starken Städte.
Spruch des Tages: mein Freund und Helfer oder doch der Feind im grünen Rock.
Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin.
Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.