Unterwegs als Obdachlose in Nürnberg
Unterwegs am Rande von Nürnbergs Gesellschaft
Zwei junge Männer lebten drei Tage lang als Obdachlose in Nürnberg - Bilanz: "Du kannst nicht verhungern"
Andere suchen die Extreme in der Natur, Heiko Gärtner und Tobias Krüger dagegen in der Großstadt - in Nürnberg mischten sie sich drei Tage unter die Obdachlosenszene, ohne Geld und Obdach. Jetzt zogen sie eine Bilanz ihres ungewöhnlichen Experiments.
Nichts zu essen, kein Schlafplatz, kein Geld - was sich für die meisten Menschen wie ein furchtbarer Alptraum anhört, faszinierte gerade Heiko Gärtner und Tobias Krüger. Die beiden Outdoor-Experten waren für drei Tage freiwillig als Obdachlose in Nürnberg unterwegs um herauszufinden, wie man bei Minusgraden im Großstadt-Dschungel überleben kann.
Was hat die beiden dazu gebracht, dieses ungewöhnliche Experiment zu wagen? „Hauptsächlich Neugier, glaube ich", sagte Tobias Krüger am Donnerstag. Der 26 Jahre alte Kulturpädagoge hat bereits zahlreiche Nächte in der freien Wildbahn verbracht. Auch Heiko Gärtner ist ein Abenteurer: Vor anderthalb Jahren pilgerte der Neumarkter mehr als 3000 Kilometer zu Fuß auf dem Jakobsweg und ernährte sich dabei von dem, was er in der Natur fand. Irgendwann kamen die beiden auf die Idee, die Wildnis gegen die Großstadt einzutauschen und von Obdachlosen zu lernen, wie man in der Stadt überleben kann.
Seit vergangenem Montag waren die zwei jungen Männer als Obdachlose in Nürnberg unterwegs. Dabei hatten sie nur ihre Kameraausrüstung und das, was sie am Leib trugen. Eine erste Bilanz zogen sie am Donnerstag in mehreren Sendungen des Bayerischen Rundfunks (BR). In der ersten Nacht schliefen sie draußen, die beiden folgenden Nächte verbrachten sie in sozialen Einrichtungen.
In den letzten drei Tagen haben Gärtner und Krüger mit zahlreichen Obdachlosen gesprochen, sich nach deren Lebensgeschichten erkundigt und sich Tipps für Übernachtungsmöglichkeiten oder ein kostenloses Essen geholt. Was ist die Bilanz der drei Tage in Nürnberg? „Du kannst nicht verhungern", sagte Heiko Gärtner. Man müsse nur eine gewisse Dreistigkeit an den Tag legen und in Bäckereien oder Cafés nachfragen, dann bekomme man fast überall etwas zu essen.
Traurig sei hingegen das Verhalten vieler Passanten gegenüber Obdachlose in Nürnberg: Als sie beide ihr erstes Nachtquartier bei eisiger Kälte und ohne Schlafsäcke im Stadtzentrum aufgeschlagen hätten, seien sie von vorbeikommenden Personen entweder einfach missachtet oder angepöbelt worden, berichtete der Wildnispädagoge.
Im Kontakt mit den Obdachlosen hätten sie hingegen vorwiegend positive Erfahrungen gemacht. Die meisten hätten sich sehr gerne mit ihnen unterhalten. Viele seien froh gewesen, endlich einmal interessierten Zuhörern ihre Lebensgeschichte erzählen zu können. Schon am ersten Tag seien sie mit einer Gruppe Obdachloser am Hauptbahnhof ins Gespräch gekommen: „Die haben uns gleich einen Schlafplatz angeboten", erzählte Krüger. Allerdings könne man schon auch in gefährliche Situationen geraten. „Wenn starke Drogen im Spiel sind, kann man Leute schwer einschätzen", sagte Krüger. Da müsse man sich schon genau überlegen, welche Fragen man stelle, denn die gute Stimmung könne von einem Moment zum anderen ins Gegenteil umschlagen.
Nach drei Tagen auf der Straße haben die Outdoor-Experten allerdings noch nicht genug: Die Zeit auf Nürnbergs Straßen war nur der Anfang einer insgesamt vierzehntägigen Tour, die die beiden Männer auch noch in die Obdachlosenszene anderer deutscher Großstädte führen soll. Auf ihrem Plan stehen noch Köln, Frankfurt und Berlin.
Tipps und Hinweise für Obdachlose in Nürnberg:
Die Ökumenische Wärmestube bietet Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen einen Ort, wo sie diese Dinge bekommen. Die Stadtmission Nürnberg, die Caritas Nürnberg und die Stadt Nürnberg heißen hier jeden willkommen.
Das SleepIn, Notschlafstelle und Beratungsangebot für faktisch obdachlose Jugendliche und junge Heranwachsende zwischen 14 und 21 Jahren, wird in gemeinsamer Trägerschaft von Schlupfwinkel e.V. und Jugendamt Nürnberg betrieben und ist eine Teileinrichtung und niedrigschwellige Ergänzung des Kinder- und Jugendnotdienstes mit seinen Inobhutnahme Einrichtungen.