Aussteigen auf Zeit: Totaler Zivilisationsverzicht


Totaler Zivilisationsverzicht
Laufen, auch wenn der Rücken blutet: Heiko Gärtner pilgert extrem
NEUMARKT · Der Rücken blutig, die Füße wund: Mehr als 50 Tage nach seinem Aufbruch nach Santiago de Compostela und fast 1600 Kilometer weiter, ist der Neumarkter Heiko Gärtner deutlich von der anstrengenden Tour gezeichnet. Ans Aufgeben beim Aussteigen auf Zeit denkt er nicht.

Beim Aussteigen auf Zeit schätzt man gefundene Weintrauben sehr
Das Ziel: Eine Reise nach Spanien „im Einklang mit der Natur", die NN berichteten. Das bedeutet in seinem Fall, die 2500 Kilometer lange Strecke ohne Geld anzutreten und sich von dem zu ernähren, was den Weg so kreuzt.
Pauschalreisende, Rucksack-Touristen, ohnehin jede sich nicht in allergrößter Not befindende Person wendet sich mit Grausen: Gärtner (Jahrgang 1979) freut sich über seine „Jagderfolge: Vogelkadaver, Fisch und Schnecken. Highlight war eine ausgeblichene Chipstüte im Abfall."
In seinem Aussteigen auf Zeit Internet-Tagebuch berichtet er von seinem blutigen Rücken, der vom Rucksack tragen wund gescheuert ist. Von der drei Grad kalten Nacht, dem vom Regen nassen Schlafsack und dass es kaum auszuhalten gewesen sei. Dennoch laufe „Phase zwei" für ihn „gut". Er ernähre sich zu etwa 90 Prozent von dem, was die Natur bietet. Gelegentlich bekomme er etwas geschenkt, bediene sich auf den Äckern.

Heiko Gärtner in seinem steinzeitlichen Leinen-Zelt mit einer Schüssel Wildmischsalat
Nach den ersten 1000 Kilometern in „steinzeitlicher Manier" beim Aussteigen auf Zeit läutete Gärtners „Phase zwei" die nächsten 1000 Kilometer ein: Ausgerüstet mit Messer, Feuerstahl, Notschlafsack (700 Gramm) und Biwak will er nun als „Jäger und Sammler" der Neuzeit weiter wandern.
Das, was er „Streetsurvival" nennt, bedeutet für ihn, dass er sich „vom Abfall der Menschen bedient". Ohne Geld in unserer Gesellschaft zu leben, sei leichter als er dachte. Sein Spruch des Tages lautet: „Frei zu sein, ist herrlich."
Die von ihm gewählte Freiheit stößt an körperliche Grenzen: Denn er schreibt auch, dass die Füße jeden Tag mehr schmerzen und der Hunger wächst. Gärtner ist inzwischen alleine unterwegs. Der Esel, der ihn begleiten und beispielsweise auch die Kameraausrüstung tragen sollte, ist schon lange nicht mehr an seiner Seite. Das Tier konnte nicht mehr schlafen und wurde nach 16 Tagen abgeholt.
Heiko Gärtners Freundin leistete ihm dafür eine Weile Beistand, wanderte die Strecke durch die Schweiz mit. Auch von ihr hieß es Abschied nehmen.
Die Gewalttour ist noch nicht vorbei: Die letzten 100 bis 300 Kilometer will Gärtner ohne Material – nur noch mit Feuerstahl und Messer ausgestattet – absolvieren: „Wenn die Energie reicht.“ Internet-Tagebuch unter: www.heiko-gaertner.de
Interessantes zum Thema Aussteigen:
Aussteigen mit 50 oder auch 59 Jahren ist natürlich umsetzbar. In welches Land, auf Zeit oder für immer? Reicht das Geld? Tipps zur Planung und Finanzierung einer Auszeit oder eines frühzeitigen Berufsausstiegs, Checklisten und der Test für Aussteiger unterstützen viele beim Planen. Erfahrungen von Aussteigern, wollen euch Mut machen aber auch auf Risiken hinweisen. Eine gute und genaue Recherche ist das A und O um perfekt vorbereitet zu sein.
Das Geld sparen spielt eine zentrale Rolle, damit für den Ausstieg genügend Startkapital vorhanden ist und damit das Geld möglichst lange reicht. Um den finanziellen Überblick zu behalten, ist eine gute Finanzplanung wichtig. Außerdem kann man auch als Aussteiger weiterhin Geld verdienen; sicher vielleicht nicht mehr so viel wie früher aber mit ganz anderer Arbeit und viel entspannter.
Um aus dem Hamsterrad der Leistungsgesellschaft aussteigen zu wollen, sollte man sich klarmachen, dass Zeit sehr viel wertvoller sein kann als Geld. Aussteiger aus der Gesellschaft haben oft eine längere Phase der Sinnsuche hinter sich. Viele, die ihren Fokus zuvor rein auf Karriere und Geld gelegt haben, kommt dies nun geradezu sinnlos vor und sie haben häufig das Gefühl ihr bisheriges Leben verschwendet zu haben. Ein Neuanfang durch einen Ausstieg, kombiniert mit einer Tätigkeit, die ihnen wirklich Freude und Erfüllung bereitet, kommt ihnen dann meist so vor, als fängt das wahre und echte Leben hier an.
