Eins mit der Natur: Heikos Weg nach Santiago

von Shania Tolinka
19.10.2010 13:34 Uhr

Eins mit der Natur: Heikos Weg nach Santiago

 

Genau nach 100 Tagen ist der Wildnispädagoge am Sonntag wieder aus Spanien zurückgekehrt

 

Von JÜRGEN DENNERLOHR

Ja, es hat sie gegeben, die Momente, in denen Heiko  Gärtner  ans Aufhören dachte. Doch immer wieder konnte er sich motivieren, ist  weiter  marschiert auf  seinem Weg nach Santiago de Compostela. 2500 Kilometer „wie ein Steinzeitmensch" durch die Wildnis. Und er hat seinen Zeitplan eingehalten. Am Sonntagabend  ist er wieder in Neumarkt angekommen. Genau 100 Tage nach  seinem Abmarsch.

 
100 Tage brauchte Heiko Gärtner für seine Pilgerreise

100 Tage brauchte Heiko Gärtner für seine Pilgerreise

 

NEUMARKT  - In Santiago war Heiko Gärtner nicht nur erschöpft, sondern auch nicht glücklich, angesichts der geballten Menschenmassen sogar frustriert nach seinem langen Weg im Einklang mit der Natur.

„Das wäre kein schöner Abschluss gewesen", erzählt er 32-Jährige, und marschierte noch die 60  Kilometer weiter bis ans Kap Finisterre an  der Westküste Galiciens, ans  „Ende der Welt".  Die  letzten Kilometer war seine Freundin Raphaela wieder  zu ihm  gestoßen. Nach 95 Tagen war er an der Küste  angekommen, schürte ein  Feuer, verbrannte die  alten Klamotten, nahm ein Bad  im Meer - und trampte dann  „ganz  gemütlich"  in fünf Tagen zurück in die Oberpfalz.

Wo er  sich  am  Sonntagabend eine ausgiebige Belohnung gönnte: Nicht nur zum Pizza essen ging es zum  Italiener, vorher verdrückte Gärtner auch noch eine  Portion Nudeln und hinterher ein Eis. Nachdem er sich  über drei Monate lang von den Früchten des Waldes ernährt hatte.

Am 7. Juli war der ausgebildete Wildnislehrer guter Dinge, als er morgens um 7 Uhr zusammen mit seinem Freund Josef Bogner und dem  Lastesel Alfredo loszog (wir berichteten). Doch schnell kamen die ersten Rückschläge. Alfredo streckte schon nach wenigen Dutzend  Kilometern buchstäblich alle viere von sich, wurde von seinem Besitzer Rupert Beyer von den Staufer Eselfreunden abgeholt. Und an der Schweizer Grenze war auch für Josef Bogner Schluss, der auf dringendes anraten  seines Arztes die Reise abbrechen musste.

 
Der Lastesel Alfredo war für die Pilgerreise vorgesehen.

Der Lastesel Alfredo war für die Pilgerreise vorgesehen.

 

Massive Probleme

Gärtner hatte sich  fest vorgenommen,  keinen Doktor aufzusuchen, sonst hätte der ihn wohl auch nach Hause geschickt. Als seine Füße völlig offen waren, zum Beispiel. Doch da half Wundklee, den  Gärtner pflückte. In Spanien erwischte er dann verunreinigtes Wasser, hatte massive Magen-Darm-Probleme.  Da blieb  nur  der Gang in die Apotheke, Mineraldrinks halfen ihm wieder auf  die Beine.

„Doch eigentlich war es  gar nicht so schlimm, wie ich  es mir  gedacht hatte", zieht Gärtner eine  Bilanz seiner  Strapazen mit dem eins sein in der Natur dsa. Und beantwortet die Frage, die  er  sich  Anfang Juli stellte, können wir heute wirklich so überleben, mit einem eindeutigen Ja. Auch wenn   er  unterwegs öfter mal umplanen musste. Der Rucksack war viel zu schwer, der Rücken aufgescheuert, bald  hatte  er außer der Kameraausrüstung, seiner Wasserflasche  und dem Leinenbeutel, in dem er unterwegs Proviant einsammelte, und der  kleinen Plane  als  notdürftigem Schutz vor dem  größten Regen fast nichts mehr bei sich.

Auf dem Pilgerweg wollte er das „wilde Wissen", das  er sich  in  vielen Jahren  angeeignet hatte,  anwenden und gleichzeitig der Frage „are you native" nachgehen. Bin ich wirklich noch im Einklang und eins mit der Natur? Und wie  konnten  die   Menschen  in   der Steinzeit oder noch im  Mittelalter so lange Strecken bewältigen?

Die ersten 1500 Kilometer  zog Gärtner  das  auch durch, gekleidet wie  ein Steinzeitmensch  in   Fell   und  Leder übernachtete  er  im  Leinensack  im Wald. Ernährte  sich beim eins sein mit der Natur in erster Linie von  Wildkräutern, Mäusen oder Eidechsen. Später folgte dann die Phase,  die er  „Streetsurvival"  oder „Containering"  nennt, wo er  auch schon mal das aß,  was andere Leute eigentlich weggeworfen hatten. Auch wenn er  sich  daran wieder einmal den Magen verdorben hat.

 
Steinzeitpilger Heiko Gärtner ist eins mit der Natur

Steinzeitpilger Heiko Gärtner ist eins mit der Natur

 

Und als  er in  Spanien dann in  der Steppe angekommen war und die Nahrungsquellen rar wurden, war er dankbar, dass er die  paar Euro, die  ihm unterwegs  wohlmeinende  Menschen zugesteckt  hatten,  nicht  angepackt hatte. Da gab's  dann schon mal  eine Cola  und  ein  paar  Kekse  aus dem Supermarkt.   „Und   prompt   schlug wegen der Industrienahrung mein Pendel  komplett  um,  nach  den vielen gesunden Dingen, die ich vorher gegessen hatte, hatte ich nun plötzlich überhaupt  keine Energie mehr". Das   ist nur  ein Fazit, das  Gärtner zieht: Wurzeln vom  Wegesrand sind allemal besser als „diese Schundnahrung".

Die  erhoffte Spiritualität fand er auch -  allerdings nur bis zur Grenze Spaniens; hier war  es  vorbei mit der Ruhe, „ab da ist der Pilgerweg wie ein Volksfest". Eine Bemerkung zu  Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin  dann mal weg" kann sich Gärtner nicht verkneifen: „Von  dem, was er da  erzählt, habe ich  nichts, aber auch gar nichts gesehen".   Die Bedeutung von eins sein mit der Natur, wurde in dem Film wohl etwas missverstanden.

Info: Mehr über die Tour  auf www.heiko-gaertner.de

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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