Eins mit der Natur: Heikos Weg nach Santiago
Eins mit der Natur: Heikos Weg nach Santiago
Genau nach 100 Tagen ist der Wildnispädagoge am Sonntag wieder aus Spanien zurückgekehrt
Von JÜRGEN DENNERLOHR
Ja, es hat sie gegeben, die Momente, in denen Heiko Gärtner ans Aufhören dachte. Doch immer wieder konnte er sich motivieren, ist weiter marschiert auf seinem Weg nach Santiago de Compostela. 2500 Kilometer „wie ein Steinzeitmensch" durch die Wildnis. Und er hat seinen Zeitplan eingehalten. Am Sonntagabend ist er wieder in Neumarkt angekommen. Genau 100 Tage nach seinem Abmarsch.
NEUMARKT - In Santiago war Heiko Gärtner nicht nur erschöpft, sondern auch nicht glücklich, angesichts der geballten Menschenmassen sogar frustriert nach seinem langen Weg im Einklang mit der Natur.
„Das wäre kein schöner Abschluss gewesen", erzählt er 32-Jährige, und marschierte noch die 60 Kilometer weiter bis ans Kap Finisterre an der Westküste Galiciens, ans „Ende der Welt". Die letzten Kilometer war seine Freundin Raphaela wieder zu ihm gestoßen. Nach 95 Tagen war er an der Küste angekommen, schürte ein Feuer, verbrannte die alten Klamotten, nahm ein Bad im Meer - und trampte dann „ganz gemütlich" in fünf Tagen zurück in die Oberpfalz.
Wo er sich am Sonntagabend eine ausgiebige Belohnung gönnte: Nicht nur zum Pizza essen ging es zum Italiener, vorher verdrückte Gärtner auch noch eine Portion Nudeln und hinterher ein Eis. Nachdem er sich über drei Monate lang von den Früchten des Waldes ernährt hatte.
Am 7. Juli war der ausgebildete Wildnislehrer guter Dinge, als er morgens um 7 Uhr zusammen mit seinem Freund Josef Bogner und dem Lastesel Alfredo loszog (wir berichteten). Doch schnell kamen die ersten Rückschläge. Alfredo streckte schon nach wenigen Dutzend Kilometern buchstäblich alle viere von sich, wurde von seinem Besitzer Rupert Beyer von den Staufer Eselfreunden abgeholt. Und an der Schweizer Grenze war auch für Josef Bogner Schluss, der auf dringendes anraten seines Arztes die Reise abbrechen musste.
Massive Probleme
Gärtner hatte sich fest vorgenommen, keinen Doktor aufzusuchen, sonst hätte der ihn wohl auch nach Hause geschickt. Als seine Füße völlig offen waren, zum Beispiel. Doch da half Wundklee, den Gärtner pflückte. In Spanien erwischte er dann verunreinigtes Wasser, hatte massive Magen-Darm-Probleme. Da blieb nur der Gang in die Apotheke, Mineraldrinks halfen ihm wieder auf die Beine.
„Doch eigentlich war es gar nicht so schlimm, wie ich es mir gedacht hatte", zieht Gärtner eine Bilanz seiner Strapazen mit dem eins sein in der Natur dsa. Und beantwortet die Frage, die er sich Anfang Juli stellte, können wir heute wirklich so überleben, mit einem eindeutigen Ja. Auch wenn er unterwegs öfter mal umplanen musste. Der Rucksack war viel zu schwer, der Rücken aufgescheuert, bald hatte er außer der Kameraausrüstung, seiner Wasserflasche und dem Leinenbeutel, in dem er unterwegs Proviant einsammelte, und der kleinen Plane als notdürftigem Schutz vor dem größten Regen fast nichts mehr bei sich.
Auf dem Pilgerweg wollte er das „wilde Wissen", das er sich in vielen Jahren angeeignet hatte, anwenden und gleichzeitig der Frage „are you native" nachgehen. Bin ich wirklich noch im Einklang und eins mit der Natur? Und wie konnten die Menschen in der Steinzeit oder noch im Mittelalter so lange Strecken bewältigen?
Die ersten 1500 Kilometer zog Gärtner das auch durch, gekleidet wie ein Steinzeitmensch in Fell und Leder übernachtete er im Leinensack im Wald. Ernährte sich beim eins sein mit der Natur in erster Linie von Wildkräutern, Mäusen oder Eidechsen. Später folgte dann die Phase, die er „Streetsurvival" oder „Containering" nennt, wo er auch schon mal das aß, was andere Leute eigentlich weggeworfen hatten. Auch wenn er sich daran wieder einmal den Magen verdorben hat.
Und als er in Spanien dann in der Steppe angekommen war und die Nahrungsquellen rar wurden, war er dankbar, dass er die paar Euro, die ihm unterwegs wohlmeinende Menschen zugesteckt hatten, nicht angepackt hatte. Da gab's dann schon mal eine Cola und ein paar Kekse aus dem Supermarkt. „Und prompt schlug wegen der Industrienahrung mein Pendel komplett um, nach den vielen gesunden Dingen, die ich vorher gegessen hatte, hatte ich nun plötzlich überhaupt keine Energie mehr". Das ist nur ein Fazit, das Gärtner zieht: Wurzeln vom Wegesrand sind allemal besser als „diese Schundnahrung".
Die erhoffte Spiritualität fand er auch - allerdings nur bis zur Grenze Spaniens; hier war es vorbei mit der Ruhe, „ab da ist der Pilgerweg wie ein Volksfest". Eine Bemerkung zu Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg" kann sich Gärtner nicht verkneifen: „Von dem, was er da erzählt, habe ich nichts, aber auch gar nichts gesehen". Die Bedeutung von eins sein mit der Natur, wurde in dem Film wohl etwas missverstanden.
Info: Mehr über die Tour auf www.heiko-gaertner.de