Orientierung: Die 5 häufigsten Irrtümer, die dir das Leben kosten können
5 Irrtümer über Orientierung
Wer in Wald und Wildnis unterwegs sein will, der muss sich früher oder später mit dem Thema Orientierung beschäftigen. Denn selbst in relativ kleinen Wäldern wie wir sie in Deutschland finden, kann es leicht passieren, dass man sich verläuft und irgendwann nicht mehr weiß, wie man den Weg zurück nach Hause findet.
Noch wichtiger wird es natürlich, wenn man in Ländern unterwegs ist, in denen es noch richtige Urwaldflächen gibt, die noch nicht vom Menschen zerstört oder kultiviert wurden. In Kanada gibt es Gebiete, die drei bis viermal so groß sind, wie Deutschland und in denen kein einziger Mensch lebt. Wer hier die Orientierung verliert und nicht weiß, wie er sich in der Wildnis zurechtfindet, hat kaum eine Überlebenschance.
Das Gefährliche im Zusammenhang mit Orientierung ist jedoch, dass die meisten von uns kaum wirklich etwas davon verstehen, aber eine Menge Halbwissen besitzen. Es gibt eine Reihe von Legenden, Irrtümern und Falschannahmen, die sich seit langer Zeit in unseren Köpfen halten und an die wir uns in einer Notsituation gerne erinnern, weil wir sie irgendwo aufgeschnappt haben. Wenn wir ihnen dann glauben und uns auf sie verlassen, kann dies dazu führen, dass wir uns so sehr verlaufen, dass wir am Ende nicht einmal mehr wissen, wo oben und unten ist. Darum wollen wir hier nun einmal mit den wichtigsten und bekanntesten Irrtümern über Orientierung aufräumen.
1. Die moosbewachsene Seite der Bäume zeigt immer nach Norden
Dies ist wahrscheinlich der beliebteste und berühmteste Irrglaube zum Thema situative Orientierung. Wenn man sich im Wald verlaufen hat, ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, wo welche Himmelsrichtung ist. Wenn man dies weiß kann man sich zumindest schon einmal einen groben Überblick verschaffen, in welche Richtung man gehen muss und in welche nicht. Doch wie erfährt man, wo welche Himmelsrichtung liegt, wenn man keinen Kompass hat?
Den meisten Menschen kommt hier als einer der ersten Gedanken das Moos auf den Baumstämmen in den Sinn. Die Theorie klingt einleuchtend. Die Sonne wandert von Osten nach Westen und steht auf der Nordhalbkugel niemals im Norden. Die Nordseite der Bäume ist also immer im Schatten und bietet damit die idealen Bedingungen für eine Moos Bewachsung. Denn Moos liebt es ja bekanntlich kühl und feucht. Die Theorie hat jedoch einen entscheidenden Haken. Das Wachstum von Moos auf einem Baumstamm hängt von unglaublich vielen Faktoren ab. Es gibt schattige, feuchte Täler, in denen die Bäume auf allen Seiten von oben bis unten komplett bemoost sind. An anderen Stellen kommt Moos auf den Bäumen überhaupt nicht vor. Die Feuchtigkeit, die das Moos zum Wachsen braucht, hängt zudem nicht nur von der Abwesenheit von Sonne ab, sondern viel mehr von der Hauptwindrichtung und der Luftfeuchtigkeit.
Wenn in einer Region fast immer ein starker Westwind weht, der viel Feuchtigkeit mit sich bringt, dann wird sich das Moos vor allem an der Westseite der Bäume bilden. Vorausgesetzt natürlich, der Wind kann immer frei von Westen her wehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ihr euch auf einer offenen Freifläche befindet. Im Inneren eines Waldes jedoch, wird der Wind von den Bäumen und dem Unterholz umgeleitet und kommt teilweise von ganz anderen Seiten als erwartet. Wenn nun auch noch ein Bachlauf oder ein See in der Nähe ist, der Feuchtigkeit abgibt, dann habt ihr so viele Faktoren beieinander, dass ihr euch an gar nichts mehr halten könnt. Die Theorie von der Orientierung anhand der bemoosten Baumstämme klingt verlockend, aber praktisch weist dieses Moos überall und nirgendwo hin.
2. Ameisen bauen ihre Hügel immer südlich der Bäume
Hier gilt ein ähnlicher Fall wie bei den moosbewachsenen Baumstämmen, nur das diese Theorie nicht ganz so viel Bekanntheit erlangt hat. Wahrscheinlich deswegen, weil Ameisenhügel weit seltener vorkommen als moosbewachsene Baumstämme. Tatsächlich gibt es auch hier einen wahren Kern. Ameisen mögen als Baugrund für ihren Hügel einen warmen und sonnigen aber dennoch geschützten Platz. Wenn sie die Gelegenheit haben, dann bauen sie ihren Hügel daher wirklich an die Südseite eines Baumes. Sie lieben aber auch erdmagnetische Gitterpunkte, ganz ähnlich wie Katzen.
Die magnetische Kraft unseres Planeten ist nicht überall gleich, sondern verläuft in bestimmten Bahnen, ähnlich wie in einem Gitternetz. Im Feng Shui wird viel mit diesen Bahnen gearbeitet, weil wir Menschen auf den entsprechenden Gitterpunkten nur sehr schlecht schlafen können. Ganz anders als Katzen und Ameisen. Wenn du einen Ameisenhaufen im Wald siehst, dann kann es durchaus sein, dass die kleinen Baumeister dieses Platz wegen der Sonne ausgewählt haben.
Genauso gut kann aber auch die energetische Beschaffenheit des Ortes der Grund dafür gewesen sein, was bedeutet, dass ihr euch nicht darauf verlassen könnt. Außerdem habt ihr das Problem, dass es in einem Wald naturgemäß viele Schattenspender gibt. Der südlichste Punkt vor einem Baumstamm muss also nicht immer der sonnigste sein und so weichen die Ameisen auch schon einmal nach links oder rechts aus, um ihrem Stamm die beste Behausung zu erschaffen. In einem dichten Wald kommt zudem noch ein weiterer Faktor hinzu, der das Orientieren anhand der Ameisenhaufen vollkommen unmöglich macht. Die Bäume stehen teilweise so dicht beieinander, dass die Ameisenhügel den kompletten Platz zwischen ihnen ausfüllen. Wie wollt ihr nun also feststellen, welchen Baum sie meinten, als sie sich für den südlichen Platz entschieden haben? Wenn sie sich überhaupt dafür entschieden haben.
3. Die Sonne geht im Osten auf und im Westen unter
Jedes Kind weiß, dass die Sonne im Osten auf und im Westen untergeht, wie kommen wir also darauf, dass dies ein Irrtum sein sollte? Ganz einfach, der Fehler liegt hier im Detail. Die Sonne geht natürlich wirklich ungefähr im Osten auf und ungefähr im Westen unter. Doch eben nur ungefähr, und zwar abhängig davon wann und wo man gerade ist. Als wir Menschen unsere Tage in 24 Stunden aufgeteilt haben, haben wir das nicht einfach so aus dem Blauen heraus gemacht. Wir hatten ein Konzept dahinter. Dieses Konzept orientiert sich an der Sonne. Um 12:00 Uhr Mittags befindet sich die Sonne auf der Nordhalbkugel an ihrem südlichsten Punkt, also genau an der Stell über dem Äquator, an dem auch wir uns befinden. Um 24:00 Uhr nachts befindet sie sich genau auf der gegenüberliegenden Seite unserer Erde. Dazwischen, also um 6:00 in der Früh und um 18:00 am Abend steht sie exakt im Osten, bzw. im Westen. Im Sommer geht die Sonne jedoch deutlich vor 6:00 Uhr in der Früh auf und auch erst weitaus später unter.
Im Winter hingegen erscheint sie später am Himmel und verschwindet früher. Für die räumliche Orientierung (Richtungssinn) bedeutet dies, dass sie im Sommer im Nordosten auf und im Nordwesten untergeht, während sie im Winter im Südosten über den Horizont tritt und im Südwesten wieder verschwindet. Lediglich im Herbst und im Frühling hält sie sich weitgehend genau an die Vorgaben mit dem Osten und dem Westen. Zu allen anderen Zeiten ist ein Blick auf die Uhr nötig, um zu erkennen, wo sie sich gerade befindet. Wichtig dabei ist jedoch, dass sich nur die Winterzeit an der Sonne orientiert. Zur Sommerzeit musst du die künstlich hinzugefügte Stunde wieder abziehen.
Eine kleine Orientierungsstörung kann euch durchaus beeinträchtigen, sodass ihr Schwierigkeiten bei jeglicher Orientierung haben werdet. Aber wann kann eine Störung der Sinne vorliegen? Als Orientierungsstörung wird im medizinischen Bereich eine vorübergehende oder dauerhafte Beeinträchtigung des Erkennens und des Verstehens der momentanen Lebens- und Ereignissituation bezeichnet. Als Ursachen kommen beispielsweise mentale Überbelastungen wie Stress, Angst oder ähnliches in Frage kommen.
4. Ich muss einfach nur immer geradeaus gehen, dann komme ich früher oder später an eine Straße
Wenn ihr euch in einem relativ kleinen Waldgebiet befindet, dann mag die Idee nicht allzu schlecht erscheinen. In unseren Wäldern gibt es immer wieder Straßen und Forstwege. Wenn wir also lange genug geradeaus laufen, dann stoßen wir früher oder später auf einen Weg, der uns wieder aus dem Wald ins Freie führt. Doch auch hierbei gibt es einen entscheidenden Haken. Jeder Mensch hat ein dominantes Bein. Das bedeutet, dass wir mit unseren Beinen nicht gleich stark auftreten. Ein Bein ist unser Antriebsbein, mit dem wir die meiste Kraft übertragen. Das andere ist dementsprechend schwächer.
Wenn wir eine Straße entlang laufen und uns mit Hilfe der Augen permanent anhand von Leitlinien orientieren können, dann fällt uns dies nicht weiter auf. Laufen wir jedoch durch ein Gelände, in dem uns diese Leitlinien fehlen, dann beschreiten wir aufgrund der Ungleichheit unserer Schritte völlig unbemerkt einen Kreis. Ihr könnt das leicht einmal austesten, in dem ihr euch die Augen verbindet und versucht gerade über eine Wiese zu laufen. Schon nach wenigen Metern werdet ihr feststellen, dass ihr in einer Kurve geht, obwohl ihr davon überzeugt seid, immer gerade gelaufen zu sein. Das Gleiche passiert auch, wenn wir durch einen Wald laufen. Wir glauben, dass wir einer geraden Linie folgen, gehen jedoch in Wirklichkeit im Kreis. Dadurch kann bereits ein Waldgebiet von fünf Quadratkilometern ausreichen, um nie wieder nach draußen zu finden, weil wir permanent im Kreis laufen.
Um das zu verhindern braucht ihr eine Leitlinie, die ähnlich funktioniert wie die Bordsteinkante oder die Straßenmarkierung, die uns in der Stadt hilft, weiter auf einer geraden Linie zu bleiben. Da Wälder für gewöhnlich keine solchen Linien haben, müsst ihr euch eine in Gedanken erzeugen. Dazu nehmt ihr euch am besten drei Bäume, die in einer Linie hintereinanderstehen. Wenn ihr den ersten von ihnen erreicht habt, nutzt ihr die anderen beiden um euch einen neuen dritten zu suchen. Auf diese Weise gelingt es euch, wirklich geradeaus zu laufen, ohne euch selbst an der Nase herumzuführen.
5. Wenn ich ein GPS-Gerät dabei habe, kann ich mich nicht verlaufen
Der vielleicht größte Irrglaube zum Thema Orientierung ist jedoch die Annahme, dass wir sie eigentlich überhaupt nicht mehr brauchen, weil es ja inzwischen lauter technische Hilfsmittel gibt, die uns die Arbeit abnehmen. Navigations- und GPS-Geräte sind ohne jeden Zweifel nützliche und hilfreiche Erfindungen, doch sie können uns im Ernstfall auch leicht den Kopf kosten, wenn wir uns ausschließlich auf sie verlassen. Damit sie funktionieren können, benötigen sie zwei Dinge: Strom und ein Satellitensignal. Beides ist jedoch nicht zuverlässig immer vorhanden. Die Akkulaufzeiten sind häufig verhältnismäßig kurz und wenn man nicht aufpasst, dann reicht eine kleine Unvorhergesehenheit, die dazu führt, dass sich der Zeitplan verlängert und schon steht man mitten im Nirgendwo ohne eine Idee, wo man ist, wo man hinwill oder wie man sich ohne technische Hilfe orientiert.
Noch unberechenbarer ist jedoch der Empfang eines Signals. Häufig reichen bereits halbwegs dichte Baumkronen, um die Verbindung mit den Satelliten zu schwächen oder vollkommen abzuschirmen, sodass auch das Gerät selbst schnell die Orientierung verloren hat. GPS-Geräte bekommen also gerade dann die größten Schwierigkeiten mit ihrer Zuverlässigkeit, wenn man sie am meisten benötigt, denn gerade in dichten, undurchdringlichen Wäldern ist man auf ihre Hilfe besonders angewiesen. Hinzu kommt, dass sie wie alle anderen technischen Geräte nicht frei von Störungen und Ausfällen sind. Vor allem bei längeren Expeditionen kann es also passieren, dass ein einwandfrei funktionierendes Gerät plötzlich nicht mehr funktioniert. Wenn man sich ausschließlich darauf verlässt, dann kann dies tödlich enden. Technische Hilfsmittel wie GPS-Geräte können also stets nur ein Zusatz sein, niemals aber der einzige Weg, mit dem eine Orientierung wie im Ursprung möglich ist. Wenn ihr also ein solches Gerät besitzt und ihr euch auf eine Expedition in die Wildnis begebt, werdet ihr um das Lernen von Orientierung ohne Hilfsmittel trotzdem nicht herumkommen.