Überleben in der Natur ist sein Beruf

von Shania Tolinka
12.09.2013 20:42 Uhr

Überleben in der Natur ist sein Beruf

 

SERIE Unterwegs mit Survival-Trainer Tobias Krüger: Tote Mäuse und Baumrinde zum Abendessen sind für ihn kein Problem. Im Wald fühlt er sich heimisch.

 

VON PHILIPP SEITZ, MZ

 

SINDLBACH. Tobias Krüger lächelt  zufrieden,   als  er  flink   einen   kleinen Wurm  mit  Daumen  und Zeigefinger von  einem   Baumrindenstück  zupft. „Abendessen", sagt er und hält das sich noch  windende  Kriechtier  vor seinen Mund. “Schmeckt ein wenig cremig“, berichtet  er kauend  und  dabei schelmisch  grinsend.  Krüger  ernährt sich von Würmern und Käfern, toten Mäusen und  verzichtet  auf sämtliche  Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation. Der 28-jährige Kulturpädagoge sitzt entspannt auf den mit trockenem Laub und kleinen Ästen bedeckten Waldboden.  Seine löchrige  graue, leicht mit einer braunen Erdreste-Spur bedeckte Jeans zeigt, dass es beim Überleben in der Natur und im Wald keinen Schönheitswettbewerb zu gewinnen gibt. Sieben Tage lang zählt für Tobias Krüger und  seine sechsköpfige  Seminargruppe, deren  Leiter er ist, nur  eines: überleben.

In den  Wäldern  unweit  von  Neumarkt möchten sie erfahren, wie es ist, in der Natur  ganz auf sich alleine gestellt zu sein. „Das ist schon  ein  Extremkurs",  erzählt  Krüger, der es sich zum Beruf gemacht hat, im Kampf gegen die Naturgewalten zu bestehen. „Es geht  mir  darum,  die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren, wie wir früher gelebt haben und wie sich unser Leben gewandelt hat."  
Den Teilnehmern die Ängste nehmen

Den Teilnehmern die Ängste nehmen

 

Den Teilnehmern Ängste nehmen

Die Spielregeln und die Ausrüstung für das Überleben in der Natur und im Survival-Camp sind klar gesteckt: Kein Strom, kein Feuerzeug, keine technischen Hilfsmittel, kein Hotel zum Übernachten - und auch kein Toilettenpapier. „Die meisten  glauben  mir  das nicht,  aber Moos ist sogar noch  besser und  weicher als Klopapier", versichert  der Seminarleiter und  lacht.  Nicht  einmal Regenjacken durften die Teilnehmer zum Survival-Camp mitnehmen: „Ich möchte,  dass meine Gruppe  ununterbrochen  den Wettereinflüssen ausgesetzt ist. Regen, Wind, Kälte - das sind alles Faktoren, von denen die Teilnehmer wahnsinnig viel über  sich selbst erfahren", betont Krüger. „Diese extreme  Naturerfahrung soll  der  Gruppe auch  Ängste nehmen."

Ein  weiteres Ziel:  feinfühliger für  die Zeichen  der Natur zu werden.

Während Krüger von seinen Seminarzielen  berichtet,  ist Riccardo Süßer schon  dabei,  seine  nächtliche Bleibe für das Überleben in der Natur vorzubereiten. Mit einem  breiten  Ast in der rechten Hand häuft der Geschäftsführer eines Leipziger Wellness- und Hotelservices  einen  großen Laubhaufen an. Für ihn ist es schon eine  echte Lebenserfahrung, seine  heimische Komfortzone zu verlassen, gibt Süßer mit breitem  Lächeln zu. „Andere machen Urlaub in der Karibik und wir  hier im  Wald.  Ich  freue  mich schon  richtig  auf ein schönes  heißes Bad, wenn  ich wieder  zu Hause  bin. Aber so ein Survival-Camp muss man einfach  mal  mitgemacht haben",  erklärt  er. Nach  dem  Camp  will  er in Leipzig abgespeckte Survival-Camps leiten, berichtet Süßer, während er weiterhin eifrig an  seinem  Laubhaufen arbeitet. „Da wird noch einiges an Laub gebraucht",  meint  Seminarleiter Krüger zwinkernd.

Knapp zehn Minuten später ist der Laubberg auf eineinhalb Meter Höhe und zwei Meter Breite angewachsen - die ideale Größe für ein  gemütliches Laubbett.  „Die Luftkammern des Haufens halten auch im Winter schön warm", weiß Krüger, der auch  schon  im  Dezember  bei deutlichen Minusgraden im Wald übernachtete. Seine aktuelle Gruppe  habe sich die Jahreszeit für ihr Natur-Erlebnis genau richtig ausgesucht: „Die Temperaturen sind  sehr angenehm und  es gibt genügend Trauben, Beeren und Kräuter, von denen man sich ernähren kann."

 
Tobias Krüger zeigt das Feuer machen zum Überleben in der Natur

Tobias Krüger zeigt das Feuer machen zum Überleben in der Natur

 

Mäuse und Käfer zum Abendessen

Zum „Wildnissalat", wie Krüger dieses Gericht nennt, sucht sich ein echter Überlebenskämpfer eine Fleisch-Beilage zur Survival Nahrung. An den  Verzehr  von  Käfern  und Würmern habe er sich schnell gewohnt, berichtet Sandro Iffert. „Eigentlich  wollte ich  nie  Käfer essen", räumt   der   37-jährige  Finanzberater ein.  Aber jetzt  fängt  er unter einem morschen Baumstamm ein kleines Krabbeltier.  Iffert  betrachtet den knapp   15  Millimeter   großen   Käfer kurz,  schiebt  sich  das Insekt  in  den Mund, kaut und verzieht  das Gesicht:

„Am Anfang  war  der  Käfer sehr  geschmacksneutral, dann bekam er aber eine ekelhafte  Note und brannte richtig auf der Zunge."

Line Kacprzak schaut zweifelnd zu ihrem Camp-Mitstreiter hinüber.  Bisher hat sie sich nur von Kräutern  und Früchten  ernährt,  einen  Käfer hat  sie noch  nicht  verspeist.  „Aber vielleicht ändert  sich  das ja noch",  schiebt  sie schnell hinterher. Zusammen  mit der 41-jährigen  Pädagogin  Tine  Ensewig, der ältesten Teilnehmerin der Gruppe, baut sie mit einem schweren Stein, Ästen und einem kleinen  Apfelstück als Köder eine Mausefalle. „Wenn uns eine Maus  in  die  Falle läuft,  wird  sie auch von uns gegessen. Diese Survival Nahrung schmeckt nicht  viel anders als Reh", betont  Survival-Trainer Krüger. Käfer hätten dagegen meist  einen  eher  nussigen  Geschmack mit einer holzigen Note, verrät er.

Der Seminarleiter stellt es den Teilnehmern für das Überleben in der Natur frei,  Mäuse,  Würmer oder Käfer zu essen: „Jeder darf selbst entscheiden, wie weit er gehen möchte." Aufgrund  der  wenigen  Alternativen, abgesehen von Früchten  und Beeren, entscheiden sich die meisten Seminarteilnehmer aber  schnell  dafür,  Holzwürmer,  Schnecken   und Heuschrecken  zu  verspeisen.  Eine Maus  läuft der Gruppe aber in dieser Nacht nicht mehr  in die Falle. Line Kacprzak  hat Glück: Ihr bleibt der Mäusebraten somit erst einmal erspart.

 
Vorbereiten eines Bohrbrettes zum Feuerbohren

Vorbereiten eines Bohrbrettes zum Feuerbohren

 

DER ZIVILISATION DEN RÜCKEN KEHREN

Survival-Trainer Tobias Krüger ist Kulturpädagoge und ein wahrer Naturbursche, der es sich zum Beruf gemacht, in der Wildnis zu überleben. Mit seinem Freund Heiko Gärtner bietet der 28-Jährige in ganz Deutschland Naturerlebnis-Seminare für das Überleben in der Wildnis an. Am besten informiert man sich vorab mit einem interessanten Wildnis oder Survival Buch, oder einer praktischen PDF, ob man sich solch ein Training zutrauen würde. Denn eines ist garantiert - es wird abenteuerlich.

Sieben Tage lang kehrte Krüger bei seinem jüngsten Überlebenstraining in den Wäldern rund um Neumarkt in der Oberpfalz der Zivilisation den Rücken. Die Teilnehmer stammen dabei aus den verschiedensten Berufsgruppen.

Das Seminar ist auch für den Überlebens-Spezialisten Krüger sehr kräftezehrend: „Zu oft kann man das im Jahr nicht machen", betont er. Der Körper müsse während des Camps mit einer auf rund 30 Prozent reduzierten Nahrungszuführung auskommen - eine anstrengende Erfahrung beim Überleben in der Natur.

Eine Weltreise ist das nächste Ziel von Krüger. Mit Heiko Gärtner, und ohne einen einzigen Cent in der Tasche, will er den Erdball bereisen und dabei verschiedene Naturvölker kennenlernen.

 
Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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