Überleben in der Natur ist sein Beruf
Überleben in der Natur ist sein Beruf
SERIE Unterwegs mit Survival-Trainer Tobias Krüger: Tote Mäuse und Baumrinde zum Abendessen sind für ihn kein Problem. Im Wald fühlt er sich heimisch.
VON PHILIPP SEITZ, MZ
SINDLBACH. Tobias Krüger lächelt zufrieden, als er flink einen kleinen Wurm mit Daumen und Zeigefinger von einem Baumrindenstück zupft. „Abendessen", sagt er und hält das sich noch windende Kriechtier vor seinen Mund. “Schmeckt ein wenig cremig“, berichtet er kauend und dabei schelmisch grinsend. Krüger ernährt sich von Würmern und Käfern, toten Mäusen und verzichtet auf sämtliche Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation. Der 28-jährige Kulturpädagoge sitzt entspannt auf den mit trockenem Laub und kleinen Ästen bedeckten Waldboden. Seine löchrige graue, leicht mit einer braunen Erdreste-Spur bedeckte Jeans zeigt, dass es beim Überleben in der Natur und im Wald keinen Schönheitswettbewerb zu gewinnen gibt. Sieben Tage lang zählt für Tobias Krüger und seine sechsköpfige Seminargruppe, deren Leiter er ist, nur eines: überleben.
In den Wäldern unweit von Neumarkt möchten sie erfahren, wie es ist, in der Natur ganz auf sich alleine gestellt zu sein. „Das ist schon ein Extremkurs", erzählt Krüger, der es sich zum Beruf gemacht hat, im Kampf gegen die Naturgewalten zu bestehen. „Es geht mir darum, die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren, wie wir früher gelebt haben und wie sich unser Leben gewandelt hat."Den Teilnehmern Ängste nehmen
Die Spielregeln und die Ausrüstung für das Überleben in der Natur und im Survival-Camp sind klar gesteckt: Kein Strom, kein Feuerzeug, keine technischen Hilfsmittel, kein Hotel zum Übernachten - und auch kein Toilettenpapier. „Die meisten glauben mir das nicht, aber Moos ist sogar noch besser und weicher als Klopapier", versichert der Seminarleiter und lacht. Nicht einmal Regenjacken durften die Teilnehmer zum Survival-Camp mitnehmen: „Ich möchte, dass meine Gruppe ununterbrochen den Wettereinflüssen ausgesetzt ist. Regen, Wind, Kälte - das sind alles Faktoren, von denen die Teilnehmer wahnsinnig viel über sich selbst erfahren", betont Krüger. „Diese extreme Naturerfahrung soll der Gruppe auch Ängste nehmen."
Ein weiteres Ziel: feinfühliger für die Zeichen der Natur zu werden.Während Krüger von seinen Seminarzielen berichtet, ist Riccardo Süßer schon dabei, seine nächtliche Bleibe für das Überleben in der Natur vorzubereiten. Mit einem breiten Ast in der rechten Hand häuft der Geschäftsführer eines Leipziger Wellness- und Hotelservices einen großen Laubhaufen an. Für ihn ist es schon eine echte Lebenserfahrung, seine heimische Komfortzone zu verlassen, gibt Süßer mit breitem Lächeln zu. „Andere machen Urlaub in der Karibik und wir hier im Wald. Ich freue mich schon richtig auf ein schönes heißes Bad, wenn ich wieder zu Hause bin. Aber so ein Survival-Camp muss man einfach mal mitgemacht haben", erklärt er. Nach dem Camp will er in Leipzig abgespeckte Survival-Camps leiten, berichtet Süßer, während er weiterhin eifrig an seinem Laubhaufen arbeitet. „Da wird noch einiges an Laub gebraucht", meint Seminarleiter Krüger zwinkernd.
Knapp zehn Minuten später ist der Laubberg auf eineinhalb Meter Höhe und zwei Meter Breite angewachsen - die ideale Größe für ein gemütliches Laubbett. „Die Luftkammern des Haufens halten auch im Winter schön warm", weiß Krüger, der auch schon im Dezember bei deutlichen Minusgraden im Wald übernachtete. Seine aktuelle Gruppe habe sich die Jahreszeit für ihr Natur-Erlebnis genau richtig ausgesucht: „Die Temperaturen sind sehr angenehm und es gibt genügend Trauben, Beeren und Kräuter, von denen man sich ernähren kann."
Mäuse und Käfer zum Abendessen
Zum „Wildnissalat", wie Krüger dieses Gericht nennt, sucht sich ein echter Überlebenskämpfer eine Fleisch-Beilage zur Survival Nahrung. An den Verzehr von Käfern und Würmern habe er sich schnell gewohnt, berichtet Sandro Iffert. „Eigentlich wollte ich nie Käfer essen", räumt der 37-jährige Finanzberater ein. Aber jetzt fängt er unter einem morschen Baumstamm ein kleines Krabbeltier. Iffert betrachtet den knapp 15 Millimeter großen Käfer kurz, schiebt sich das Insekt in den Mund, kaut und verzieht das Gesicht:
„Am Anfang war der Käfer sehr geschmacksneutral, dann bekam er aber eine ekelhafte Note und brannte richtig auf der Zunge."
Line Kacprzak schaut zweifelnd zu ihrem Camp-Mitstreiter hinüber. Bisher hat sie sich nur von Kräutern und Früchten ernährt, einen Käfer hat sie noch nicht verspeist. „Aber vielleicht ändert sich das ja noch", schiebt sie schnell hinterher. Zusammen mit der 41-jährigen Pädagogin Tine Ensewig, der ältesten Teilnehmerin der Gruppe, baut sie mit einem schweren Stein, Ästen und einem kleinen Apfelstück als Köder eine Mausefalle. „Wenn uns eine Maus in die Falle läuft, wird sie auch von uns gegessen. Diese Survival Nahrung schmeckt nicht viel anders als Reh", betont Survival-Trainer Krüger. Käfer hätten dagegen meist einen eher nussigen Geschmack mit einer holzigen Note, verrät er.
Der Seminarleiter stellt es den Teilnehmern für das Überleben in der Natur frei, Mäuse, Würmer oder Käfer zu essen: „Jeder darf selbst entscheiden, wie weit er gehen möchte." Aufgrund der wenigen Alternativen, abgesehen von Früchten und Beeren, entscheiden sich die meisten Seminarteilnehmer aber schnell dafür, Holzwürmer, Schnecken und Heuschrecken zu verspeisen. Eine Maus läuft der Gruppe aber in dieser Nacht nicht mehr in die Falle. Line Kacprzak hat Glück: Ihr bleibt der Mäusebraten somit erst einmal erspart.
DER ZIVILISATION DEN RÜCKEN KEHREN
Survival-Trainer Tobias Krüger ist Kulturpädagoge und ein wahrer Naturbursche, der es sich zum Beruf gemacht, in der Wildnis zu überleben. Mit seinem Freund Heiko Gärtner bietet der 28-Jährige in ganz Deutschland Naturerlebnis-Seminare für das Überleben in der Wildnis an. Am besten informiert man sich vorab mit einem interessanten Wildnis oder Survival Buch, oder einer praktischen PDF, ob man sich solch ein Training zutrauen würde. Denn eines ist garantiert - es wird abenteuerlich.
Sieben Tage lang kehrte Krüger bei seinem jüngsten Überlebenstraining in den Wäldern rund um Neumarkt in der Oberpfalz der Zivilisation den Rücken. Die Teilnehmer stammen dabei aus den verschiedensten Berufsgruppen.
Das Seminar ist auch für den Überlebens-Spezialisten Krüger sehr kräftezehrend: „Zu oft kann man das im Jahr nicht machen", betont er. Der Körper müsse während des Camps mit einer auf rund 30 Prozent reduzierten Nahrungszuführung auskommen - eine anstrengende Erfahrung beim Überleben in der Natur.
Eine Weltreise ist das nächste Ziel von Krüger. Mit Heiko Gärtner, und ohne einen einzigen Cent in der Tasche, will er den Erdball bereisen und dabei verschiedene Naturvölker kennenlernen.