Urban Survival: Überleben im Großstadtdschungel

von Shania Tolinka
22.03.2012 19:16 Uhr

Urban Survival: Überleben im Großstadtdschungel

   

Überleben in der Wildnis. Das ist die eigentliche Leidenschaft, von Heiko Gärtner (32), aus Neumarkt, und seinem Freund Tobias Krüger (26), aus Hannover. Sie haben beide schon hunderte Nächte in freier Natur verbracht, sind echte Outdoor und Urban Survival Fans. Egal ob 3000 km zu Fuß über den Jakobsweg, mit nichts als das, was die Natur einem bietet, oder Touren in Alaska, Kanada, und Island. Das Überleben in freier Natur, ist ihr Thema und ihre Spezialität.

Irgendwann fragten sie sich, wie überleben eigentlich Obdachlose in der Stadt? Wo finden sie Essen? Wo schlafen sie? Wie bestreiten sie ihren Lebensunterhalt? Wie die meisten Menschen hatten sie sich nie, über die Lebenssituation von Obdachlosen großartige Gedanken gemacht. Aber ihre Neugier war geweckt. Wie überleben Obdachlose im Großstadtdschungel? Was können wir von ihnen lernen? So entstand die Idee, zu einem faszinierenden Urban Survival Experiment.

 
Heiko Gärtner und Tobias Krüger bei ihrer Urban Survival Tour in Nürnberg

Heiko Gärtner und Tobias Krüger bei ihrer Urban Survival Tour in Nürnberg

 

Sie wollten sich Obdachlosen, mal auf eine andere Art nähern, als vielleicht in der Rolle, des hilfsbereiten Gutmenschen. Sie wollten ihnen auf Augenhöhe begegnen, mit ihnen sprechen, von ihren Erfahrungen profitieren, verstehen wie sie ihr Leben führen. Also entstand der Plan, 14 Tage wie Obdachlose, durch Deutschland zu ziehen und so zu leben wie sie. Sie wollten Interviews führen und möglichst viele Obdachlose kennen lernen, und ihre Lebenssituation verstehen.

Am 23. Januar begann ihre Tour in Neumarkt und führte unter anderem durch Nürnberg, Frankfurt, Köln, und Stuttgart. Sie endete am 5. Februar in der Bodensee Region. Die zu der Zeit herrschenden kalten Temperaturen, mit Nachts bis zu minus 21°C, taten auch einiges dazu den beiden einen realistischen Eindruck, vom Urban Survival Leben auf der Straße zu vermitteln. Die beiden verzichteten bewusst auf Schlafsäcke, und hatten nur mäßig geeignete Kleider und Turnschuhe. Aber Obdachlose kaufen ihre Klamotten ja auch nicht bei einem Outdoor Ausrüster, sondern versorgen sich meist, in örtlichen Kleiderkammern. In ihren Rucksäcken schleppten sie eine Film- und Fotoausrüstung mit sich herum, um ihre Erlebnisse, und Gespräche zu dokumentieren.

Sie machten Platte in der Fußgängerzone, im Parkhaus und ähnlichem. Sie lernten die Vor- und Nachteile eines Geldautomatenraums bei Banken kennen, legten ein besonderes Talent im Betteln an den Tag und machten auch sonst allerlei Erfahrungen. Auch Notschlafplätze haben sie getestet. In einem Wohnheim, einem Wohncontainer und auch bei uns in der Heilsarmee, fanden sie unter anderem Aufnahme. Vor dem Abenteuer “städtische Ämter“, schreckten sie auch nicht zurück. Es war eine wahre Odyssee, um einen kompetenten Ansprechpartner für Obdachlose zu finden. Heiko Gärtner sagte darüber  „Nach zwanzig Ämterbesuchen, waren wir fast genauso schlau wie vorher. Ein Amt ist wie ein Haus des Wahnsinns“! Eine Erfahrung, die echte Obdachlose öfter machen.

 
Selbstexperiment Obdachlosigkeit

Selbstexperiment Obdachlosigkeit

 

Sie sprachen auf ihrer Urban Survival Tour mit vielen Menschen. Mit Obdachlosen aus verschiedenen Szenen, wie Berbern, Punks, Straßenkindern, Stadtstreichern, Trinkern, Drogenabhängigen und Bewohnern aus Notunterkünften. Aber auch mit Streetworkern, Sozialarbeitern, der Polizei und mit einfachen Passanten. Sie merkten schnell, dass es ein zwar faszinierendes, aber auch ein mit sehr vielen Klischees behaftetes Thema ist. Ihr eigentliches Ziel, Überlebensstrategien von Obdachlosen zu erlernen, trat bald in den Hintergrund. Es wich dem Interesse, an den Geschichten der Obdachlosen und dem inneren Bedürfnis, aus einer neutralen Sichtweise, ihr Leben zu beleuchten und das vielleicht auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ich wurde auf die Beiden durch einen Zeitungsartikel, über ihr Experiment, aufmerksam. Die Beiden stellten jeden Tag einen Tagesbericht ins Internet. Ich ließ es mir natürlich nicht nehmen, ihre Erlebnisse, auch kritisch, zu kommentieren. Ich erhalte mittlerweile immer ein ungutes Gefühl, wenn “Normalos“ oder Journalisten, Obdachlose “spielen“. Das war ja in letzter Zeit öfter Mal in den Medien zu sehen. Ich habe den Eindruck, dass solche Berichte den Obdachlosen nicht helfen, sondern im Gegenteil, oft vorhandene Vorurteile noch verstärken. Außerdem könnte sich der ein oder andere fragen, ob überhaupt noch Obdachlose ohne Kamerateam unterwegs sind, da diese Art der Berichterstattung, schon inflationäre Züge hat. Das habe ich den Beiden auch direkt mitgeteilt und mich zuerst wenig wohlwollend zu ihrer Tour geäußert. Aber ich bin halt auch nicht frei von Vorurteilen.

 
Obdachlosentour Highlights

Obdachlosentour Highlights

 

Die Beiden nahmen meine Bedenken ernst und haben mich ein paar Tage nach ihrer Rückkehr, hier bei uns in der Heilsarmee besucht. Wir haben uns mehrere Stunden unterhalten. Sie berichteten mir von ihren Erlebnissen und Eindrücken und ich ließ sie an meiner Erfahrung, von 20 Jahren, in der Obdach- und Wohnungslosenszene teilhaben. Heiko Gärtner und Tobias Krüger sind wirklich keine “Normalos“, oder Journalisten. Sie sind echte Naturburschen. Sehr sympathisch und reflektiert. Ich habe mich davon überzeugen können, dass ihnen dieses Thema sehr am Herzen liegt und beide in den 14 Tagen viele Erfahrungen gemacht haben, die ich auch auf der Straße erlebt habe.

Viele Gespräche die sie führten, haben sie mit der Kamera aufgezeichnet. Sie wollen daraus einen Urban Survival Dokumentarfilm machen. Einfach nur die Interviews zeigen, ohne jeden Kommentar. Ich finde das eine sehr gute Idee und hoffe, dass sich ein Sender dafür begeistern lässt. Aber es ist natürlich schwierig, jemanden für ein solches Filmprojekt zu interessieren. Die Sender haben da immer eine gewisse reißerische Vorstellung, bei Filmen über Obdachlose. Und die Wahrheit sieht halt manchmal anders aus, als man es der Öffentlichkeit vermitteln möchte. Ich wünsch den Beiden jedenfalls viel Glück für ihr Filmprojekt, das ich persönlich für sehr sehenswert halte. Und das nicht nur weil ich auch ein Interview gegeben habe.

 
Nachtlager für Obdachlose unter einer Brücke

Nachtlager für Obdachlose unter einer Brücke

 

Interessantes zum Thema Urban Survival:

Die wichtige Urban-Survival Ausrüstung. Was braucht man fürs Überleben in urbanen Gebieten. Die Ausrüstung beim Urban-Survival ist recht ähnlich wie beim Bug Out Bag oder bei einem bescheiden gepackten Fluchtrucksack. Was den Survival Rucksack aus dem Shop fürs Urban-Survival jedoch von einem einfachen Fluchtrucksack oder von einem 72-Stunden Überlebens-Kit unterscheidet? Es ist die Tatsache, dass die Ausrüstung beim Urban-Survival unter Umständen nicht nur für 3 Tage ausreichen muss, sondern über einen viel längeren Zeitraum.

Im Urban Survival Training beschäftigen wir uns mit häuslicher Krisenvorsorge und Verhalten im Katastrophenfall. Der Fokus unseres Trainings und den Tipps liegt hierbei auf den Möglichkeiten und Herausforderungen des Einzelnen, der Familie und kleinerer Gruppen im heimischen bzw. städtischen Umfeld. Grundlegende Vorsorgemaßnahmen und Überlebensstrategien werden Schritt für Schritt erarbeitet und im Verlauf des Trainings praktisch umgesetzt.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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