Dschungelcamp Fake: Warum die Kandidaten nicht überleben würden

von Shania Tolinka
24.01.2009 20:36 Uhr

Die Trickserei als Dschungelcamp Fake

   

FERNSEHEN Der Neumarkter Abenteurer Heiko Gärtner erklärt, warum die Kandidaten wahrscheinlich nicht einen Tag im australischen Busch überleben würden.

   

VON UDO METTERLEIN

 

NEUMARKT. Wer hätte das gedacht? Heiko Gärtner  hat die RTL-Show „Ich bin ein Star - holt mich hier raus" mit Begeisterung verfolgt, so oft er nur konnte. Dabei weiß der 29-jährige Neumarkter, dass im Prinzip alles nur Humbug  also ein Dschungelcamp Fake ist: „In der Realität würden die Kandidaten wahrscheinlich nicht einmal den ersten Tag  im australischen Busch überleben."

Der junge Mann weiß, wovon er spricht. Er ist Natur- und Wildnispädagoge, Jäger, absolvierte  eine Ausbildung zum Nationalparkranger und ist Berg- und  Höhlenretter bei der Bergwacht Frankenjura. Er erlernte von den Maoris, den Ureinwohnern seines Lieblingslands Neuseeland, eine rituelle Feuershow und ist noch nicht lange von einer Expedition in der Slowakei zurück, bei der er mit fünf Leuten die Fährten von Wölfen und Bären verfolgte, um möglichst nahe an diese Wildtiere heranzukommen.

 

Stockfisch als Survival Wildnahrung

 

Wir haben teilweise bei minus 26 Grad im Freien übernachtet",  erzählt er im Gespräch mit dem Neumarkter Tagblatt.  „Das krasse Gegenteil zu dem, was die Dschungel-Camp-Kandidaten zurzeit erleben", fügt er mit einem Lächeln an, in dem ein gewisser Sarkasmus  zu erkennen ist. Denn für Heiko Gärtner ist das ganze Spektakel im australischen Outback ein „Fake", wie man heute sagt, wenn man meint, dass etwas „getürkt" ist.

„Ich mag das, zu beobachten und quasi psychologisch zu analysieren, wie normale Leute in harmlosen Situationen   austicken", gibt Gärtner zu, der ein Eigenstudium im Bereich Heilpsychologie und Angstbewältigung betreibt und  demnächst ein Buch zu diesen Themen herausgeben wird.

Harmlose  Situationen? Nun denn. Kann man das so bezeichnen, wenn meist etwas von Eitelkeit behaftete  B- und  C- „Promis" in einem wildfremden, gefährlichem Territorium ausgesetzt werden?  „Das  mit der Gefahr kannst du vergessen", konstatiert Heiko. „Es handelt  sich mit Sicherheit um ein abgesperrtes  Gelände, in dem das Camp  steht. Schließlich wird die Dschungel-Show nicht nur in Deutschland übertragen, sondern erfreut sich auch in vielen anderen  Ländern großer Beliebtheit.

 
Ist das Dschungelcamp Fake? In der Natur können auch Gefahren lauern.

Ist das Dschungelcamp Fake? In der Natur können auch Gefahren lauern.

 

Jeder weiß,  dass Australien das Land mit den meisten tödlichen Tieren der Welt ist, dennoch sieht man im Fernsehen nie etwas krabbeln oder kriechen". Dass vor dem Einzug der „Promis" alles „ausgespritzt" - also mit der chemischen Keule behandelt wurde  - davon ist Gärtner überzeugt.

„Schlangen wärmen sich gern unter Zelten, Skorpione und Spinnen verhalten  sich ähnlich,  aber bei den Camp-Bewohnern siehst du ja nicht einmal einen Mückenstich."

Für den Outdoor-Experten sehr verwunderlich, weil sich die „Schauspieler" sogar im Fokus der Kameras mit Deo einsprühen, sorgfältig schminken oder beim Waschen  Shampoo  benutzen. „Dadurch lockt man das Viehzeug ja eigentlich  erst  an.  Und  wir  reden hier nicht von harmlosen Mücken, sondern von echt peinigenden, aggressiven Moskitos." Aha. Aber wie macht man es richtig? „Waschbenzin oder Schlamm verwenden",  antwortet der polyglotte Neumarkter wie aus der Pistole geschossen und setzt die Kette seiner Beweisführung gleich fort.

Trotz vieler Scheinwerfer,  die notwendig  sind, um  die Szenerie auszuleuchten,  sei nie eine Motte oder ein Falter  auf dem Fernsehschirm zu erkennen gewesen. „Probier das beispielsweise im Sommer mal im Lengenbachtal aus",  rät Gärtner dem Zweifler, der grübelt,  ob es sein darf, dass man wirklich  so viel Chemie einsetzt,  um natürliche Verhältnisse  zu schönen.  Noch so ein Punkt: Die Darsteller  waschen  sich  stets  in  glasklarem Wasser und kommen immer  mit entrindetem Feuerholz daher.  „Und bei der Menge, die täglich benötigt wird, müssten  die Prominenten weit in den Dschungel vordringen, was Kollateralschäden in Höhe von annähernd  einhundert Prozent zur Folge hätte, weil sie sich verlaufen würden." Dann gibt es ja noch die ekelhaften Prüfungen, bei denen Camp-Bewohner mit dem Ehrgeiz, Dschungel-König zu werden,  beispielsweise  Krokodil-Augen oder Kakerlaken essen müssen, Cocktails aus Känguru-Penissen schlürfen,   in  Fisch-Innereien baden oder  Spinnen  über  ihr  Gesicht krabbeln lassen sollen. Diesbezüglich  zollt ihnen Gärtner sogar etwas Respekt:

 
Haltet immer mal wieder einen Moment inne um herauszufinden was real ist und was nicht

Haltet immer mal wieder einen Moment inne um herauszufinden was real ist und was nicht

 

„Es ist eine große Kunst, den Würgereiz zu unterdrücken", sagt er. Eine lebendige Kakerlake zu zerbeißen  und  dann  zu verschlucken, hält selbst er für eklig, also einer, der Holzwürmer  aus eigener Erfahrung  im Geschmack  als „nussig" bezeichnet.  „Die Cocktails sind mit Honig und Zucker gesüßt, die Insekten karamellisiert und  gebraten"  - da ist sich der Survival-Experte sehr sicher. Handelt es sich um Tierquälerei? Ein klares Jein.

 
notnahrung insekten

Insekten Notnahrung zum Überleben

„Es geht nicht um bedrohte Arten, es müsste nicht sein, aber bei uns wird so viel geschlachtet,  dass es heuchlerisch wäre, sich darüber zu mokieren." Von einer Sache ist Heiko Gärtner  allerdings  überzeugt:  „Der  heilige  Aspekt  der Jagd und die Demut vor der Mutter Erde wird mit Füßen getreten." Doch in einer Gesellschaft, die nur bespaßt und unterhalten werden will, sei das nicht weiter verwunderlich. Kann er dem ganzen Spektakel im Outback resümierend irgendetwas  Positives abgewinnen?  „Ja. So eine Art von Ehrgefühl  gegenüber der Natur zu entwickeln und auch  zufrieden zu sein, wenn man nicht  so viel hat,  ist vielleicht gerade für  Menschen,  die egozentrisch veranlagt sind, eine wichtige Erfahrung."

Gärtner muss seine Outdoor-Ausrüstung  schnüren.  Morgen geht es nach Masuren in Polen. Schwer erziehbare Jugendliche sollen beim Erforschen von Höhlen und Klettern wieder „Bodenhaftung" erfahren. Ohne Kameras, ungeschminkt, im Einklang mit der Natur. Eben so, wie es sein soll.

   

DAS IST DAS RTL-DSCHUNGEL-CAMP

  • Quotenhit: Mehr als sechs Millionen Zuschauer verfolgen die Sendung "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" auf dem Privatsender RTL.
  • Spielregeln: Zehn Promis fliegen in den australischen Dschungel, müssen sich dort ekeligen Prüfungen wie zum Beispiel dem tierischen Essen unterziehen und werden Tag und Nacht gefilmt. Die Zuschauer entscheiden per Telefonabstimmung mit Bild, wer nach Hause fliegt. Die Bild Zeitung spricht von einem Dschungelcamp Fake.
  • Drehort: RTL hält derweil den genauen Standort des Dschungelcamps geheim. Sicher ist, dass sich der Drehort auf einem Privatgelände in Australien befindet, dafür gibt es Beweise. Das Camp wird auch für andere internationale Fassungen der Dschungel-Show verwendet, etwa für die britische Ausgabe. Eine virtuelle Fahrt bei Google Earth zeigt euch den Weg ins RTL Dschungelcamp. Das Camp soll an der Ostküste Australiens an der Gold Coast liegen, rund 120 km südlich von Brisbane in der Nähe des kleinen Örtchens Murwillumbah. Es ist kein Fake Drehort wie zum Beispiel Tropical Island. Über Google Earth könnt ihr den Drehort des Dschungelcamps mit einer entsprechenden Suchanfrage ausfindig machen.
Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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