Pilgerziel Rothenburg ob der Tauber

von Franz Bujor
09.01.2014 03:05 Uhr
 

Was erwartet uns am Pilgerziel in Rothenburg ob der Tauber?

Heute sind wir nun genau eine Woche unterwegs, und gesund und munter am Pilgerziel in Rothenburg ob der Tauber angekommen. In dieser Woche haben wir bereits eine Vielzahl schöner Begegnungen und Momente erlebt, haben tolle Menschen kennengelernt, sind Rehen und einem Eisvogel auf dem Pilgerweg begegnet, haben jeden Tag genug zu Essen und zu Trinken bekommen und jede Nacht einen warmen, bequemen und trockenen Schlafplatz. Dafür bedanken wir uns bei allen, die dazu beigetragen haben!

Der Frühlingsanfang wurde bereits einstimmig beschlossen

Auch beim Wetter wollen wir uns nochmals ganz herzlich bedanken! Die Vögel, denen wir auf dem Weg begegnet sind, waren sich alle einig darin, dass dies nichts mehr mit Winter zu tun hat, sondern eindeutig ein Frühlingsanfang ist. Und wir waren heute so sehr mit ihnen einer Meinung, dass wir fast in ihr Zwitschern mit eingestimmt hätten. Unser Pilger Weg von Colmberg nach Rothenburg ob der Tauber war fast ununterbrochen sonnenbeschienen. Einige Male überlegten wir ernsthaft, ob wir nicht wirklich im T-Shirt laufen sollten, weil uns unsere Pullover einfach zu warm waren. Auch unsere Stimmung war heute zum ersten Mal fast durchgängig sonnig. Es stellt sich also wirklich die Frage, ob sich das Wetter hier beim Rothenburg pilgern an unsere Stimmung oder unsere Stimmung an das Wetter angleicht.

bushaltestelle

Wir fanden eine bequeme Bushaltestelle

Das Highlight des Vormittages erwartete uns in einer kleinen Ortschaft etwa 3 km hinter Colmberg. Dort gab es eine Bushaltestelle mit einem Sofa als Sitzbank. Sie stand genau so, dass sie von der Sonne beschienen wurde, der Wind aber durch das Haltestellenhäuschen nicht an sie herankam. Einen besseren Frühstücksplatz hätten wir uns kaum vorstellen können. Als Willkommensgeschenk lag dann auch noch eine Flasche Wasser mit Zitronen-Apfel-Aroma auf dem Sofa, das original verschlossen auf uns wartete. Gut gestärkt gehts weiter zum Pilgern nach Rothenburg ob der Tauber.

st jacobus

Heiko und St. Jacobus

Kurz vor Rothenburg trafen wir dann beim Pilgern auf zwei lustige Walkerinnen, die uns baten, in Santiago eine Kerze für sie mit anzuzünden. Für einen Moment hatten wir den Impuls, sie nach einem Schlafplatz zu fragen, aber dann kamen wir wieder darüber hinweg. Für heute hatten wir nämlich beschlossen, uns einen Schlafplatz über Couchsurfing zu suchen. Leider war das nicht so einfach wie gedacht, denn wir hatten erst gestern Abend eine Anfrage gestellt, auf die sich noch niemand gemeldet hatte. (In Zukunft sollten wir uns solche Pläne vielleicht ein bisschen langfristiger Überlegen.)

Also machten wir uns doch wieder auf die Suche nach dem Pfarramt. Obwohl das Pilgern in Rothenburg ein Knotenpunkt von verschiedenen Jakobswegen ist und wegen seiner schönen Altstadt ein beliebter Pilgerort, gibt es hier jedoch nicht die Möglichkeit im Gemeinde- oder Pfarrhaus zu schlafen. Stattdessen setzten die Damen vom Büro der evangelischen Gemeinde alle Hebel in Bewegung, um uns einen alternativen Schlafplatz aufzutreiben. Schließlich bekamen wir einen Zettel mit einer Adresse in die Hand gedrückt. Als wir kurze Zeit später an der Adresse in Rothenburg ankamen, wurden wir herzlich von einer Frau namens Lore und ihren beiden Kindern empfangen.

rothenburg kirche

Die Kirche von Rothenburg im nächtlichen Schein

Krass, hier leb ich, am schönen Pilgerziel in Rothenburg!

Da es keine Garage gab, wuchteten wir unsere Schwerlastpilgeranhänger durch den kleinen Flur ins Wohnzimmer, wo wir versuchten, sie so Platzsparend wie möglich hinzustellen. Als uns Lore das Bad und vor allem die Dusche zeigte, wurde uns klar, dass die Idee mit dem Im-T-Shirt-Laufen doch nicht so verkehrt gewesen wäre. Es war kein „falls ihr duschen möchtet, dann könnt ihr das hier tun“, sondern ein „jetzt duscht erstmal und dann können wir uns unterhalten.“ Wir nahmen den Hinweis mit dem Zaunpfahl ernst und beschlossen nicht nur uns, sondern auch gleich einmal unsere Kleidung zu waschen. Anschließend drehten wir noch eine kleine Runde und genossen das Rothenburg pilgern, um uns die wirklich wunderschöne Altstadt anzuschauen. Am Ende des Weges am Nachmittag hätten wir es uns nicht träumen lassen, dass wir heute irgendwann noch einen zusätzlichen Spaziergang machen wollen würden. Gelohnt hat es sich aber! Gerade im Dunkeln hat die Stadt eine ganz besondere Atmosphäre. Als Heiko gerade eine Nebengasse fotografierte, kam ein türkischer Mann auf ihn zu und fragte ihn, ob er sein Auto fotografiere. Heiko schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, ich mache ein Foto von der Gasse. Schau, wie schön sie ist!“ Als der Mann das Foto sah, erwiderte er: „Krass! Hier leb ich? Das ist ja echt schön! Ist mir noch nie so aufgefallen!“

Nach unserem Spaziergang am Pilgerziel in Rothenburg, saßen wir noch bis um 11:00 mit Lore zusammen und tauschten uns über Jakobswege, Reisen und Gott und die Welt aus. Lore war selbst schon viele Etappen auf dem Jakobsweg gegangen. Immer für eine Woche oder zehn Tage und immer gemeinsam mit einer Freundin. Und sie hatte bereits viele Pilger aus Europa bei sich aufgenommen, die alle ein bisschen von ihren Erlebnissen und Abenteuern in diesem Wohnzimmer zurückgelassen hatten.

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Franz neben der Pilgerstatue in Rothenburg

Viele eindrucksvolle Inspirationen findet ihr in den verschiedenen Jakobsweg Rothenburg-Speyer Etappen, worüber ihr mehr über den bekannten Jakobsweg Speyer und den beliebten Jakobsweg Nürnberg - Rothenburg erfahren könnt. Das Wiederentdecken der natürlichen Pilgerwege ist ein Phänomen unserer Zeit und wird euch ein besonderes Wohlgefühl schenken. Entschleunigung wie zum Beispiel das Pilgern an der Ostsee will wieder erlernt sein und erlebt werden. Gut ausgebaute Pilgerrouten in Deutschland machen es für euch einfach, den passenden Pilgerweg in Bayern zu finden.  

Spruch des Tages: Wandern gibt mehr Verstand, als hinterm Ofen sitzen.

Tagesetappe: 23 km

Gesamtstrecke: 153,87 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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