Wandern auf der Ruta de Don Quijote

von Shania Tolinka
19.09.2014 20:01 Uhr

Sohlen schmelzen in Don Quijotes Fußstapfen

Extremwanderer Heiko Gärtner und Tobias Krüger haben in acht Monaten beim Wandern auf der Ruta de Don Quijote 4800 Kilometer zurückgelegt

Von Nicolas Damm

NEUMARKT - Nachricht von den beiden Nomaden aus Neumarkt: Zu Jahresbeginn hatten sich Heiko Gärtner und Tobias Krüger auf den Weg gemacht, „um hinter die Kulissen des Offensichtlichen zu schauen und die Welt aus allen erdenklichen Perspektiven zu betrachten“. Zu Fuß und ohne eigenes Geld haben die Survival Experten bis dato 5000 Kilometer zurückgelegt. Momentan durchqueren sie Spanien von West nach Ost.

 
Pilgern an der Küste von Spanien

Pilgern an der Küste von Spanien

Wer die beiden kennt, wird es nicht für möglich halten: Heiko Gärtner und Tobias Krüger, sonst immer barfuß unterwegs, tragen im Sommer Schuhe. „Inzwischen schon die vierten. Bei dieser Hitze hier schmelzen uns die Sohlen unter den Füßen weg.“ Der 244. Tag ihrer Reise war der bisher heißeste. Bei 42 Grad wanderten die Neumarkter zwischen Windmühlen durch die Region Kastilien-La Mancha. Ja genau, durch eben jenen kargen Landstrich, der in die Weltliteratur eingegangen ist, in dem die Sonne das ritterliche Hirn des Don Quijote weich gekocht hat. „An manchen Stellen der Ruta de Don Quijote ist dort auch der Asphalt komplett geschmolzen.“

Blind auf die Zugspitze

Wildnislehrer, Extremjournalisten, Alltagsausbrecher. Das Duo hat in der Vergangenheit schon manche, bürgerlich gesprochen, „Verrücktheiten“ begangen (und die NN berichteten darüber): Zum Beispiel vollkommen blind die Zugspitze bestiegen oder im Winter wie Landstreicher gelebt.

Nun erleben sie ihr größtes Abenteuer. Fünf Jahre unterwegs, dorthin, wohin sie die Füße tragen. Bisher waren dies der Jakobsweg durch Frankreich und Spanien bis nach Santiago, dann weiter nach Portugal. Jetzt geht es quer durch die Ruta de Don Quijote, das Innere Spaniens – an Madrid vorbei und am Horizont grüßt schon (erstmals auf dem Trip) das Mittelmeer. „Dann wollen wir weiter nach Rom“, sagt Krüger. Rund 20 Kilometer gehen er und Gärtner am Tag. Ab dem frühen Nachmittag müssen sie sich nach einer Bleibe für die kommende Nacht umschauen. Und sind oft überwältigt von der Gastfreundschaft der Menschen, vor allem der Landbewohner: „Manche Dörfer haben uns regelrecht adoptiert“, erzählt Gärtner.

 
Auf der Ruta de Don Quijote

Auf der Ruta de Don Quijote

In den verschlafenen Nestern sind die Weltenbummler regelrecht eine Attraktion: „Die Leute schauen alle gebannt aus dem Fenster, wenn wir kommen. Einmal machten wir Rast auf dem Platz, und nach einer halben Stunde waren wir von allen Einwohnern umzingelt.“ Irgendwo findet sich immer ein Hinterzimmer, ein kleines Hotel, das sie umsonst herein lässt, oder einfach nur eine Matratze. Manchmal dürfen sie auch in einer Kirche übernachten. Und zu essen bekommen die Wanderer auch stets genug. Auf der Piste hingegen, da zwickt sie schon hin und wieder der Hunger.

In Frankreich sei die Gastfreundschaft fast noch größer gewesen, erinnert sich Heiko Gärtner. Allerdings wurde es dort bisweilen auch ungemütlich: In einem Frauenkloster, einem Nachtlager bei Limoges, wurden die beiden Globetrotter für Komplizen eines Einbrechers gehalten, der den Konvent kurz zuvor heimgesucht hatte. Mit Händen und Füßen machten sie Nonnen und Polizei klar, dass hier ein Irrtum vorliegt. Denn friedliebender kann ihre Mission auf der Ruta de Don Quijote kaum sein: Die Abenteurer sind auch Pilger und Fährtensucher nach einem gesunden Lebensstil und einem friedlicheren Zusammenleben. Sie gehen mit offenen Augen durch die Welt: Gerade die Formen des Wirtschaftens, die sie in den vergangenen acht Monaten gesehen und erlebt haben, „da kommt bei mir schon Sarkasmus auf“, meint Gärtner.

Don Quijote als Figur

Don Quijote als Figur

Putenfarmen mit 10 000 Tieren, die sich teilweise selbst auffressen; nonstop-bewässerte Melonen-Felder und Golfplätze in einer wüstenartigen Umgebung; Weizen mit einem hochgezüchteten Glutenanteil von 50 Prozent. „Wenn man sowas live sieht, ist das noch einmal etwas ganz was anderes als im Fernsehen oder in der Zeitung.“ Ein Tag, 100 Geschichten: Tobias Krüger und Heiko Gärtner könnten noch Stunden weiter erzählen. Ihr Online-Tagebuch würde schon jetzt einen dicken Wälzer füllen. Dabei sind sie ja eigentlich gerade erst losgezogen.

Wie einst Hannibal wollen sie nun von der Region Valencia aus, die Küste entlang nach Italien ziehen. Dann einmal den Stiefel runter und wieder hoch. „Danach durch die Balkanländer und nach Griechenland“, sagt Tobias Krüger. „Eigentlich wollten wir dann in die Türkei und nach Israel, was aber wegen der politischen Lage dort fraglich ist.“ Dann könnte ihr Weg nach Norden führen, vielleicht bis Skandinavien. Vielleicht geht die Reise aber auch ganz woanders hin. Tourtagebuch im Netz: www.heiko-gaertner.de

 

Auf den Spuren der Ruta de Don Quijote:

Eines der besten Romane aller Zeiten. Man übertreibt sicherlich nicht, dass Don Quijote de la Mancha eines der berühmtesten Bücher in der Literaturgeschichte ist. Das Werk, das die Abenteuer und Missgeschicke des fahrenden Ritters in La Mancha erzählt, wurde von Miguel de Cervantes im 17. Jahrhundert geschrieben. Es ist eine der meist übersetzten Geschichten der Welt. Diese Ära ist bekannt als das Goldene Zeitalter der spanischen Literatur. Heute, also 400 Jahre später, empfiehlt sich, auf den Spuren des „Ritters von der traurigen Gestalt“ zu wandeln, der Realität und Fiktion miteinander vermengte.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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