Tag 1011: Morgens wie ein Bettelmann, abends wie ein König

von Heiko Gärtner
07.10.2016 18:52 Uhr

25.09.2016

Heute war wohl der skurilste Tag seit langem! Es begann gleich in der Früh, mit dem wolh abstraktesten Atomkraftwerk der Welt. Es lag knapp zwei Kilometer hinter Zwendendorf und war ein sonderbarer Betonbau, der tatsächlich wieder einmal nicht besonders Vertrauenserweckend ausgesehen hat. Dass dieser Atommeiler dennoch den Beinamen "Das sicherste Atomkraftwerk der Welt" trägt, liegt an einem einfachen und praktischen Umstand. Er wurde nie in Betrieb genommen. In den siebziger Jahren wurde er von einem Österreichischen Energiekonzern als das erste Atomkraftwerk des Landes gebaut. Direkt nach seiner Fertigstellung kam der damalige österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky auf die glorreiche Idee, das Volk darüber entscheiden zu lassen, ob sie wirklich in die Kernenergie einsteigen wollten. Nicht weil er unbedingt an der Meinung seines Volkes interessiert war, sondern weil er sich zu 100% sicher war, dass die Mehrheit für das Kraftwerk stimmen würde. Auf diese Weise hätte er im Anschluss immer sagen können, dass die Menschen selbst die Atomenergie gewollt hatten. Er wäre also aus dem Schneider gewesen. Sein Vertrauen in die Beliebtheit der Atomkraft ging sogar so weit, dass er verkündete sein Amt nieder zu legen, falls die Abstimmung gegen das Kraftwerk ausgehen sollte.

Doch seine Zuversicht wurde enttäuscht. Mit einer Mehrheit von sage und schreibe einem ganzen Prozent gewannen die Atomgegner: 49,5% waren dafür, 50,5% waren dagegen. Bruno Kreisky war von diesem Ergebnis so dermaßen überrascht, dass er doch glatt vergaß, von seinem Amt zurückzutreten. Doch der Atomstrom-Stopp war beschlossene Sache. Das komplett fertiggestellte Kraftwerk, das umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro verschlungen hatte, wurde zur größten Investitionsruine Österreichs und zu einem Symbol dafür, dass dieses Land grundsätzlich die Finger vom Atomstrom lassen sollte. Heute ist das Kraftwer ein Schulungszentrum und ein Veranstaltungshaus, in dem unter anderem Katastrophen- und Reparaturübungen durchgeführt werden, die man in aktiven Kraftwerken aus naheliegenden Gründen nicht durchführen kann. Es diente außerdem lange Zeit als Ersatzteillager für baugleiche Kraftwerke in Deutschland, was praktisch war, da man hier den Atomstom nun natürlich von dort beziehen musste. Zwischenzeitig war wurden in den Gebäuden auch eine Hauptschule, eine Volksschule und eine Gendarmerieschule untergebracht. Heute finden hier unter anderem immer wieder verschiedene Großevents statt, wie beispielsweise die Verleihung des "Save the World Awards", bei dem es um Umwelt und Klimaschutz ging oder des "Tomorrow-Festifals" der Atomkraftgegner. Damit das Kraftwerk seinen ursrpünglichen Zweck aber trotzdem nicht ganz verfehlt, baute die EVN AG gemeinsam mit der technischen Universität Wien eine Solaranlage im Freigeländer, an der Fassade und auf das Dach des Gebäudes. Diese liefert nun immerhin laut eigenen Angaben rund 370.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Verglichen mit der Leistung die das Atomkraftwerk eigentlich bringen sollte, ist das zwar niedlich, aber es ist immerhin etwas.

Direkt neben dem Geisterkraftwerk befand sich eine kleine Radlerhütte, die mit dem ironisch, sarkastischen Werbeslogan "Das urig, gemütliche Gasthaus direkt am Atomkraftwerk" warb. Da wir noch nicht gefrühstückt hatten, fragten wir hier nach einer urig gemütlichen Essensspende und bekamen daraufhin zwei Wurstsemmeln. Ursprünglich wollte der Chef, dass wir als Ausgleich dafür in der Küche beim Kartoffelnschälen halfen, doch dann entschied er sich doch wieder dagegen und ließ die Arbeit von seinen Festangestellten übernehmen. Draußen auf der Terrasse wurden wir beim Wurstsemmel-Frühstück dann Zeuge eines ulkigen Schauspiels zwischen einem Stammgast und einer der Kellnerinnen. Die Kellnerin hatte einige Probleme damit, ihr Dirndl zuzuknöpfen und bat daher den Gast um Hilfe. Auch für ihn schien die Angelegenheit nicht leicht zu sein, denn der Umfang der Frau war deutlich größer als der Umfang des Dirndls. Der zweite Stammgast, der mit am Tisch saß war ein pensionierter Frauenarzt, der die ganze Angelegenheit humorvoll kommentierte. Die Ankleideaktion hatte zur Folge, dass zwischenzeitig beinahe vollständig die Brüste der Dame im Freien baumelten, was jedoch nicht dazu führte, dass einer der Männer sexuell angesprochen wurde. Dass hier keine Erotik mehr im Spiel war, darüber waren sich alle drei einig. Dafür aber gab es Gespött und Gelächter am laufenden Band. "Na eigentlich sollte er sie ja anziehen und nicht ausziehen!" meinte der Gynäkologe, "aber so wie´s ausschaut kriegt er beides nicht gscheit hi! Du taugst auch wirklich zu gar nichts! Aber na siegst, einen Knopf hast doch wieder zugbracht! Jetzt must du nur noch ordentlich massieren, die alten Glocken, das ist gut für die Flexibilität!" So ging es noch eine ganze Weile und alle drei hatten ihren Spaß damit. Der nächste Streckenabschnitt war erst einmal ein ganz normaler, nicht weiter spektakulärer aber netter und entspannter Teil des Donauweges. Wir hatten schon die Hoffnung, dass er nun so bleiben würde und dass wir den Stressigen Verkehrsteil hinter uns gelassen hatten. Doch wie sich später zeigen sollte entsprach dies nicht ganz den Tatsachen.

Gegen Mittag erhöhte sich der Betrieb auf dem Radweg um ein Vielfaches. Auffällig war dabei, dass die meisten Radler aus irgendeinem Grund gestresst waren und versuchten, den Weg so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Nicht einmal grüßen war für viele noch drin, sondern nur ein verbissenes Schnellradeln hin zu irgendeinem Ziel. Irgendwann bemerkten wir, dass sich diese Stresshaltung auch auf uns übertrug und dass wir nun ebenfalls deutlich schneller und hektischer gingen, als wir es gewohnt waren. Es war das gleiche Phänomen gewesen, dass wir früher auch auf dem Jakobsweg beobachtet hatten, nur hätten wir nicht gedacht, dass es auch mit Radfahrern funktionierte. Im Folgenden hatten wir einige sonderbare Begegnungen mit verschiedenen Leuten. Obwohl wir nun mit jedem auf Deutsch sprechen und uns daher wirklich verständigen konnten, entstand nie ein tieferes Gespräch. Die Kommunikation hielt sich genauso flach und oberflächlich, wie wir es von Italien gewöhnt waren. Hier in Österreich hätten wir dies jedoch nicht erwartet. Auch hätten wir gedacht, dass die allgemeine Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit deutlich höher wäre, als wir sie hier erfahren durften. Aber meist sprachen uns die Menschen nur an, um ein oder zwei Informationen in Erfahrung zu bringen und gingen dann wieder, ohne auch nur das geringste über sich selbst zu erzählen. Ein Mann, der uns von einer Bank aus ansprach, fuhr nach mehreren Sätzen einfach mitten im Gespräch davon, ohne sich richtig zu verabschieden. Dieses Verhalten hätten wir gut verstehen können, wenn wir das Gespräch begonnen hätten. Doch dass man selbst ein Gespräch begann und dann einfach mittendrin beendete, ohne dem anderen richtig zuzuhören wirkte schon etwas komisch. Wieder andere verwickelten uns in ein Gespräch, bis uns auffiel, dass einer meiner Reifen ein Loch hatte. Als sie dann merkten, dass nun Arbeit auf uns zukam und wir vielleicht Hilfe brauchen könnten, radelten sie schnell davon. Klar war uns dies Recht, da wir so nun in Ruhe den Reifen wechseln konnten, aber das wussten sie ja nicht.

Später in einem Dorf wurden wir dann von einigen Männern angesprochen, die wissen wollten, wohin wir unterwegs waren. Wir fragten sie daraufhin nach Schlafplatzideen und sie versicherten uns, dass dies in diesem Ort kein Problem sein dürfte, auch wenn sie keine konkreten Vorschläge hatten. Als wir sie dann nach erfolgloser Suche kurz darauf wieder trafen, wichen sie uns aus und konnten uns nicht einmal mehr ins Gesicht blicken. Doch wir hatten auch zwei Begegnungen, die wir als sehr angenehm und interessant empfanden. Bei der ersten kam uns ein vollbepackter Radler mit einem weißen Vollbart entgegen, der sich eine lustige aber praktische Konstruktion für den Sonnenschutz aus seinem Fahrradhelm gebaut hatte. Vorne hatte er ein abgeschnittenes Cappy in das Plastik eingeklemmt und hinten hatte er sich einen Nackenschutz aus Stoff eingearbeitet, der ein bisschen an Lawrence von Arabien erinnerte. Als wir aneinander vorbeikamen, war uns allen dreien sofort klar, dass wir anders waren als die meisten anderen Reisenden. Man spürte einfach, dass der andere ebenfalls länger unterwegs war und dabei eine Mission hatte. Gleichzeitig hielten wir an, blieben stehen und drehten uns um, so dass wir schauen konnten, ob der andere ebenfalls an einem Gespräch interessiert war. Der Mann stammte aus Toronto und radelte bereits seit vier Monaten kreuz und quer durch Europa. Sein Startpunkt war dabei in Barcelona gewesen und im Anschluss hatte er mehrere Wochen in Südfrankreich verbracht, weil das Wetter im Norden des Landes einfach zu bescheiden gewesen war. Doch genau hier lag der Grund seiner Reise. Sein Vater war vor vielen Jahren im zweiten Weltkrieg als Soldat nach Frankreich gekommen und hier auf einem Schlachtfeld gefallen. Nun wollte er den Ort besuchen und seinem Vater dabei die letzte Ehre erweisen. Er hatte noch gut zehn Tage Zeit, bis sein Flieger von Budapest zurück nach Kanada ging und in dieser Zeit wollte er an der Donau entlang in Richtung Ungarn fahren.

Die zweite außergewöhnliche Begegnung hatten wir am späten Nachmittag mit einer Gruppe Pakistani. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir außer je zwei Wurstsemmeln und zwei matschigen Bananen noch nichts gegessen und wir waren bereits kurz vorm Verhungern. Imbissbuden und Restaurants hatte es bislang so gut wie keine gegeben und wenn, dann waren sie so überfüllt, dass wir uns nicht einmal zu fragen trauten. Und dann, wie aus dem Nichts, tauchten vor uns die Männer aus Pakistan auf, die auf einer Wiese am Wegesrand einen Picknickplatz aufgebaut hatten. Sie lebten normalerweise über ganz Europa verteilt und hatten sich hier für eine kleine Feier getroffen. In der Mitte ihres Campingtisches stand ein riesiger Topf mit einem scharfen Curry-Reisgericht und sie selbst hatten ihr Mal bereits beendet. Hunderte von Radlern kamen an ihnen vorbei, denen sie allen keinerlei Beachtung schenkten. Als sie uns jedoch sahen, winkten sie uns freundlich heran und fragten, ob wir etwas essen wollten. Wir ließen uns natürlich nicht zweimal bitten und schon saßen wir mit je einem großen Teller vor der Nase am Tisch. Das Essen war großartig, vielleicht sogar das beste, das wir bisher im ganzen Land bekommen hatten und die Männer wollten nicht einmal ein Gespräch oder eine Information von uns. Sie freuten sich einfach darüber, dass uns das Essen schmeckte. Einer von ihnen lebte normalerweise in Mailand und sprach daher Italienisch. Es war das erste Mal, dass wir mit einem Menschen auf Italienisch sprachen, der unsere Aussprache und Gramatik korrigierte, weil er uns beim lernen der Sprache helfen wollte. Da waren wir also fast ein Jahr lang durch Italien gewandert und mussten trotzdem erst nach Österreich reisen und dort einen Mann aus Pakistan treffen, um die Sprache zu lernen! War das nicht paradox? Es war jedoch nicht paradoxer als der Umstand, dass wir erst eine Gruppe Pakistani treffen mussten, um in Österreich ein anständiges Essen zu bekommen. Spannend war auch, dass die Männer hier ähnlich wie wir eine subtile Abneigung der Einheimischen spürten. Es war nichts großes, aber es war doch eine unterschwellige Ausländerfeindlichkeit, die noch immer tief in den Menschen zu stecken schien. Ein Mann den wir einige Zeit später trafen brachte dies auf den Punkt, als er erst darüber wetterte, wie viele Lügen über die Flüchtlinge verbreitet würden und wie viel Angst und Engstirnigkeit in diesem Zusammenhang in der Bevölkerung vorherrschte, und dann im nächsten Satz über die Flüchtlinge selbst herzog, die ja bewusst ins Land kamen, um hier die Arbeitsplätze abzustauben.

Am frühen Nachmittag erreichten wir den Ort, an dem wir eigentlich hätten nächtigen wollen. Wie sich herausstellte, lag dieser jedoch direkt an eienr Autobahn und hatte zusätzlich auch nich keinen eigenen Pfarrer. Also zogen wir weiter und verlängerten unsere Wanderung dabei noch einmal um die gleiche Strecke. Doch es war wie verhext. Kein einziger Pfarrer war erreichbar oder irgendwie auffindbar. Wie sich zeigte, waren jedoch die Kirchenvertreter so ziemlich die einzigen, die einem bei der Schlafplatzsuche halfen. Von den Privatpersonen kam in der Regel nicht einmal eine Idee, ganz so wie wir es auch in Italien erfahren hatten. Schließlich waren wir überzeugt davon, dass wir unsere Nacht im Zelt verbringen würden. Die Frage war nur: Wo zur Hölle sollten wir es hier aufstellen? Das Donautal hatte sich bereits wieder zu einer engen Schlucht zwischen den Bergen verjüngt und zu beiden Ufern des Flusses verliefen nun große und stark befahrene Hauptstraßen, die das ganze Tal in ein permanentes Rauschen hüllten. Der Fahrradweg verlief nun teilweise direkt neben der Autobahn oder der Schnellstraße, genau so wie es früher auch hin und wieder beim Jakobsweg der Fall gewesen war. Lautstärketechnisch war dies kaum aushaltbar und doch war genau dieser Abschnitt des Weges einer der beliebtesten, weil hier die Berge voll von Weinstöcken waren. Rein optisch, das muss man sagen, sah es auch super aus, vor allem zum Sonnenuntergang. Nur der Geräuschepegel konnte einem die idylle odentlich vermiesen. Hier im Zelt zu schlafen war also vollkommen unmöglich.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir Dürnstein und hier wendete sich das Blatt um gute 180°. Im Hof des ehemaligen Klosters hatte heute ein Erntedankfest stattgefunden und hier trafen wir nun auch den ersten Pfarrer des Tages an. Einen Saal wollte er uns nicht zur Verfügung stellen, doch dafür übernahm er die Miete für ein Pensionszimmer. Statt einer Nacht im Freien neben der Autobahn hatten wir nun also eine urige Pension mit heißer Dusche und bequemen Betten. Das einzige Problem war nur, dass wir noch etwas zum Essen brauchten. Die meisten Lokalitäten hatten bereits geschlossen und so fiel unsere Wahl des Abends auf das Hotelrestaurant "Schloss Dürnstein". Es war ein luxuriöses fünf Sterne Restaurant und mit Abstand das nobelste, in dem ich jemals etwas gegessen hatte. Die Leiterin des Hotels brachte uns persönlich zu unserem Tisch auf der Terrasse und später bekamen wir noch Besuch von ihrem Mann, der uns ebenfalls kennenlernen wollte. In unserer Wanderkleidung fielen wir hier verglichen mit dem anderen Publikum natürlich etwas aus der Reihe, aber selbst wenn wir angemessen gekleidet gewesen wären, hätte man ohnehin bemerkt, dass diese Art des Essengehens vollkommen neu für mich war. Über uns hing ein Heizstrahler, durch den es hier auf der Terrasse tortz der kühlen Abendstunde angenehm warm war.

Unter uns konnte man die Donau vorbeifließen sehen, wärend die Straße von den Felsen und Mauern verdeckt war, so dass sie weder sichtbar noch hörbar war. Dieses kleine Fleckchen Erde war also eine absolute Oase inmitten des hektischen Treibens. Hinter uns spielte ein Mann fröhlich auf einem Klavier und sorgte so für die festliche Untermalung. Das Beste war aber natürlich das Essen selbst. Es war ein Geschmackserlebnis, wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte. Allein die Apfelschorle war bereits ein Traum, in den man sich hätte hineinlegen können. Zunächst einmal gab es einen winzigen, panierten Ziegenkäse mit einer Preiselbeere als Gruß aus der Küche. Es war leider nur ein einziger Bissen, aber dieser Bissen war ein Hochgenuss, wie man ihn sich kaum vorstellen konnte. Kurz darauf gab es Brot mit einer Auswahl von drei verschiedenen Cremes und im Anschluss eine Suppe in der man am liebsten hätte Baden wollen.

Der Gemüsefon war über mehrere Stunden hinweg ausgekocht worden, damit sich das Aroma voll entfalten konnte. Darin befand sich dann etwas, dass ich aus Mangel an Begrifflichkeiten Käsenockerl nennen werde. Ich habe nicht wirklich eine Idee, was es war, aber der Geschmack war absolut gigantisch! Heiko, der diese Art der Speisen noch von seiner Allianzzeit her kannte, konnte gar nicht mehr damit aufhören, sich über mein Erstaunen zu amüsieren. Dann kam das Hauptgericht. Es bestand aus einem Milchlammsteak in einer Karotten.Kokosnuss-Rahmsauce mit verschiedenem Gemüse. Auch dies war leider nur eine Kostprobe und von der Menge her definitiv nicht vergleichbar mit unserem Schnitzelteller vom Vortag, aber es war bis zur letzten Geschmacksnuance ausgereift und zu einer absoluten Gourme-Kunst perfektioniert. Zu guter Letzt gab es dann noch eine Nachspeise, die allem die Krone aufsetzte. Heiko bekam ein Vanilleeis mit etwas, das sich Pallatschinken nannte, jedoch nicht das geringste mit Schinken zu tun hatte. Bei mir war es ein heißes Schokogebäck mit flüssiger Schokolade darin und frischen Nüssen außern herum. Alles in allem überstieg der Wert unseres Essens die 200€ Grenze bei weitem.

Während des Essens betrachteten wir ein wenig die anderen Gäste, die sich mit uns auf der Terrasse befanden. Gut die Hälfte von ihnen kam aus England und man merkte einen deutlichen Unterschied zwischen ihnen und den anwesenden Österreichern. Den Briten lag die feine englische Art einfach im Blut und bei ihnen wirkte ihr nobles und gehobenes Verhalten vollkommen natürlich. Bei den zümpftigen Österreichern hingegn, passte es deutlich weniger und wirkte eher gestelzt und geschwollen. Am meisten aber beschäftigte mich ein Pärchen, das am Tisch schräg gegenüber von uns saß. Mir selbst wäre es nicht aufgefallen, dass hier etwas sonderbar war, aber Heiko wieß mich nach und nach auf einige Details hin und mit der Zeit wurde auch mein Blick offener für das, was hier vorsich ging. Auffällig war, dass die Frau deutlich hübscher und jünger war als der Mann. Dies allein sagte natürlich noch gar nichts aus, doch stutzig machte dabei, dass sich der Mann nicht im geringsten um die Frau bemühte. Normalerweise hätte es bei diesem Attraktivitätsgefälle eine Verunsicherung von Seiten des Mannes geben müssen, vor allem, da sich die beiden ganz offensichtlich noch nicht allzu lange kannten.

Doch der Mann hatte keinerlei echtes Interesse an der Frau und verhielt sich, als wäre er sich zu 100% sicher, dass sie zu ihm gehörte, auch wenn er nichts investierte. Die Berührungen, die sie miteinander teilten, stellten zwar eine gewisse Nähe dar, verrieten aber gleichzeitig, dass sie ihn unbewusst auf Abstand halten wollte. All diese kleinen Nuancen wiesen darauf hin, dass es sich bei dem Paar nicht wirklich um ein Paar handelte, sondern um eine reine Geschäftsbeziehung. Die Frau war aller Wahrscheinlichkeit nach eine Escort-Dame, die vom Mann gebucht worden war. Damit waren wir heute bereits zum zweiten Mal Zeuge einer gekauften Beziehung geworden. Am Nachmittag hatten wir eine junge Familie getroffen, die verzweifelt versucht hatte, das Fahrrad der Tochter zu reparieren, das auf dem Weg eine Pedaler verloren hatte. Der Mann war weit über sechzig gewesen und die Frau war gut und gerne zwanzig oder dreißig Jahre jünger. Sie stammte aus Thailand und sprach so gut wie kein Deutsch. Rein Charakterlich betrachtet hatte Sie mit ihrem Mann, bzw. Käufer keinen schlechten Deal gemacht, aber es war sofort klar, dass ihre Beziehung nicht das geringste mit Liebe oder auch nur gegenseitigem Interesse zu tun hatte.

Spruch des Tages: Morgens wie ein Bettelmann, abends wie ein König

Höhenmeter: 9 m Tagesetappe: 17 km Gesamtstrecke: 18.488,27 km Wetter: bewölkt und regnerisch Etappenziel: Gasthaus-Pension Kornexl, Am Jochenstein 10, 94107 Untergriesbach, Deutschland

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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