Tag 1038: Heimurlaub – Teil 2

von Heiko Gärtner
06.11.2016 01:17 Uhr

Fortsetzung von Tag 1037:

Der 22.10. war der Tag, an dem Heikos Eltern aus dem Urlaub zurückkamen. Den Rest der Zeit verbrachten wir nun also zu viert. Es wurde nun wieder ein bisschen wie vor eineinhalb Jahren in Slowenien. Wir kamen aus dem Schlemmen nicht mehr heraus, erledigten viele Aufgaben gemeinsam und verbrachten viel Zeit damit uns über alles mögliche auszutauschen, was in unseren Leben gerade so los war. Während Heiko, Karl und ich uns vor allem um die Wägen kümmerten, strickte Anneliese für jeden von uns eine warme Wintermütze, damit wir in den kommenden Monaten keine kalten Ohren und Köpfe bekamen. Es sollte nicht lange dauern, biss wir sie brauchten, denn bereits wenige Tage nach unserer Weiterreise wurde es so kalt, dass es Nachts sogar zu frieren begann.

Nur die gemeinsamen Spaziergänge blieben dieses Mal auf der Strecke. Sich zuhause zu treffen war eben doch ein bisschen anders, als gemeinsam im Urlaub zu sein. Irgendwo boxte sich immer wieder auch der Alltag durch und so blieb für vieles keine Zeit, für das wir uns eigentlich gerne Zeit genommen hätten.

Zu den Dingen, die weit mehr Zeit beanspruchten als geplant, gehörte auch das Tauschen der Griffe an meinen Wagendeichseln. Wie ihr ja wisst, hatte ich an unserem ersten Tag in Ungarn durch mein nicht gerade geschicktes Vorgehen eine der beiden Schrauben ramponiert, so dass man die Griffe nun nicht mehr abbauen konnte. Damit dies nicht zu einem Problem wurde, wenn wir irgendwo in der Pampa standen, wollten wir den Schaubenkopf nun aufbohren und die Schraube durch eine neue ersetzen. Wie sich jedoch herausstellte, war dies bei weitem nicht so leicht wie gedacht. Denn nicht nur der Schraubenkopf war ausgenudelt, die gesamte Schraube hatte sich im Griff vollkommen festgesetzt. Der Grund dafür war der permanente Schweiß, der im Sommer immer wieder von meinen Armen auf die Griffe gelaufen war. Über ihn hatten sich lauter kleine Salzkristalle gebildet, die die Schraube in ihrer Fassung buchstäblich festbetoniert hatten. Nun war guter Rat teuer, denn keiner der Lösungsansätze, die wir uns vorstellen konnten wollte funktionieren. Letztlich blieb uns daher nichts anderes übrig, als den örtlichen Pilgerwagen-Reparatur-Notdienst anzurufen. Hans Frauenknecht, der Mann, der vor knapp zwei Jahren die neuen, sabilen Deichseln und Achsen für uns gebaut hatte, wohnte nur einige Häuser weiter und kam kurz darauf mit vorbei, um sich das Dilemma einmal anzuschauen. Mit seinem roten Arbeitsoveral und seiner Werkzeugkiste unter dem Arm sah er dabei wirklich aus, wie ein rettender Engel aus einer CAR-Glas- oder ADAC-Werbung. Am Telefon hatte ich ihm bereits eine genaue Problembeschreibung abgeliefert und so war er nun perfekt ausgestattet erschienen, mit allem, was man brauchte, um meinen Wagen wiederzubeleben. Innerhalb weniger Minuten war die Sache erledigt und alles funktionierte wieder einwandfrei. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken!

Auch Heidi kam uns in dieser Zeit noch einmal besuchen und verbrachte einen Nachmittag, einen Abend und eine Nacht bei uns. Als wir nun zu fünft gemeinsam beim Abendessen saßen, fühlte es sich so richtig rund nach Familie an. Es war eine lockere, offene und fröhliche Atmosphäre, obwohl oder gerade weil jeder von uns seine Lebensthemen hatte, die ihn beschäftigten und über die alle anderen Bescheid wussten.

An unserem letzten Tag in Postbauer-Heng fuhren wir noch einmal nach Neumarkt, dieses Mal jedoch mit dem Auto und alle vier gemeinsam. Am Nachmittag waren wir hier auf einen Kaffee zu Freunden von Heikos Eltern eingeladen worden, die direkt gegenüber von Heikos früherer Wohnung lebten. Die Ankunft in der Badstraße, in der ja auch ich mehrere Jahre gewohnt hatte, war noch einmal ein vollkommen anderes Revival. Als Heiko vor vielen Jahren hier her gezogen war, war es eine kleine Nebenstraße in der Nähe des Zentrums gewesen und auch ich hatte sie noch als verhältnismäßig ruhig und unbefahren erlebt. Dann hatte man eine neue Autobahnauffahrt gebaut und mit ihr hatte der Verkehr, insbesondere der LKW-Verkehr extrem stark zu genommen. Bereits kurz vor unserer Abreise war es schon so schlimm gewesen, dass wir und kaum noch trauten, die Fenster zu öffnen. Jetzt aber war es noch einmal bedeutend mehr geworden. Unzählige Male hatten wir uns auf unserer Reise die Frage gestellt "Wie können Menschen nur an einem solchen Ort leben?" Jetzt mussten wir feststellen, dass wir genau hier die gleiche Frage im Kopf hatten, nur noch mit einem erschreckenden Zusatz: "Wie hatten wir hier leben können?" Wieder einmal wurde uns bewusst, dass Verkehrslärm in unserer Gesellschaft genauso normal war, wie Handystrahlung oder Leuchtreklame. Es gab kaum noch einen Ort ohne sie und die meisten Menschen hatten sich bereits so sehr daran gewöhnt, dass sie es nicht einmal mehr bewusst wahrnahmen. Das Problem bei Lärm ist nur, dass der menschliche Körper ihn nicht ausblenden kann. Wir können ihn verdrängen, uns davon ablenken oder ihn ignorieren, aber wir können nicht verhindern, dass er uns in eine Stresssituation versetzt, eine innere Alrambereitschaft auslöst, mit der unser Körper nicht umgehen kann und die uns früher oder später krank macht. Aber da alle dem gleichen Lärm ausgesetzt sind und alle mehr oder minder die gleichen Symptome bekommen, fällt uns auch das kaum noch auf. Im Alter wird man halt schwerhörig, bekommt Bluthochdruck, wird vergesslich und kann kaum noch schlafen. Das ist eben so und da kann man leider nichts dagegen machen.

Wir jedenfalls waren froh, als wir die Straße verlassen und uns ins innere des Hauses zurückziehen konnten, wo wir bereits von einer ganzen Gruppe sehnsüchtig erwartet wurden. Nach dem gemeinsamen Teetrinken und Kuchen essen, brachte uns Heikos Vater noch zu einem weiteren Treffen, das wir hier in der Stadt ausgemacht hatten. Aber davon berichte ich euch morgen.

Spruch des Tages: Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie gleich.

Höhenmeter: 310 m

Tagesetappe: 22 km

Gesamtstrecke: 18.978,27 km

Wetter: kalt und bewölkt, aber trocken und windstill

Etappenziel: Jugendhaus der Pfarrgemeinde, Giengen an der Brenz, Deutschland

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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