Überleben in der Wildnis: Heiko Gärtner im Exclusivinterview

von Shania Tolinka
09.07.2012 14:23 Uhr

Survive the wilderness - Überleben in der Wildnis

Heiko Gärtner im Exclusivinterview

Er isst Ratten, springt in zugefrorene Seen und schläft unter einem Haufen Blätter in einem selbst genähten Schafsfell Beutel. Nur mit einem Messer, einem Feuerstein und einer Flasche ausgestattet durchquert der Neumarkter Survival-Experte Heiko Gärtner Gletschergebiete, Wüsten und reißende Flüsse und sucht ganz auf sich allein gestellt seinen Weg zurück in die Zivilisation. Überlebenstechniken dafür hat Gärtner in der Ausbildung zum Wildnisexperten gelernt und auf seinen Expeditionen rund um den Globus perfektioniert. Im Worst-Case-Szenario zeigt Gärtner jetzt überlebenshungrigen Abenteurern, welche Gefahren in der Natur auf einen lauern. MANN wollte von dem toughen Survivalguide wissen, wie er zur Wildnis kam, warum er das Überleben in der Wildnis weiter geben will und was er über Bear Grylls denkt. Zu guter Letzt, welche ultimativen Überlebensstrategien man kennen muss?

Wnn sich ein Wildnisexperte gut auskennt ist das Finden pflanzlicher Notnahrung kein Problem

Wenn sich ein Wildnisexperte gut auskennt ist das Finden pflanzlicher Notnahrung kein Problem

Vom Schlips zum Wildnisexperten

Gut in allen Männern herrscht tief drinnen verankert der Drang fernab von jeglicher Zivilisation autark zu leben, ohne den ganzen Chichi des Alltags wie lästige Krawatten, weiße Oberhemden und die ständige Erreichbarkeit dank lphone und Co. Doch wie kam Heiko Gärtner, vor ein paar Jahren noch Leiter einer Versicherungsagentur dazu, 100 Tage durch die Wildnis zu streunern und das teils im tiefsten Winter? „Als Versicherungsagent war ich wie ein Hamster, der tagaus tagein in seinem Rad läuft. Hinzu kommt, dass ich immer das Gefühl hatte, ich muss mich steigern. Wenn du gut bist, musst du besser werden. Wenn du der Beste bist, dann musst du's noch bis zum Burn Out schaffen.

Aber wirklich auf den Gedanken brachte mich die Frage eines Kommunikationstrainers: Warum machst du diesen Job? Und meine Antwort war einfach nur Geld. Das war echt traurig!" Nachdem er das Angebot bekam Nationalparkranger zu werden, hat er sofort bei dessen Leiter angerufen und sich vorgestellt. „lch hab zwar nicht Biologie studiert aber ich weiß was von draußen." Ziemlich viel anscheinend, denn er bekam den Job. Anschließend folgten vielerlei Ausbildungen, besser gesagt eine ganze Liste an Qualifikationen: Natur- und Wildnispädagoge, Wildnislehrer, Bogenguide, Hochseilgartentrainer, Kletterer, Sanitäter Grundausbildung, Höhlenretter und viele mehr.
Survival Guide Heiko Gärtner bei einer Dokumentation im Sumpf

Survival Guide Heiko Gärtner bei einer Dokumentation im Sumpf

Sein Leben bei den Naturvölkern

Das war der prägende Einschnitt in seiner Vita. Danach lebte Gärtner längere Zeit bei verschiedenen Naturvölkern dieser Erde. Von den Aborigines über die Maori, auch nach Polen, Island oder Alaska zog es ihn. Mehr als einen Schlafsack und einen Rucksack mit dem allernötigsten hatte er natürlich nie dabei. Er aß, was die Natur so hergab: Beeren, Pflanzen, Wurzeln, Tausendfüßler, Heuschrecken. Um an Mäuse oder Eichhörnchen fürs Abendbrot zu kommen, stellte er Fallen. Aus Ästen baute er sich eine Hütte, die er mit Laub bedeckte, ein sogenanntes Lean-to. Zum Feuermachen hatte er beim Überleben in der Wildnis bzw. im Wald nur einen Feuerbohrer oder einen Feuerstein.

So ein Leben bei den Eingeborenen wie muss man sich das vorstellen? „Bei den Maori zum Beispiel wurde ich sehr herzlich empfangen. Die einzige Aufnahmebedingung war, dass ich eine Form der Meditation und die rituelle Feuershow erlerne. Weil ich ihnen als Neuer kein Wissen brachte, habe ich immer als letzter das Essen bekommen. Obwohl 138 Menschen um ein Feuer sitzen und genau ein Topf rumgeht, bekommt der Letzte in der Nahrungskette immer noch etwas ab, klar nicht die besten Teile, aber zum Überleben reicht es allemal.
Beim Überleben in der Wildnis landet ein Feldhase am Grill - Survival Experte Heiko Gärtner

Beim Überleben in der Wildnis landet ein Feldhase am Grill - Survival Experte Heiko Gärtner

Bear Grylls - alles nur Show

Man möchte meinen, dass der Survival Guide Heiko Gärtner wohl so einige Narben als Andenken an seine unzähligen Wildnis-Touren hat, doch weit gefehlt. Anders als Reinhold Messner hat er noch alle Zehen. Reinhold Messner - den hält er übrigens für irre. „Mit einer Sauerstoffflasche auf dem Rücken den Mount Everest hoch, das ist doch komplett verrückt. Wir sind ja nicht hier, um uns zu töten."  Beim Überleben in der Wildnis gibt es viele Bücher, Filme und Interessantes auf YouTube.

Und auch den DMAX-Star Bear Grylls hält er für gebeutelten Mumpitz. „Die Recherche ist ja ganz gut, aber dann siehst du den Typen, der angeblich völlig besitzlos und ohne Ausrüstung ausgesetzt wurde, sich plötzlich mit einem Karabinerhaken und einer piekfeinen Kletterausrüstung abseilen. Für ihn ist das ein Kampf ums nackte überleben in der Wildnis. Unser Ziel ist es, zurückzufinden in die Natur und wieder Einheimischer in der Wildnis zu sein, nicht Man vs. Wild."
Das Winter Survival "Überleben in der Wildnis" im Lean To

Das Winter Survival "Überleben in der Wildnis" im Lean To

Extremseminare

Das Wissen, das Gärtner sich auf seinen unzähligen Expeditionen durch die Natur angeeignet hat, gibt er in seiner Wildnisschule in Neumarkt weiter und veranstaltet unter anderem sogenannte Extremseminare. Diese richten sich an alle, die sich darauf vorbereiten wollen in Extremsituationen ohne Hilfsmittel aus der Zivilisation in der Wildnis zu überleben. Das Szenario beim Überleben in der Wildnis: Du hast weder Nahrung, noch Wasser und keinen Schlafplatz. Die Teilnehmer sind eineinhalb bis 28 Tage lang unterwegs und stellen sich den immer neuen Situationen, nur mit einem Messer und der Kleidung, die sie am Leib tragen. Dabei geht es aber nicht um einen knallharten Kampf ums nackte überleben, sondern vielmehr um die Kunst, das reichhaltige Angebot, das uns die Natur bietet zu erkennen und zu nutzen.

Wichtige Fähigkeiten, die man dabei erlernt sind Sammeln und Jagen während des Wanderns, Finden und Aufbereiten von Wasser, Zubereitung von Wildnahrung, die Kunst des Feuermachens mit Feuersteinen und Feuerbohrer, Bauen von Schlafplätzen und Notunterkünften, den natürlichen Schutz vor Umwelteinflüssen, Wildnishygiene, körperliche und geistige Tarnung, Schleichen, Pirschen, Fallen bauen und aufstellen, Herstellung von Werkzeug und Gebrauchsgegenständen, Orientierung in der Wildnis und Erste Hilfe.
Survivalexperte Umgang mit giftigen Schlangen

Survivaltrainer Heiko Gärtner erklärt den Umgang mit giftigen Schlangen.

Selbst die härtesten Kerle heulen

Alles klar, hört sich irgendwie nach Pfadfinder an. Was ist denn nun das Schwierige daran? „Eindeutig die Psyche", so Gärtner.

„Nach  zwei  Stunden  beim Überleben in der Wildnis flippen die  Ersten  völlig  aus.  Dehydriert macht sich das Gefühl in ihnen breit „Ich hab nichts", weil sie gewohnt sind zu jeder Zeit alles zu haben. Viele von ihnen heulen wie die Schlosshunde, aber nicht weil's so hart ist, sondern weil sie erkennen, was in ihrem Leben falsch läuft. Wir sind natürlich immer in einem Camp in der Nähe, schon allein aus Sicherheitsgründen." Die Teilnehmer allerdings müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Eine Antwort auf eine Frage wäre eine Beleidigung. Die meisten sind dann schon beim Wasserkochen total überfordert. Die beste Methode ist, man gibt Wasser in ein Holzgefäß und legt heiße Steine aus dem Feuer hinein. Sie sollten nicht zu fein sein und keine Lufteinschlüsse haben. Damit bringt man das Wasser zum Kochen, solange bis es keimfrei ist. „Diese Strategie Trinkwasser zu erhalten, sollte wirklich jeder kennen. Ansonsten warten wir immer erst ab, ob derjenige selbst draufkommt, wenn nicht, geben wir ihm natürlich einen Denkanstoß", so Gärtner.

Ekelüberwindung

Man musst nicht draufgehen bei diesen Camps, schon gar nicht verhungern. Es gibt so viele Pflanzen, Beeren und Kräuter von denen man sich im Wald ernähren kann. Nach drei Tagen braucht man tierische Nahrung weil der Körper nach Eiweiß und Fett verlangt. Dann kommt die nächste psychosoziale Schwelle, die einen fertig macht. Man erkennt, dass niemand leben kann ohne zu töten. Fressen oder Gefressen werden. Aber auch, dass die Jagd heilig ist. Spätestens dann werfen die Teilnehmer alle Ekelvorstellungen über Board. „Insekten, Mäuse und Ratten - du hast so viel Hunger, dass du alles frisst.", so der Survival-Experte. Doch auch für Heiko Gärtner hat die Notnahrung irgendwo eine Ende. „Käfer mit Stinkdrüsen. Am besten man checkt erst mal, ob der Käfer ein Sekret abgibt, wenn man ihn zwischen den Fingern hält. Wenn er nur Kot absondert, kann man ihn aber locker essen."

Wie geht man mit Schlangen um?

Wie geht man mit Schlangen um?

Überleben ums Verrecken

Die "Überleben in der Wildnis" Extremseminare bietet Gärtner in verschiedenen Versionen von Leicht bis Extrem in Deutschland, Schweden, Kanada, Österreich, Polen und der Slowakei an. Bei der Light-Version bekommt der Teilnehmer sogar Toilettenpapier und 30 % der Nahrung gestellt. Bei der Variante extra hart gibts nichts außer einem Messer und einem Feuerstahl, den der Teilnehmer nur im Notfall verwenden darf, wenn er zwei Stunden lang mit dem Feuerbohrer kein Feuer angebracht hat. Ansonsten: kein Schlafsack, kein Toilettenpapier, keine Wasserentkeimung, kein Löffel, kein Topf, keine Trinkflasche, kein Rucksack oder Tasche. Tja, nicht umsonst nennt er diese Tour auch überleben  ums Verrecken. Und dieses überleben ums Verrecken bietet er auch noch in der kalten Jahreszeit an. „Dieses Extrem Plus haut jeden um", so Gärtner.

„Sogar Elitetruppen wurden schon zu mir ins Wintercamp geschickt." Dabei versteht sich von selbst, dass wasserfeste Goretex Materialien natürlich verboten sind.

Das alles ist für Heiko Gärtner mittlerweile wieder viel zu langweilig. Sein neuestes Baby ist ein Portal für Erlebnisgeschenke. Von einer Mission im All über Feuerlaufen bis hin zu Haitauchen oder einer Expedition zu den Gorillas in Uganda - unter www.erlebnisgalaxie.de finden Abenteurer und Geschenkemacher alles, was ihnen den ultimativen Thrill gibt!

Survival Touren:

Sind auch Sie auf der Suche nach dem etwas anderen Kick beim Überleben in der Wildnis? Dann sind Sie bei dem Survival-Experten Heiko Gärtner genau richtig, denn diese Touren sind nichts für Warmduscher.

Weitere Infos finden Sie unter www.heiko-gaertner.de.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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