Zuhause in der natur

von Shania Tolinka
02.08.2010 18:33 Uhr

„Da bin ich einheimisch mit der Natur"

LINDAU - Hemd  und Hose aus Ziegenleder, im Proviant gedörrtes Bisonfleisch, täglich  bis zu 30 Kilometer Fußmarsch, Schlafen unter freiem Himmel. Was sich Heiko Gärtner vorgenommen hat, ist heutzutage alles andere als selbstverständlich: 3000 Kilometer will er zu Fuß auf dem Jakobsweg von der Oberpfalz bis an den Atlantik zurücklegen. Dabei hat er auch in Lindau Station gemacht.

Von unserer Redakteurin Evi Eck-Gedler

Eins  mit  der Natur sein,  das  ist  für Heiko  Gärtner ein  großes Ziel.  Der ausgebildete Natur- und Wildnispädagoge hat in den vergangenen zwölf Jahren viel Zeit in der Natur verbracht. Hat seinen Fachwirt in Natur- und Landschaftspflege gemacht, ist leidenschaftlicher Kletterer, drei  Jahre  als Berg- und Höhenretter aktiv gewesen, hat  monatelang bei Naturvölkern auf verschiedenen Kontinenten gelebt.

Einheimisch sein ist für Heiko Gärtner sehr wichtig

Einheimisch sein ist für Heiko Gärtner sehr wichtig

 

Der 31-Jährige aus Neumarkt in der Oberpfalz bedauert es  sehr,  dass  die Natur immer mehr  aus dem Blick der Menschen gerät. Vor allem in Schulen sollte es mehr  „wildes Wissen" geben, ist Gärtner überzeugt. Mehr  als 3000 Buben und Mädchen hätten bei ihm in Kursen bereits Kontakt mit der Natur gefunden, erzählt er nicht  ohne Stolz.

Jetzt  will sich  Heiko  Gärtner wieder  einmal  selbst  auf die Suche  nach der  Natur machen. Sein  ursprünglicher  Plan: 1000 Kilometer quer  durch Deutschland laufen, abseits von Zivilisation und   Alltagsverkehr. Doch er musste einsehen: „Geht nicht,  das ist ein Ding der Unmöglichkeit."

Der  Oberpfälzer plante  um.  Das neue Ziel:  Santiago de  Compostela. Nicht  ganz unschuldig an dieser Wahl ist Gärtners alter Freund Josef Bogner: Der ehemalige Postzusteller, der schon viele  lange  Touren beispielsweise durch die Sahara hinter sich hat, wollte  schon immer einmal  auf  dem Jakobsweg pilgern.

Also haben sich die beiden statt auf 1000 nun auf 3000 Kilometer vorbereitet: Denn nach Santiago de Compostela soll  es „noch  drei  Tage  weiter bis ans  Ende  der  Welt"  an  der  Atlantikküste  gehen.  „Für die Pilger, die noch an eine Erdscheibe glaubten, war dort am Ozean  die Welt  zu Ende",  erklärt Josef Bogner.

pilgern mit dem esel gaertner heiko

Heiko Gärtner startete mit Josef Bogner und Esel Alfredo

 

Am 7. Juli morgens früh um 7 Uhr sind sie in Postbauer-Heng in der Oberpfalz gestartet. Da sind  sie noch zu  dritt gewesen - Gärtner, Bogner und  Alfredo,  der  Großesel. Der  hätte einen Großteil des  Gepäcks von  insgesamt knapp  100 Kilo tragen sollen. Aber nach einem Tag hat Alfredo gestreikt: „Die Strapazen waren zu hart für ihn."

Also wandert das Gepäck  seitdem in  einem   Begleitauto mit.  20  bis  30 Kilometer täglich  haben Gärtner und Bogner  in der  Anfangszeit zurückgelegt. Während sich der 56-jährige Postzusteller auf  der  Tour ein  klein wenig  Luxus  gönnt   mit  einem   Zelt, einer   Isomatte und  „normalen"  Lebensmitteln, lässt Gärtner auch da die Zivilisation zurück: Drei Rohhäute mit Fellschicht dienen als  Matratze und Isomattenersatz, ein  schweres sogenanntes  Leinen Tarp ist  in  der  Nacht Schlafsack und Dach zugleich.  „So sind  auch  die  Menschen in früheren Jahrhunderten unterwegs gewesen", darauf verweist der Wildnispädagoge.

Extrem wird  die Tour auf dem Pilgerweg auch   deshalb, weil  Gärtner sich zudem nahezu ausschließlich aus der  Natur ernähren will:  Nüsse  und etwas  Getreide sind  im Proviant Sack, dazu  25 Kilo  gedörrtes Bisonfleisch. Dem ist so viel Wasser entzogen, dass es  überhaupt nicht   mehr   verderben kann - dass es aber auch erst mal zwölf Stunden gewässert werden muss,  damit es genießbar ist", schildert er.

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Es ist nicht immer einfach den Jakobsweg ohne Navi zu finden

 

Handy Ja, Navi Nein

Ein Handy hat der Mann mit der Sanitäter Grundausbildung für Notfälle dabei, ein Navi allerdings nicht.  „Hinter Augsburg ist es schon ganz schön schwierig gewesen, den Jakobsweg noch  zu  finden", haben Gärtner und Bogner  erfahren: Nur  zweimal hätten sie Wegweiser mit der Jakobsmuschel (die der Erlebnispädagoge übrigens auch um den Hals trägt) gesehen. Und die  Suche  nach  der  Jakobuskirche in Augsburg geriet zum  Abenteuer: „Da haben wir an die 25 Leute gefragt,  und keiner hat was gewusst."

„Das wird erst ab Einsiedeln in der Schweiz besser", ist Bogner  überzeugt. Da wird  der 56-Jährige vermutlich aber nicht mehr mit von der Partie sein: In der Zeit bis Lindau „habe ich in zehn  Nächten höchstens ein, zwei Stunden geschlafen", seufzt  er  und das zehrt am Körper.

Am Pfänder haben die beiden Pilger noch am Waldrand genächtigt. Zwei Jäger haben ihnen  dort  den Weg gewiesen. Von Lindau aus geht es weiter bis kurz vor St. Gallen.  Dann wird Gärtners Freundin Raffaela Bogner ablösen. Wie sie das Leben in der Natur verkraftet, ist noch offen. Für Heiko Gärtner jedoch ist  es  die  Offenbarung: „Die Natur ist unsere Mutter - jetzt  auf Tour, da bin ich einheimisch mit der Natur. Zuhause in der Natur."

Noch  ein  Foto vor der LZ, dann geht's weiter. Es regnet zwar  in Strömen. Aber einen Naturmenschen und Pilger kann das nicht stören.

 
Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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