Aufgeben ist keine Option
Aufgeben war für sie nie eine Option
Heiko Gärtner und Tobias Krüger aus Neumarkt wandern um die Welt. Die Reise hat auch ihre Persönlichkeiten verändert.
Von Bettina Dennerlohr
Neumarkt Heiko Gärtner und Tobias Krüger haben dem Winter ein Schnippchen geschlagen - schließlich wandern die beiden Männer zurzeit im T-Shirt durch Norditalien. Entlang der Küstenlinie des Mittelmeeres folgen sie der alten Pilgerstraße Via Francigena nach Rom. Seit etwas mehr als einem Jahr sind die beiden Männer unterwegs. Ihre Mission: Zu Fuß wollen sie die Welt umrunden. Am 23. Dezember haben sie nach Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Andorra und Monaco italienischen Boden betreten. Hier haben die Wanderer auch das Weihnachtsfest verbracht - das erste, seitdem sie in ihr Nomadenleben aufgebrochen sind und auch aufgeben ist keine Option.
„Das war erstaunlich unberührend", sagt Krüger. Er habe damit gerechnet, dass in ihm mehr Gefühle wie Heimweh und Sehnsucht aufkommen. Stattdessen haben die beiden den Heiligen Abend in Italien relativ nüchtern verlebt: „Bis zum 18, 19 Uhr waren die Geschäfte geöffnet und alle haben ganz normal gearbeitet", sagt Krüger. Auch seinem Reisegefährten ging die Situation weniger nah als der Familie: „Wir haben an Weihnachten telefoniert und bei ihnen sind Tränen geflossen." Für ihn fühlt sich die Entfernung dagegen nicht wie eine Trennung an, sagt er. Über Skype und den Reiseblog bricht der Kontakt nicht ab: „Manchmal fühlt es sich gar nicht an, als wäre ich weit weg von zuhause."
Kleine Weihnachtsfeier am Strand
Tatsächlich haben die beiden Wanderer am Heiligen Abend mehrere hundert Kilometer von daheim entfernt in einem kleinen Raum geschlafen, der so kalt war, dass sie bereits um 13 Uhr in ihre Schlafsäcke krabbelten. Gegen Mitternacht besuchten sie den Gottesdienst in einer Kirche, aus der sie aber nach nur zehn Minuten wieder flüchteten. „Es herrschte die Atmosphäre einer Bahnhofshalle und ein Heizlüfter hat uns die ganze Zeit mit kalter Luft angeblasen" - die Erinnerung daran bringt die beiden Reisegefährten immer noch zum Lachen aber aufgeben ist keine Option. Letztendlich verbrachten sie ihre eigene kleine Weihnachtsfeier am Strand und mit dem Blick auf die hereinbrechenden Wellen.
Doch nicht nur die Feiertage haben die beiden Männer anders verbracht als sonst - ihr erstes Jahr unterwegs hat auch sie selbst als Persönlichkeiten verändert, sagen sie. „Beim Wandern betest du mit den Füßen. Die Erde ist unsere Mutter und sie will, dass alles heilt", sagt Gärtner. Jede Reise verändere das Bewusstsein und könne so zu einer Reise zu sich selbst werden, erklärt er. Auch in Krüger haben die 7000 Kilometer einiges umgekrempelt: „In mir haben sich viele Prozesse weiterentwickelt, Beziehungen verändert und innere Blockaden gelöst."
Aufgeben ist keine Option durch die jetzige lebendige Freude
Wie groß die Unterschiede zu ihren vorherigen Leben sind, haben sie zum Jahreswechsel verspürt. Einen Schlafplatz hatten sie in einem Kloster auf einem Berg gefunden - und blickten hinab auf eine Stadt voller feiernder Menschen. „In unserem früheren Leben hieß es stundenlange Arbeit und dann kurze Freude - jetzt beschäftigen wir uns nur mit Sachen, die uns gefallen", sagt Gärtner. Der Faktor Zeit habe sie für sie keine Bedeutung mehr: „Das ist der größte Reichtum, den du haben kannst: Du darfst leben." Zuhause war Silvester für ihn immer ein magischer Tag, sagt Krüger: „Jetzt führe ich ein Leben voller magischer Momente." Beide haben den Abend schließlich am Strand mit einem Ritual verbracht, alte belastende Dinge symbolisch mit einer Kerze verbrannt und Wünsche für das kommende Jahr besprochen.
Eigentlich wollten die beiden zu diesem Zeitpunkt schon viel weiter sein, aber aufgeben ist keine Option. Fünf Jahre haben sie für ihre Weltumrundung veranschlagt, zum Jahreswechsel sollten sie über Italien und Ex-Jugoslawien und Griechenland erreicht haben und sich in Richtung Türkei und Israel aufmachen. „Die Länder waren größer als wir uns das in unserem Kopf vorgestellt haben", sagt Krüger. Sorgen machen sie sich deswegen nicht: „Wenn man so starr plant, nimmt man sich was weg." Außerdem sind die Tage zu unkalkulierbar. An manchen bringen sie 40 Kilometer hinter sich, an anderen nur zehn. Falls es den beiden Wanderern an einem Ort besonders gefällt, würden sie dort auch länger bleiben. „Bisher war das aber nie der Fall", sagt Krüger. Es gab nur einen Land, dass sie früher verließen als geplant: „In Portugal sind wir nur an Schnellstraßen entlanggewandert - das war nichts für uns."
Mit offenen Armen sind sie dagegen oft aufgenommen worden, berichten die beiden - auch, wenn sie einen Schlafplatz suchten. „Vom Fünf-Sterne-Hotel bis zum Messiehaus war alles dabei", erinnert sich Gärtner. So hat ein Hotelmanager die beiden eines Abends eingeladen, eine Nacht in einem Spa-Hotel zu verbringen. „Wenn du patschnass bist, die Muskeln verkrampfen und deine Schultern nicht mehr wollen, ist eine Sauna natürlich eine tolle Sache", sagt Gärtner. Doch die beiden haben auch schon alles andere als luxuriös übernachtet. An die Pilgerherberge einer Pfarrei erinnert sich Gärtner nur noch als „Rattenloch", aber aufgeben ist keine Option. In dem Gebäude nächtigten die beiden zwischen Obdachlosen in einem Raum, aus dessen Fensterrahmen die Glasscheibe gefallen war: „Wir haben dann eine alte Matratze in das Loch gestopft - das hat aber gut funktioniert."
Sehnsucht nach Schweinebraten
Ans Aufgeben haben sie im vergangenen Jahr nie ernsthaft gedacht, denn aufgeben ist keine Option sagen beide. „Aber natürlich gibt es Tage, an denen man nicht damit zufrieden ist, wie es läuft", sagt Krüger. Und Gärtner fügt lachend hinzu: „Manchmal hat man aber schon einfach Lust auf einen Schweinebraten mit Knödel." Schließlich haben sich die beiden für ihre Wanderung auch einen Ernährungsplan gegeben. Das könnte auch in eines der Bücher einfließen, die die beiden gerade verfassen.
Drei Bände sind in Arbeit, mindestens zwei davon werden Wälzer von mehr als 1000 Seiten. Buch Nummer 1 beinhaltet eine Art Anleitung für den „Hausputz im Körper". Von der Pike auf wollen die beiden Autoren ihren Lesern erklären, wie eine Art Grundsanierung des Körpers erfolgen soll. Für Buchprojekt Nummer 2 schreibt Gärtner in drei Teilen eines der Abenteuer nieder, die er bereits erlebt. Das dritte Buch schließlich befasst sich damit, wie „Menschen an ihre eigenen Kraft kommen und mit Energien umgehen können", beschreibt Gärtner. Mit Esoterik soll sein Werk aber nichts zu tun haben, sagt er. Viel mehr will er gründlich wiedergeben, was er bei verschiedenen Naturvölkern gelernt hat, die sich über Jahre mit der menschlichen Energie beschäftigen.
Wann die beiden Wanderer wieder deutschen Boden betreten ist ungewiss. Zu Beginn ihrer Reise haben sie festgelegt, dass sie sich sechs Wochen pro Jahr in Deutschland gönnen wollen. Länger erlaubt es ihnen auch ihre Krankenversicherung gar nicht. Bisher planen sie aber keine Auszeit von ihrer Reise. Zu Fuß dauert es zu lange nach Deutschland, schnelleres Reisen ist für sie im Moment aber nichts und aufgeben ist keine Option. Beteuern beide. „Es gibt mehr, was uns weitertreibt als zurück", sagt Krüger. Gärtners Familie wird die beiden Wanderer in diesem Jahr unterwegs besuchen. Dann treffen sich alle in einer Hütte entlang der Wanderroute und verbringen einige gemeinsame Tage.
Warum Mut gut tut?
Aufgeben ist ein weit verbreitetes Phänomen, aber keine Option wenn man sich dessen Bedeutung gewahr wird. Denn Aufgeben heißt, dass deine Widerstände gewinnen, Ängste dein Leben bestimmen und jede Sorge mehr Gewicht hat als deine Träume. Manch einer verwendet das Zitat sogar als Tattoo, um sich täglich daran zu erinnern, wie wichtig der eigene Mut ist! Viele Wow Bilder und Zitate über Mut motivieren uns dazu, unsere Träume ernsthaft anzugehen und umzusetzen. Hoffentlich nicht zu spät. Das wurde so manchem schmerzlich bewusst, als er am Ende seines Lebens zurückblickte und dachte: „Ach hätte ich mich einmal getraut.“