Blind die Welt entdecken: Eine neue Sinneserfahrung

von Shania Tolinka
09.08.2012 17:25 Uhr

Ein „Blind Date" mit Stadt, Land und Natur

   

Heiko Gärtner und Tobias Krüger planen eine Blindentour - Zwei Wochen querfeldein ohne volle Sehkraft

   

Heiko  Gärtner, der  Wildnispädagoge und „Lebensabenteurer" aus  Neumarkt,  führt schon wieder etwas  im Schilde. Mitte August wollen er und Tobias Krüger blind die Welt entdecken, auf einer "Blindentour". Zwei Wochen lang versuchen beide einmal mehr, sich ohne Proviant und Geld  durchzuschlagen und das sind keine Sprüche. Diesmal aber mit Brillen, die  verschiedene Augenkrankheiten  simulieren,  oder gleich vollkommen blind um vollkommen neu die Welt entdecken zu dürfen. Wo die Tour endet? Heiko Gärtner lacht: „Wir werden sehen".

 
Heiko Gärtner und Tobias Krüger wollen blind die Welt entdecken

Heiko Gärtner und Tobias Krüger wollen blind die Welt entdecken

 

NEUMARKT — Wer ist nicht schon mal in stockfinsterer Nacht aufs Klo getappt, ohne das Licht anzumachen. Oder zum Kühlschrank. Doch der Mensch ist keine Fledermaus: Nicht selten hinterlassen solche Ausflüge Beulen und blaue Flecken. „Es gibt aber tatsächlich Menschen, die sich wie Fledermäuse mit Echoortung sicher fortbewegen können, ohne dass sie etwas sehen“, erzählt Heiko Gärtner. Er selbst hat in jungen Jahren einen Mann mit solchen Superkräften kennen gelernt. „Das war ein blinder Pfleger am Rummelsberger Krankenhaus, der eine Art Sonar entwickelt hatte. Ich konnte mich im Raum verstecken, er schnalzte zweimal mit der Zunge und wusste sofort, wo ich war. Unglaublich so die Welt entdecken zu können. Wir nannten ihn Batman.“

Extreme Touren

Den NN-Lesern ist den 33-Jährigen in dieser Zeitung schon mehrmals begegnet. Mit einem Esel – und nicht viel mehr – ging er den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Mit minimaler Ausrüstung überlebte er Survival Touren durch Island oder Kanada.

Zuletzt absolvierte Gärtner gemeinsam mit seinem Freund Tobias Krüger eine winterliche „Landstreicher-Tour“ über Nürnberg, Frankfurt, Köln und Stuttgart. Immer auf der Suche nach Essen und einer Bleibe in den eiskalten Nächten. Der neueste Coup der beiden klingt aber noch verrückter: Wenn die beiden am Morgen des 14. August aus Gärtners Wohnung auf die Badstraße hinaus treten, werden sie große Brillen tragen und noch hilflos mit Blindenstöcken nach der Bordsteinkante stochern – der Startschuss zur „Blindentour“. Zwei Ziele wie forschende Kinder, die die Welt entdecken wollen, verfolgen Gärtner und Krüger damit. „Zum einen wollen wir Missstände aufzeigen, dort wo Sehbehinderte in der Stadt auf unüberwindliche Hindernisse stoßen.“

Aber es geht ihnen auch um Selbsterfahrung, um die Schärfung der nicht so dominanten Sinne: „Wir erfahren unsere Umwelt zu 93 Prozent über die Augen. Wenn wir für längere Zeit nichts sehen können, dann könnte es doch sein, dass wir beginnen, anders zu sehen, anders zu riechen.“ Auch wenn klar ist: In nur zwei Wochen wird keiner zum „Batman“.

 
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Brillen simulieren Augenleiden

Die ersten sieben Tage wird das Duo noch nicht ganz im Dunkeln die Welt entdecken. Jeden Tag kommt dann eine andere Brille zum Einsatz. Eine simuliert den Grünen Star, die zweite den Grauen. Auch Netzhautablösung, schwere Kurzsichtigkeit und weitere Augenleiden erfahren damit die Wanderer. „Schaut aus wie eine Skibrille“, sagt Krüger.

Zur Verfügung gestellt werden die Brillen vom Ingolstädter Produktdesigner Wolfgang Moll, der schon mit einem Alterssimulationsanzug von sich und seinen Büchern reden machte. „Die zweite Woche werden wir unsere Augen dann komplett verkleben.“ Die Richtung, die sie einlegen werden, ist noch nicht entschieden. Tendenz nach Süden, vielleicht auch die Ravensburger Ecke meint Heiko Gärtner. Oder vielleicht Bayerischer Wald. Es geht querfeldein, immer dem Stock nach. „Wir werden viel fragen müssen.“ Mit dem Anrichten von Wildmischsalaten und dem Bau von Notunterkünften haben die Naturburschen zwar einschlägige Erfahrungen gemacht. Doch ob sie als „unerfahrene Blinde“ überhaupt auch nur einen Ast finden?

Das einzige Zugeständnis: Ein dritter Mann wird die beiden begleiten und immer dann eingreifen, wenn es gefährlich wird. Aber wirklich nur dann. Man denke hier vor allem an den Straßenverkehr. Ohne das wachsame Auge von Johannes Scheider würden die zwei Blindgänger wohl schon am ersten Tag ins Gras beißen – diesmal im übertragenen Sinne gemeint.

 
Haptik für Blinde in Nürnberg

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Tipps um die Welt zu entdecken:

Grenzenlos - die Welt entdecken ist ein wöchentliches Reisemagazin über den YouTube Channel, welches die verschiedensten Metropolen, Regionen und Länder präsentiert. Wie wäre es zum Beispiel mit dem beliebten Land Ghana aus der Mediathek? Ghana liegt an der ehemaligen Goldküste und zählt zu den schönsten Ländern Afrikas. Die tropische Landschaft ist ein Eldorado für Naturliebhaber. Neben ursprünglichen Regenwäldern findet man hier noch unberührte Traumstrände. Das ganze Land ist geprägt von fröhlichen Festivals, bunten Märkten und gastfreundlichen Menschen.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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