Tag 1426 bis 1429: Delahaye - Eine der ältesten Automarken Frankreichs

von Heiko Gärtner
04.04.2018 03:16 Uhr

17.-18.10.2017

Heute waren wir zu Gast in einem Schloss, dass der Familie gehörte, die einst die Gründer und Geschäftsleiter der ältesten Automobilmarke der Welt gewesen war. Der heutige Besitzer war ein kleiner, grauhaariger Rentner, dessen Leidenschaft für prunkvolle Oldtimer im ganzen Haus präsent war. Überall hingen Poster und Plakate mit den antiken Fahrzeugen herum und in den Regalen fanden sich mehr Modellautos als in den meisten Spielwarengeschäften. Als wir unseren Gastgeber danach fragten erklärte er uns den Grund seiner Sammlung.

Traktor mit Jaucheanhänger

Traktor mit Jaucheanhänger

Tatsächlich war seine Familie von 1803 an stets in der geschäftsführenden Position von Delahaye, einer der ersten Firmem der Welt, die professionelle Automobile herstellten. Und ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, dass diese damals noch wirklich Stil hatten. Das waren mal andere Autos, als die gefühlskalten Schlitten vom Band, wie man sie heute findet. Jedes einzelne hatte eine Persönlichkeit und einen unverwechselbaren Charakter. Dass man diese Automarke trotz ihrer offensichtlich hervoragenden Qualität heute kaum noch kennt liegt wahrscheinlich daran, dass sie bereits in den 1950ger ihre Pforten schloss. Doch ihre Hinterlassenschaften sind nicht ganz von unserem Planeten verschwunden. Einige seltene Exemplare gibt es noch immer. Nicht nur als Model, sondern als echte, lebensgroße und vollkommen intakte Vertreter ihrer Art. Voller stolz präsentierte uns unser Gastgeber die vier Exemplare, die in seiner eigenen Garage standen. Das Licht war leider etwas dämmerig und die Wagen waren verständlicherweise in Tücher gehüllt. Aber das was man sehen konnte war über alle maßen beeindruckend. Selbst für jemanden, der sich normalerweise nicht allzu sehr für Autos interessiert.

Antike Zimmereinrichtung

Antike Zimmereinrichtung

Mit diesem Wagen ist einst der Französische Präsident gefahren

Mit diesem Wagen ist einst der Französische Präsident gefahren

Zwei der vier Wagen hatte er aus alten Wracks von Grund auf neu gebaut, die anderen beiden waren gekauft und teilrenoviert. Einer, der größte von ihnen, war seinerzeit sogar das Staatsfahrzeug des Französischen Präsidenten gewesen. Er war das noch letzte existierende Exemplar seiner Serie und musste locker einen zweistelligen Milllionbetrag wert sein. Die anderen, unter denen sich ein weiteres Unikat befand, lagen preislich nicht viel darunter. Alles in allem schätzte Heiko den Inhalt der Garage auf irgendetwas zwischen 50 und 100 Millionen.

Äußerer Reichtum innere Armut

Umso mehr war es uns ein Rätsel, wie man sich in einem so großen Hau so arm fühlen konnte. Obwohl es Nachts nun zumeist nur noch wenige Grad über Null hatte, wurde im ganzen Haus nicht geheizt. Auch gab es hier sonst nichts gemütlich, keine bequeme Couch, keine Leseecke und keine Kuschell-Area. Es war ein Museum voller Artefakte, aber wohnen konnte man hier nicht. Zum Abendessen gab es Nudeln mit Pilzen und Zwiebeln, aber ohne Sauce. Dafür dann aber wieder einen Käse für 16€ pro Kilo als Ausklang. Als wir uns dann beim Frühstücken über Obst, Gemüse und die Veränderung der Preise in den letzten Jahren sprachen, erzählte uns die Frau allen Ernstes, dass sie die Lebensmittelpreise als so teuer empfand, dass sie dich frisches Obst und Gemüse einfach nicht mehr kaufte. „Andere mögen sich dies ja leisten können!“ sagte sie, „aber wir nicht!“

Als wir kurz darauf gingen, fiel es uns richtig schwer, nach einen halben Baguette für den zu fragen, weil wir Angst hatten, die Familie müsse dann hungern. Und dies wie gesagt in einem Schloss, mit hektargroßem Parkgelände und Oldtimern in der Garage, die sich viele Filmstars nicht leisten könnten.

   

Traditionsreiche Familien

Gleich am Nächsten Nachmittag lernten wir noch eine weitere Familie mit einer langen Tradition kennen. Diese hatte zwar keine Autos hergestellt, dafür hatte es jedoh einen Künstler gegeben, der comicähnliche Gemälde von Menschen erstellt hat, die bis heute und Frankreich fast überall zu sehen sind. Sein Nachfahre hatte gerade vor einer Woche eine große Ausstellung in der Kirche, der Schule und in dem Aufenthaltsraum organisiert, in dem wir heute schliefen.

Spruch des Tages: Das waren noch andere Autos!

Höhenmeter 111m / 120m / 190m / 55m

Tagesetappe: 23km / 16km / 14km / 18km

Gesamtstrecke: 26.941,27km

Wetter: Regen, Schneematsch, Wind und Kälte

Etappenziel 1: Gästepension, Monschau, Deutschland

Etappenziel 2: Katholisches Pfarrgemeindehaus, Roetgen, Deutschland

Etappenziel 3: Benediktinerabtei, Kornellimünster, Deutschland

Etappenziel 4: Klosterkrankenhaus, Aachen, Deutschland

15.10.2017

Durch Zufall und einige nicht geplante Abweichungen von unserem Weg sind wir heute wieder in Guerigny gelandet, einer Kleinstadt in der wir vor drei Jahren schon bei unserem ersten Weg durch Frankreich halt gemacht hatten. Wir kamen dieses Mal von einer ganz anderen Seite und hätten die die Stadt auch nie erkannt, wenn der Kirchenplatz nicht so wahnsinnig markant gewesen wäre. Damals hatten wir die Stadt im Nebel und bei Nieselregen erreicht, wodurch sie eine trübe und unwirtliche, aber auch mystische und geheimnisvolle Stimmung ausgestrahlt hatte.

Heute hingegen herrschte strahlender Sonnenschein und der wollte der Stadt so gar nichts mystisches verleihen. Nach einigem hin und her mit dem Bürgermeister durften wir in einer Pilgerherberge übernachten, die normalerweise 12€ kosten würde. Bei unserem letzten Besuch hier, hatte es diese Herberge noch nicht gegeben. Stattdessen hatten wir von einem afrikanischen Pfarrer einen kleinen Unterrichtsraum ohne Toiletten bekommen. Heute gab es einen neuen Pfarrer, der nicht aus Afrika stammte und uns mit den Worten „Oh, da haben wir hier leider nichts und dummerweise muss ich jetzt zur Chorprobe! Viel Spaß bei der Suche“ abspeiste.

Die Herberge selbst war durchaus eine Steigerung gegenüber unserem letzten Schlafplatz am gleichen Ort, aber besonders gut überlegt hatte man sich den Ort dafür nicht. Sie lag direkt neben der Hauptstraße, rund einen Kilometer außerhalb der Innenstadt, so dass man als Pilger erst an ihr vorbei zum Rathaus und dann wieder zurück gehen musste. Auf halber Strecke zwischen den Cafés und Restaurants befand sich ein Supermarkt. Jeder Pilger, der also vielleicht sogar gerade dabei war, zusätzliches Geld für einen Restaurantbesuch oder ein Feierabendbier in einem Café auszugeben, wurde also spätestens hier abgefangen und mit einer Packung Spagetti oder einem Sechserträger zurück in die Herberge geschickt. Es schien fast, als wollte die Gemeinde bewusst verhindern, dass sie an den Pilgern auf freiwilliger, selbstbestimmter Ebene Geld verdient.

16.10.2017

Pilzsafari

Gibt es etwas schöneres, als ausgedehnte Herbstwälder, die vom Licht der sanften Oktobersonne goldgelb erleuchtet werden?

Heute durften wir rund 15km fast ausschließlich durch so einen Wald wandern. Dabei fiel uns erst einmal aus, wie wenig echte Wälder es doch in Europa. In Großbritannien beispielsweise hatten wir keinen einzigen durchquert. Von Irland ganz zu schweigen.Aber auch Spanien,Portugal, Italien und Osteuropa hatten wir größtenteils als Baumlos oder zumindest Waldlos erlebt. Klar sind wir auch dort immer wieder in kleinere Gebiete mit Bäumen gegangen, aber so richti durch einen Wald zu streifen ist schon noch einmal etwas anderes. Vor allem, wo gerade auch noch die Zeit der Pilze ist.

Leider kennen wir uns mit den kleinen Freunden noch immer nicht gut genug aus, um selber sammeln zu gehen, aber heute konnten wir zumindest schon einmal eine Pilzsafari machen, bei der wir viele wirklich außergewöhnliche Exemplare vor die Linse bekamen.

Spruch des Tages: Zeiten ändern sich.

Höhenmeter 240m / 85m / 130m / 45m

Tagesetappe: 15km / 13km / 16km / 9km

Gesamtstrecke: 26.870,27km

Wetter: Schnee, Kälte und Winterstimmung

Etappenziel 1: Frauenkloster, Sankt Vith, Belgien

Etappenziel 2: Bildungsstädte Kloster St. Raphael, Montenau, Belgien

Etappenziel 3: Frauenkloster, 3km süsdwestlich von Bütgenbach, Belgien

Etappenziel 4: Privates Gästezimmer, Weywertz, Belgien

14.10.2017

Im Moment scheint hier alles darauf ausgelegt zu sein, unsere Intuition zu schulen und endlich ein Vertrauen zu ihr aufzubauen. Noch nie auf unserer ganzen reise hatten wir so verhäuft Situationen, in denen wir zwar einen Schlafplatz angeboten bekamen, diesen jedoch von uns aus ablehnen mussten, weil er absolut unerträglich war.

Jeden Tag liegt ein neuer Weg ins Ungewisse vor uns.

Jeden Tag liegt ein neuer Weg ins Ungewisse vor uns.

Das erste Mal hatten wir diese Situation vor einigen Wochen, als wir rund 12km gewandert sind um einen Pfarrer zu treffen der einen Platz organisiert hatte. Schon während des Telefonates hatte ich das Gefühl, dass dies kein guter Plan war und dass wir ihn unbedingt mit den Muskeln überprüfen sollten. Als ich ihn Heiko dann jedoch erklärte, klang er gar nicht mehr so schlecht und wir vertrauten darauf, dass es schon funktionieren würde. Gute zwei Stunden später standen wir dann in einer Art Hundezwinger, der sich quasi direkt auf der Straße befand. Vor zwei Tagen gab es eine ähnliche Situation. Die Rathaussekretärin hatte eine ältere Dame angerufen, die bereit war uns aufzunehmen. Sie habe ein Gästezimmer und wohne gleich um die Ecke. Auch hier hatte ich von der ersten Sekunde an das Gefühl „das passt nicht! Du fühlst dich hier nicht wohl und auch wenn diese Frau freundlich tut, geht eine Ablehnung von ihr aus, die fast körperlich spürbar ist!“

Alte Steinkirche

Alte Steinkirche

Aber meine Füße taten weh und es wirkte nicht, als würde es in den Nachbardörfern besser werden. Also nahm ich an. Zwei Stunden saßen wir darauf hin im Garten, direkt neben der Hauptstraße und warteten darauf, endlich raus aus dem Lärm und hinein in unser Zimmer zu können. Zunächst hieß es, dass dies noch nicht ginge, solange die Putzfrau da war, dann war unsere Gastgeberin plötzlich verschwunden. Schließlich tauchte ihr Mann auf, der zuvor von ihr nicht über unsere Ankunft informiert worden war und der dementsprechend gnietschig auf uns reagierte. Und schließlich hieß es dann, es sei von Anfang an der Plan gewesen, dass wir in einem winzigen Gartenhäuschen schlafen sollten, das sogar noch näher an der Straße lag und dazu noch von einer riesigen Gefriertruhe eingenommen wurde.

Endlich mal wieder Sonne um die Wäsche zu trocknen.

Endlich mal wieder Sonne um die Wäsche zu trocknen.

Die heilige Familie.

Die heilige Familie.

Und heute standen wir schon wieder eine ähnlichen Situation gegenüber. Ein freundlicher Herr hatte und eingeladen, in seinem Hotel zu übernachten, da kein Bürgermeister und auch sonst niemand auffindbar war, der hätte hilfreich sein können. Das Angebot war super, nur gab es das Problem, dass sich unser Zimmer direkt neben dem Heizungskeller befand, in dem irgendeine Maschine mit fast der gleichen Intensität brummte, wie die Schiffsschraube auf unsere letzten Fähre. Und auch hier hatten wir gleich beim ersten Mal vorbei gehen an besagtem Hotel sofort das Gefühl, dass dies eher kein Platz für uns war.

Industrielle Spritsmaschine zum Ausbringen von Pestiziden

Industrielle Spritsmaschine zum Ausbringen von Pestiziden

Jedes Mal, wenn diese Situationen auftauchten, dann gab uns unsere Intuition also klar und deutlich Bescheid. Und jedes Mal, wenn wir nicht auf sie hören, bringen wir uns damit selbst in eine unangenehme Situation, die man zwar irgendwie aushalten unter keinen Umständen aber genießen kann. Und egal wie lange wir brauchen, um das zu erkennen, es lohnt sich trotzdem jedes Mal wieder, die Situation zu verlassen und ins Ungewisse aufzubrechen. Einmal bekamen wir dafür eine Einladung von einem ganz lieben Pärchen mit einem großen, gemütlichen Haus, einmal bekamen wir ein angenehmes Hotelzimmer, einmal einen Festsaal mit Küche und geliefertem Abendessen und heute einen Platz in einem kleinen Holzhäuschen, in dem der Nachmittagsunterricht für die Kinder des Ortes stattfand. Obwohl dieser Raum ein totales Chaos voller Papierschnippel, Scheren, Bundstifte und Pappkartons war und obwohl ich mich zum nächtlichen Arbeiten auf die Toilette zurückzog, war es hier immer noch angenehmer und gemütlicher, vor allem aber ruhiger und wärmer, als in besagtem Hotel zuvor. Natürlich wurde es nicht der produktivste Tag aller Zeiten, aber wir waren hier trotz der späten Ankunft noch immer effektiver als wir es in einem Hotel des permanent-Dröhnens je hätten sein können.

Ein Altar

Ein Altar mit Blumengesteck

Altar im Sonnenlicht

Altar im Sonnenlicht

Erkenntnis des Tages: Es lohnt sich immer auf die eigene Intuition zu hören, egal wie viel Unsicherheit dies zunächst auch mit sich bringen mag. Am Ende wird man von seinem Herzen doch stets belohnt!

Höhenmeter 195m / 260m

Tagesetappe: 15km / 17km

Gesamtstrecke: 26.817,27km

Wetter: herbstlich, kalt, bewölkt, nass, neblig, ungemütlich

Etappenziel 1: Kloster, Niederprüm, Deutschland

Etappenziel 2: Privates Gästezimmer, Bleialf, Deutschland

Etappenziel 3: Gemeindehaus der evangelischen Kirche , Gerolstein, Deutdchland

Etappenziel 4: Privates Gästezimmer, Büdesheim, Deutschland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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