Der Bär als Krafttier

von Franz Bujor
31.08.2017 05:37 Uhr

Fortsetzung von Tag 1231:

Der Geist kontrolliert den Körper

Bei mir war es eine Aufgabe, die mir noch einmal weitere wichtige Erkenntnisse eingebracht hat. Ich sollte 7 Minuten lang in der mittleren Liegestützposition ausharren, also mit den Armen im 90° Winkel. An einem Stück habe ich das natürlich nicht geschafft, sondern nur scheibchenweise in kleinen Abschnitten von 3 bis 30 Sekunden. Dabei wurden aber die Themen Zeit, Präsenz, Konzentration und Fokus noch einmal sehr deutlich.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass es Heiko einen Heiden-Spaß gemacht hat, mir zuzusehen und meine Glanzleistung mit lauter lustigen Sprüchen zu kommentieren. „Oh, ich hätte nicht gedacht, dass du schon zusammenbrichst, noch bevor du überhaupt in die Liegestützposition gehst. Dachte immer, dass man einen Muskel auch benutzen muss, damit er angestrengt wird.“ Irgendwann lag ich dann wie Tod auf unserem Kirchenboden, spürte meine Arme nicht mehr und hatte keine Idee, wie ich jemals wieder aufstehen sollte. Und ja, es muss echt lustig ausgesehen haben.

Die Themen Zeit, Präsenz, Konzentration und Fokus wurden beim Liegestütz noch einmal sehr deutlich.

Die Themen Zeit, Präsenz, Konzentration und Fokus wurden beim Liegestütz noch einmal sehr deutlich.

 

Ohne Fokus, aber mit Handbremse

Ich glaube, mir hätte es auch Spaß gemacht, mir dabei zuzusehen und mich dabei zu verarschen. Spannend war aber, dass diese kleinen Kommentare vollkommen ausgereicht haben, um mich komplett aus der Konzentration zu bringen. Einige Male konnte ich meine Kraft zentralisieren und meinen Fokus so legen, dass ich es länger ausgehalten habe, als zuvor. Dann ein Satz oder auch nur ein Wort: „90°!“, oder „Rücken grade!“ oder „Jetzt hast du's fast geschafft! Nur noch sechseinhalb Minuten!“ Und Zack! Keine Kraft, sofortiger Zusammenbruch. Jede noch so kleine Ablenkung reicht aus, um mich aus dem Konzept zu bringen. (Wie jetzt zum Beispiel gerade ein juckendes Ohr, dem ich mich mitten im Satz widmen musste, sodass ich erst einmal vergaß, was ich eigentlich schreiben wollte.)

Ich denke, das ist schon mal ein Bestandteil der Handbremse.

Der Fokus entscheidet

Der zweite war, dass ich zwar durchaus einen Fokus setzen kann, diesen aber nie besonders geschickt setze. Direkt auf den Schmerz zum Beispiel. Wenn meine Arme vor Anstrengung zu brennen anfangen, dann konzentriere ich mich genau auf dieses Brennen und mache es dadurch immer stärker und stärker. Als Heiko mir die Aufgabe gab, mich stattdessen zwar auf meine Finger am Boden zu konzentrieren, den Fokus dabei aber auf alle Muskeln in meinem Körper zu legen, die ihre geballte Kraft nutzen, um mich oben zu halten, wurde es bedeutend leichter. Es tat weniger weh und ich hatte mehr Kraft und hielt länger durch. Hier ist auch ein wichtiger Punkt: Sobald irgendwo ein Schmerz, ein Leid oder ein Problem ist, konzentriere ich mich darauf und verstärke es dadurch, anstatt mich beispielsweise auf meine Kraft zu konzentrieren, oder auf die Lösung oder die Punkte, in denen ich keinen Schmerz spüre. Somit kämpfe ich also immer gegen mich selbst an und verringere meine eigene Kraft auf ein Minimum.

Die Konzentration auf das Positive und Kraftvolle bündeln.

Die Konzentration auf das Positive und Kraftvolle bündeln.

 

Zwischen einem Augenblick und der Ewigkeit

Der dritte Punkt war mein Bezug zurzeit. Wenn Heiko sagte: „Den letzten Teil musst du nun ohne Absetzen schaffen, sonst fangen wir von diesem Zeitpunkt noch einmal von vorne an!“, ohne mir aber eine Zeit zu geben, wie lange ich durchhalten musste, gab ich jedes Mal ein paar Sekunden vor dem Ziel auf. Einmal sogar eine einzige Sekunde. Wenn ich jedoch wusste, wie lange es klappen musste, dann erreichte ich da gesteckte Ziel immer mit letzter Kraft. Dies brachte uns darauf, dass es in meiner Vorstellung kein Zeitgefühl in diesem Sinne gibt. Zeit ist für mich eine vollkommen unbekannte Größe, die ich in nur zwei unterschiedliche Werte einteile: kurz und ewig. Die Frage im Zusammenhang mit Zeit lautet also immer: Ist es so kurz, dass ich es aushalten und hoffen kann, dass der nächste Moment besser wird, oder dauert es ewig, sodass ich mich entweder daran gewöhnen oder mir einen Ausweg suchen muss. Dazwischen gibt es nichts. Er gibt kein herantasten und keine Zeitabschnitte, sondern nur ein „Alles oder nichts.“ Genauso versuche ich auch zu lernen oder mich zu entwickeln. Entweder es klappt gar nichts, oder es muss 100 % sein. Kleine, bewusste Schritte erkenne ich nicht und kann sie daher auch nicht gehen. Da ich mir die 100 % in der Regel aber nicht zutraue, bleibe ich die meiste Zeit da stehen, wo ich bin und ärgere mich dann.

Die Zeit als Verbündeter

Das zweite spannende war, dass Zeit für mich ein Gegenspieler ist, zu dem ich einen sehr negativen Bezug habe. Zeit ist immer entweder das, was mir durch die Finger rinnt, ohne dass ich es nutzen kann, oder das, was nicht rumgehen will und mich im Leiden festhält. Die Gefühle sind also entweder: „Scheiße, scheiße, ich bin zu langsam!“ oder „Oh Gott, wie lange noch! Nur schnell vorbeigehen, denn dann wird alles besser!“

Sehr sinnvoll, oder?

Hier merke ich, dass das gerade noch der schwerste Punkt für mich ist. Es geht darum, die Zeit als Werkzeug zu nutzen, sie als Geschenk, als Freund und als Unterstützung anzusehen. Ich muss irgendwie ein Gefühl für sie bekommen, um mit ihr tanzen zu können. Um sie überhaupt kennenzulernen und um zu spüren, wie ich mich in ihr bewege. Lernen, mich über den Moment, aber auch über den Fluss der Zeit zu freuen. Ich will sie am liebsten immer festhalten oder anhalten, weil mir alles zu schnell geht. Und dann wieder anschubsen und beschleunigen, wenn sie meiner Meinung nach zu langsam ist. Ich kann sie nicht fließen lassen und mich ihrer Strömung hingeben, wie ein Schwimmer in einem Fluss.

Dies zu lernen, ist wohl eine meiner aktuellen Aufgaben. Spannend dabei ist, dass ich bislang immer Angst hatte, wenn es um Entwicklungsschritte ging, weil ich nie wusste, was da auf mich zukommt. Gerade ist zum ersten Mal ein Gefühl von Freude dabei, wo ich Lust bekomme, hier wirklich mehr über mich und über die Zeit herauszufinden.

Das Gefühl für Zeit ist für jedes Wesen anders oder nicht vorhanden.

Das Gefühl für Zeit ist für jedes Wesen anders oder nicht vorhanden.

Weitere Austestungen

Im Anschluss haben wir dann noch einige weitere Dinge ausgetestet. Die erste Frage lautete: Soll mein Branding noch einmal nach geschnitten werden, an den Stellen, an denen die Narben kaum oder gar nicht sichtbar sind?

Es ist nun zu großen Teilen verheilt und das ohne Komplikationen oder komische Wulstnarben. Das meiste sieht sehr gut aus, aber an einigen Stellen ist es so gut verheilt, dass man fast gar nichts mehr sieht. Damit es seine Kraft entwickeln kann, sollte es daher noch einmal an einigen Stellen etwas überarbeitet werden. Allerdings sollen wir hier noch abwarten, was uns Quentin noch an Informationen dazu schickt. Wenn es so weit ist, soll bei Heiko gleich in einem Abwasch auch die nächste Hautwucherung entfernt werden.

Krafttier Bär

Der zweite Punkt bezog sich vor allem auf Shania. Sie hatte ja vor einigen Tagen eine Krafttierreise gemacht, die uns aus irgendeinem Grund ebenfalls sehr stark beeinflusst hatte. Durch ihre letzte Mail verstanden wir jetzt auch warum. Sie hatte in ihrer Vision nicht nur ihr eigenes, sondern auch das Krafttier von Heiko und mir gesehen. Ihres war der Rabe und Heikos war, wie wir ja bereits wussten, der Wolf. Ich jedoch hatte bislang nie eine Ahnung, welches mein eigenes Krafttier ist. Als Shania jedoch von dem Bären erzählte, auf dem sie durch die Welt reiten durfte und der wie ein beschützender Freund und Bruder für sie war, spürte ich sofort, dass dieser Bär zu mir gehörte.

Zum ersten Mal stand kein Fragezeichen mehr hinter dem Tier. Mir war klar, das ist es. Noch nicht mein Dodem, also noch nicht das Tier, mit dem ich im Geiste verbunden bin und das sich meiner angenommen hat, um mich zum Erwachen zu führen. Aber mein Krafttier, also das, was als Unterstützer, Berater, Freund und Kraftgeber an meiner Seite steht. Das zu hören, fühlte sich wirklich gut an! Auf dieser Ebene bin ich nun also auch einen riesigen Schritt weiter und wer weiß, wann ich da von selbst drauf gekommen wäre. Spannend, dass der Bär bei meinem Tattoo das zentrale Tier genau auf meinen Beziehungswirbeln sein wird. (OK, das wäre auch ein Hinweis gewesen, aber daran habe ich nicht gedacht!) Hier haben wir übrigens ausgetestet, dass Shania bei ihrem nächsten Besuch die Linien mit der Hand tätowieren soll und dass ich zuvor selbst im Photoshop die Vorlage erstellen soll.

Der Bär steht als Krafttier für Lebenskraft, Mut und Instinkt

Der Bär steht als Krafttier für Lebenskraft, Mut und Instinkt.

 

Gleichzeitig kamen wir jedoch darauf, dass Shanias Dodem eine Katze, bzw. ein Raubkatzenwesen ist. Bei unseren Austestungen kam heraus, dass es sich aber nicht um eine „herkömmliche“ Raubkatze handelt, sondern um das Kind eines weiblichen Geparden und eines männlichen Pumas. Seit langem war klar, dass sie als einen ihrer Wandlungsschritte auch ihre Augen mit Permanent Make-up unterstreichen sollte. Nun verstanden wir, warum und wie genau dies sein sollte. Das Make-up soll ihnen insgesamt ein katzenhaftes, also geparden-puma-mischlingshaftes Aussehen verleihen.

 

Spruch des Tages: Oh grandfather bear, why won´t you come here...

Höhenmeter: 490 m

Tagesetappe: 27 km

Gesamtstrecke: 22.572,27 km

Wetter: sonnig

Etappenziel: Kapelle, kleines Dorf vor S Y16 4JN Mochdre, Wales

18.05.2017

Wir haben heute mit Hilfe des Muskeltests mal wieder unsere Herzensverstöße und Sanktionen, sowie ein paar weitere Dinge ausgetestet, die sich als sehr aufschlussreich herausstellten. Die gute Nachricht dabei ist, dass Shania seit dem letzten Mal nur 6 Verstöße hatte, die zu 60% auch noch kleine Verstöße waren. 30% waren große Vergehen und 10% mittlere.

Bei mir selbst sieht es leider etwas anders aus. Ich hatte 10,4 Millionen Verstöße seit dem letzten Mal und davon 92% große Vergehen, 4% mittlere und 4% kleine. Als ich das Ergebnis hörte kam sofort eine tiefe Traurigkeit in mir auf uns ich war den Tränen nahe. Ich konnte nicht genau sagen warum ich traurig wurde, aber es war da, gemeinsam mit einem Gefühl von Verzweiflung, oder nein, eigentlich eher Enttäuschung. Man könnte es wohl auch einfach als „weinerlich“ bezeichnen.

 

Es fehlt an Aufmerksamkeit

Meine erste Frage dazu war, was überhaupt ein großes Vergehen ist, denn im Grunde hatte ich keine Ahnung, was damit gemeint war. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass es durchaus auf der Hand lag: 40% machte meine Langsamkeit aus, also der Umstand, dass ich für alles rund die 12fache Zeit brauche, wie alle anderen. 20% kam durch mein „Nervig sein“ also durch die Kombination aus Langsamkeit, Unaufmerksamkeit, Unkonzentriertheit und geistige Abwesenheit, durch die ich permanent im Weg stehe, Sachen vergesse, verliere oder in der Gegend verteile und so weiter. Die letzten 40% machen meine Unstrukturiert aus, also das Fehlen eines Basiskonzeptes, an dem ich mich entlanghangeln kann um zielgerichtet und systematisch zu arbeiten und zu leben. Es sind also genau die Punkte, mit denen ich tagtäglich kämpfe. Und im Moment wirklich kämpfe. Ich weiß, dass es eigentlich ein Tanzen mit den Themen sein sollte, aber das klappt gerade noch nicht so richtig. Im Gegenteil, je mehr ich darüber erfuhr, desto weinerlicher wurde ich und desto unzufriedener war ich mit mir selbst. Heiko brachte mich darauf, zu fragen, woher diese Traurigkeit und Unzufriedenheit kommt. Vor allem: warum kam sie nun in diesem Moment, wo wir darüber sprachen, obwohl mich die drei Themen ja die ganze Zeit beschäftigten?

 

Kreislauf der Unproduktivität

Ich war hier wieder bei dem Todesangstkonflikt, den ich selbst mit meiner eigenen Unproduktivität verbinde Ich habe das Gefühl, dass ich kein Teil der Gruppe sein darf, wenn ich nicht produktiv und wertvoll bin und als dies fühle ich mich eben gerade nicht. Ich merke nur, dass ich so gerne hilfreich und produktiv sein möchte, aber wie eine innere Wand in mir habe, die ich nicht durchdringen kann und die mich davon abhält. Ich fühle mich wie blockiert, so als würde ich die ganze Zeit versuchen mit angezogener Handbremse zu fahren. Tatsächlich liege ich im Moment bei einer Produktionsfähigkeit als Sklave von gerade einmal 7%. Ich bekomme also genauste Aufträge, Coachings, Zeitvorgaben und so weiter und schaffe trotzdem nur 7%! Und das stellt mich natürlich vor zwei Probleme. Zum ersten glaube ich nicht, dass ich auf diese Weise Teil der Gruppe sein kann und dass ich es daher verdient hätte, verstoßen zu werden. Ich selbst hasse es, wenn jemand so Unproduktiv ist und würde ihn nicht in meiner Gruppe haben wollen. Ich kann diese Unstrukturiertheit in mir nicht akzeptieren und glaube deswegen auch, dass es kein anderer kann. Gleichzeitig glaube ich aber auch nicht, dass ich ohne die Gruppe alleine überleben kann und zwar aus genau den gleichen Gründen. Wenn ich dazu im Stande wäre, dann gäbe es ja auch keinen Grund mehr, mich zu verstoßen. Es ist also eine Zwickmühle, die mir immer wieder das Signal gibt: „So wie du bist, bist du falsch und wirst sterben!“ Dass diese Gedanken nicht allzu hilfreich sind, weiß ich auch.

 

Es ist nicht neu, du hast es nur neu erkannt!

Heiko hat mir jedoch eine Sache bewusst gemacht, die mir überhaupt nicht klar war und die mir die gesamte Situation ungemein erleichtert. Ich bin ja nicht erst seit neustem so verpeilt und unproduktiv. Um es mit Heikos Worten zu sagen: „Du warst ja schon so scheiße, als ich dich kennengelernt habe, also ist es für mich nichts neues! Ich wusste ja, was ich da kaufe, wenn ich mit dir zusammen lebe. Das einzige, was dich gerade fertig macht ist, dass du es nicht wusstest, aber jetzt langsam mitbekommst. Das fühlt sich natürlich erst einmal komisch an, aber es ist ja wichtig, dass du es fühlst, damit sich etwas wandeln kann.“

Damit habe ich mich zum ersten mal richtig erleichtert gefühlt. Es stimmte ja. Die angezogene Handbremse in meinem Leben ist da schon immer und ich habe es nie geschafft, mehr als 7% von dem zu leisten, das ich leisten könnte. Allen anderen war dies auch klar, nur ich hab es bislang nie gemerkt.

Die größte Schwäche und die größte Aufgabe

Als Heiko und ich Freunde und Partner wurden, hat er genau gewusst, dass er sich einen Trabbi kauft, in dem ein Entwicklungspotential steckt, so dass er einmal eine ordentliche Zugmaschine werden kann. Ich hingegen dachte, ich sei ein Ferrari und wollte natürlich auch immer so auftreten. Jetzt wo ich merke, dass ich keine bin, kommt die Angst in mir auf, dass er vielleicht keinen Trabbi haben will, da ich in mir ja auch lieber einen Ferrari hätte und somit kommt die Angst, nicht gut genug zu sein. Klar dürfen es deutlich mehr als 7% werden, aber das ist nun einmal meine Ausgangslage und erst wenn ich die annehme, kann sich auch etwas wandeln.

In unserem Gespräch wurde mir auch bewusst, dass meine innere Handbremse meine Aufgabe ist, mit der ich umgehen lernen muss. Bislang war meine Strategie, sie entweder zu ignorieren und zu leugnen, oder mich dafür zu verurteilen, was beides nicht so hilfreich war. Sie ist mein Schlüssel zum Erwachen und zum Eintauchen in die anderen Dimensionen und Welten. Ähnlich wie bei Heiko der Tinnitus. Es ist eine Aufgabe, die uns über lange Zeit begleitet und uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Meine Idee bislang war immer, dass ich einfach aufhören sollte, einen Tinnitus in Form der Handbremse zu haben. Das klappt natürlich nicht.

Erkennen wo man steht

Gerade wird mir auch noch etwas anderes bewusst. Wir haben uns ja oft und immer wieder die Frage gestellt: „Wer bin ich wirklich?“ Ich habe sie immer so verstanden, dass es darum geht, zu erkennen, was das göttliche Sein ist. Also zu erkennen, dass man eben nicht der Mensch ist, der man zu sein glaubt, sondern ein Teil von Gott, der sich hier in diesem Lebenstraum selbst erlebt. Aber das ist nur ein kleiner Teil und dazu noch so ziemlich der letzte. Viel mehr geht es darum, zu erkennen, welche Rolle man in diesem Lebenstraum hier spielt. Also die Frage: „Wer bin ich gerade?“ Wo stehe ich? Welche Aufgaben, Hindernisse, Schwächen und so weiter habe ich durch die Filme mitbekommen, von denen aus ich meinen Weg zum Gottbewusstsein gehen soll. Mitten im Wald zu stehen und zu wissen, dass man irgendwo auf die strahlende Sommerwiese der Glückseligkeit gelangen soll ist zwar gut und wichtig. Aber es hilft einem nicht solange man nicht weiß, wo man sich gerade befindet. Mein Ziel war es immer nur, irgendwie dorthin zu kommen, aber wenn ich mich in meiner Umgebung umgesehen habe, kam nur das Gefühl auf: „Scheiße, hier bist du falsch!“ und nie „Aha, hier bist du also! Ist ja interessant, das heißt, du musst also in diese Richtung weiter, wenn du ans Ziel willst!“

Dazu war es natürlich ebenfalls nicht hilfreich zu glauben, ich müsste das Bild eines Ferraris aufrecht erhalten, damit niemand merkt, wie unproduktiv ich bin, um nicht verstoßen zu werden. Anstatt mich in meinem Wald umzusehen und zu erkennen, was mich fest hält und wo ich mir vielleicht Brotkrumen gelegt habe, die mich hinaus führen, habe ich Girlanden aufgehängt und die Bäume angemalt, damit es hübscher aussieht und ich sagen konnte: „Schaut mal, so schlimm ist es hier doch gar nicht, ihr müsst mich also nicht verstoßen!“

Es fühlt sich gerade sehr gut an, das alles einmal bewusst zu merken und zu fühlen.

Im Anschluss haben wir dann natürlich auch die Sanktionen ausgetestet.

Fortsetzung folgt...

 

Spruch des Tages: Ohne Bremse geht es schneller

Höhenmeter: 290 m         

Tagesetappe: 20 km

Gesamtstrecke: 22.545,27 km

Wetter: Regen, Kälte

Etappenziel: Kirche, Abbeycwmhir, Wales

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

16.-17.05.2017

Die letzten beiden Tage erfuhren wir noch einmal einige interessante Dinge über die Kirche in England. Gestern waren wir zum Mittagessen zu Gast bei einem pensionierten Pfarrer, der die letzten 80 Jahre der Kirchengeschichte selbst miterlebt hatte. Vom Grundsystem her war die Kirche hier der französischen sehr ähnlich. Es gab keine Kirchenstreuer und auch keine Verbindung zwischen Staat und Kirche, wie es bei uns der Fall ist. Anders als in Frankreich wurde die Kirche hier aber nicht enteignet, so dass sie ihre Gebäude noch immer selbst besitzt und verwaltet. Der größte Vorteil, den sie hier hat ist der, dass es zum einen in jedem Ort noch immer einen Kirchenverwalter gibt, also immer jemanden, der sich um die Gebäude kümmert und dafür sorgt, das alles erhalten bleibt.

Reiche Spender halten die Kirche am Leben

Der zweite, wahrscheinlich noch größere Vorteil ist, dass es bis heute einige sehr wohlhabende und einflussreiche Vertreter der Oberschicht gibt, die auch in der Kirche aktiv sind. Kirche und Adel sind hier bis heute eng verwoben und viele Bischöfe sind gleichzeitig auch Mitglieder in von wichtigen Adelshäusern. Die Spendenmoral der Menschen insgesamt ist stark zurückgegangen und fast jedes Dorf rudert für den Erhalt seiner Kirchen was das Zeug hält, aber es gibt eben immer wieder auch Menschen mit viel Geld und Einfluss, die einen Teil ihres Vermögens für den Erhalt der Kirche spenden. Ohne dies gäbe es wohl auch hier an vielen Orten nur noch Ruinen, wie es in Frankreich der Fall war.

Dies erklärt dann aber natürlich auch wieder, warum die Pfarrer in einigen Orten so verschlossen gegenüber Pilgern und Reisenden waren, wie es in unserem Reichenort von vor zwei Wochen der Fall war. Es ging nicht darum, dass er Angst hatte, wir könnten etwas stehlen, sondern dass er fürchtete, die reichen Geldgeber seiner Gemeinde könnten sich darüber pikieren und ihm vielleicht den Hahn abdrehen. Im Laufe der Zeit hatte sich eh schon viel gewandelt und wenig davon zum Guten. Die Kirche in der wir vorgestern übernachteten, war etwas über 600 Jahre alt und vor knapp 200 Jahren hatte man noch einmal einen Teil angebaut, weil das ursprüngliche Gebäude zu klein geworden war. Als der Kirchenverwalter jung war, waren regelmäßig rund 50 Besucher zur Sonntagsmesse gekommen. Heute waren es noch 5 und die Messe fand nur noch einmal im Monat statt.

Die Zeiten ändern sich

Als uns der Pfarrer unseren Schlafplatz zeigte, kamen wir an einer beeindruckenden Villa vorbei, die einst das Pfarrhaus gewesen war. „Auch hier seht ihr, wie sich die Dinge ändern!“ meinte er mit leicht bitterem Unterton: „Früher war das der Sitz des Pfarrers für unsere kleine Gemeinde. Heute hat der amtierende Pfarrer ein kleines Häuschen am Ortsrand und ist für 7 Gemeinden zuständig.“ Auch hier gab es also die gleiche Tendenz, dass ein Pfarrer immer mehr Gemeinden übernehmen musste, Der Rentner machte sich nichts vor. „Wir steuern hier auf das gleiche System zu wie in Frankreich und das mit ziemlich großen Schritten!“

Zum Übernachten wurden wir dann in einen Gruppenraum der Quäker eingeladen, der knapp vier Kilometer außerhalb der Ortschaft auf einem Berg lag. Den Begriff Quäker hatte ich schon einige Male gehört, wenngleich ich ihn erst einmal nicht wirklich zuordnen konnte. Soweit wir es verstanden ist es ein christlicher Orden oder eine christliche Gemeinschaft, die ein bisschen wie die Mormonen vor allem die Friedfertigkeit als zentralen Wert für sich verankert haben. Einige recht einflussreiche Persönlichkeiten in Großbritannien waren Quäker und dies war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie in einigen Zeiten verfolgt und ermordet wurden. Wie gesagt, über Hintergründe und Geschichte erfuhren wir nicht viel, aber wir bekamen ein bisschen was von den Traditionen und Ritualen mit.

Die Traditionen der Quäker

Eine Quäker-Messe läuft komplett anders ab, als die einer herkömmlichen, christlichen Gemeinde. Es gibt keinen Pfarrer der für die anderen predigt und man sitzt auch nicht auf einen Altar hin ausgerichtet. Die Zeremonie erinnert eher an einen Redekreis wie er bei den Naturvölkern zelebriert wird. Alle sitzen im Kreis und zunächst einmal horcht jeder in sich hinein, während nach außen hin alles still bleibt. Wenn jemand eine Eingebung bekommt, beginnt er zu sprechen und startet vielleicht mit einem Gebet, einer Danksagung oder irgendetwas anderem, was gerade in ihm präsent ist. Es kann aber auch sein, dass niemand eine Eingebung bekommt und man die komplette Zeremonie über einfach schweigend zusammen sitzt. Wenn das der Fall ist, ist es ebenfalls in Ordnung. Ich muss sagen, dass mir diese Form bei weitem besser gefällt, als die herkömmlichen Messen.

Spannend wird es aber vor allem bei Hochzeiten, wie uns unser Pfarrer erzählte. Denn diese finden im gleichen Stil statt. Die gesamte Hochzeitsgesellschaft sitzt schweigend im Kreis, bis sich jemand berufen fühlt, mit der Zeremonie zu beginnen. Meistens ist es der Bräutigam, der das Wort an seine Braut richtet. Es kann aber auch anders herum sein. Wenn einer der beiden gesprochen hat, entsteht meist wieder eine Stille, bis der andere den Impuls spürt, auf das gesagte zu reagieren. Das schöne dabei ist, dass jeder der beiden bei dieser Trauung tief in sich hinein spürt und wartet bis er die Liebe und die Verbindung zum anderen wirklich intensiv spürt. Dann teilt er dieses Gefühl und gibt dem anderen die Gelegenheit das selbe zu tun. Es ist also kein Ja-Wort auf Kommando, sondern der Ausdruck eines realen Gefühls der Verbundenheit. Es kann natürlich auch passieren, dass dieses Gefühl gar nicht aufkommt. Was dann passiert vermochte auch der Pfarrer nicht mit Gewissheit sagen.

Das kleine Versammlungshaus wurde von einer älteren Frau betreut, die im Haus nebenan lebte und ebenfalls teil der Quäker-Gemeinde war. Sie erklärte uns, dass der Orden inzwischen kein christlicher Orden mehr war. Er hatte zwar einmal als solcher begonnen, hatte sich nun aber von einer direkten religiösen Ausrichtung losgelöst, wodurch es auch buddhistische, muslimische, hinduistische, jüdische und atheistische Mitglieder gab.

Schlafen in der Kirche

Heute erreichten wir dann einen weiteren Ort mit einer langen religiösen Tradition. Viele Jahre zuvor hatte es hier ein einflussreiches Kloster gegeben, von dem nun aber nur noch einige alte Mauern zu sehen waren, die hauptsächlich von den Schafen als Windschutz genutzt wurden. Der Kirchenverwalter war bereits von unserem pensionierten Pfarrer über unsere Ankunft informiert worden und erwartete uns bereits. „Wir haben einen schönen, kleinen Nebenraum mit einem Holzfußboden, wo es nicht so kalt sein dürfte!“ meinte er mit einem großartigen Welser Akzent, der einen sofort an Seebären und Piraten erinnerte. Die Sache mit dem Holzfußboden stimmte, aber warm wurde es leider trotzdem nicht, denn der „Nebenraum“ hatte zwar eine Tür aber keine Wand, die ihn vom Rest der Kirche abtrennte. Früher einmal hatte es in dieser Kirche ein ausgeklügeltes Heizungssystem gegeben.

Auf der Kirchenrückseite hatte sich dafür ein kleiner Anbau befunden, in dem ein großes Feuer geschürt wurde, dessen Wärme man dann durch Rohre direkt unter die Kirchenbänke leiten konnte. Im Rahmen der Modernisierung hatte man dieses System jedoch demontiert und durch Infrarotlampen an der Decke ersetzt. Die waren leichter zu bedienen und funktionierten durch einen einfachen Knopfdruck. Dafür wärmten sie aber auch so gut wie gar nicht mehr.

Durch den Verwalter erfuhren wir noch etwas mehr über das System, mit dem die Kirchen hier am Laufen gehalten werden. Es gibt eine Art Jahresplan, nachdem sich alle Gemeindemitglieder verpflichten, die Kirche selbst instand zu halten. Jeder muss zwei Mal im Jahr rasen mähen, jeder muss mithelfen, wenn etwas gestrichen, verfugt oder sonst wie erneuert werden muss, jeder hat ab und an einmal Putzdienst und so weiter. Dennoch müssen sie natürlich alles daran setzen, so viel Spenden wie möglich zu sammeln. Die Kathedrale in der wir vor einer guten Woche die Verabschiedung des Bischofs mit erlebt hatten, hatte dazu mit einem großen Werbeschild auf sich aufmerksam gemacht: „Diese Kathedrale braucht 5 Pfund in jeder Minute, nur um nicht zu verfallen. Bitte helfen Sie uns eine Minute weiter!“ Es ist schon enorm, wie viel solche Gebäude verschlucken, oder?

Spruch des Tages: What do priests do, when they run out of holy water? They take the normal one and boile the hell out of it, so what´s left then must be holy! (Spruch eines Rentners vor der Kirche. Funktioniert leider nur auf Englisch. Sinngemäß bedeutet es soviel wie: „Was macht ein Pfarrer, wenn er kein Weihwasser mehr hat? Er nimmt normales Wasser und „kocht die Hölle raus“ [englische Redewendung, meint soviel wie „kocht es was das Zeug hält“] Was dann übrig bleibt muss ja heilig sein, oder?)

Höhenmeter: 360 m

Tagesetappe: 20 km

Gesamtstrecke: 22.530,27 km

Wetter: bewölkt, teilweise etwas Sonne, sonst ungemütlich und kalt

Etappenziel: Gemeindesaal der Quäker, 4km außerhalb von Penybont LD1 5US, Wales

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Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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