Tag 1231: Mit angezogener Handbremse

von Heiko Gärtner
21.08.2017 06:35 Uhr

18.05.2017

Wir haben heute mit Hilfe des Muskeltests mal wieder unsere Herzensverstöße und Sanktionen, sowie ein paar weitere Dinge ausgetestet, die sich als sehr aufschlussreich herausstellten. Die gute Nachricht dabei ist, dass Shania seit dem letzten Mal nur 6 Verstöße hatte, die zu 60% auch noch kleine Verstöße waren. 30% waren große Vergehen und 10% mittlere.

Bei mir selbst sieht es leider etwas anders aus. Ich hatte 10,4 Millionen Verstöße seit dem letzten Mal und davon 92% große Vergehen, 4% mittlere und 4% kleine. Als ich das Ergebnis hörte kam sofort eine tiefe Traurigkeit in mir auf uns ich war den Tränen nahe. Ich konnte nicht genau sagen warum ich traurig wurde, aber es war da, gemeinsam mit einem Gefühl von Verzweiflung, oder nein, eigentlich eher Enttäuschung. Man könnte es wohl auch einfach als „weinerlich“ bezeichnen.

 

Es fehlt an Aufmerksamkeit

Meine erste Frage dazu war, was überhaupt ein großes Vergehen ist, denn im Grunde hatte ich keine Ahnung, was damit gemeint war. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass es durchaus auf der Hand lag: 40% machte meine Langsamkeit aus, also der Umstand, dass ich für alles rund die 12fache Zeit brauche, wie alle anderen. 20% kam durch mein „Nervig sein“ also durch die Kombination aus Langsamkeit, Unaufmerksamkeit, Unkonzentriertheit und geistige Abwesenheit, durch die ich permanent im Weg stehe, Sachen vergesse, verliere oder in der Gegend verteile und so weiter. Die letzten 40% machen meine Unstrukturiert aus, also das Fehlen eines Basiskonzeptes, an dem ich mich entlanghangeln kann um zielgerichtet und systematisch zu arbeiten und zu leben. Es sind also genau die Punkte, mit denen ich tagtäglich kämpfe. Und im Moment wirklich kämpfe. Ich weiß, dass es eigentlich ein Tanzen mit den Themen sein sollte, aber das klappt gerade noch nicht so richtig. Im Gegenteil, je mehr ich darüber erfuhr, desto weinerlicher wurde ich und desto unzufriedener war ich mit mir selbst. Heiko brachte mich darauf, zu fragen, woher diese Traurigkeit und Unzufriedenheit kommt. Vor allem: warum kam sie nun in diesem Moment, wo wir darüber sprachen, obwohl mich die drei Themen ja die ganze Zeit beschäftigten?

 

Kreislauf der Unproduktivität

Ich war hier wieder bei dem Todesangstkonflikt, den ich selbst mit meiner eigenen Unproduktivität verbinde Ich habe das Gefühl, dass ich kein Teil der Gruppe sein darf, wenn ich nicht produktiv und wertvoll bin und als dies fühle ich mich eben gerade nicht. Ich merke nur, dass ich so gerne hilfreich und produktiv sein möchte, aber wie eine innere Wand in mir habe, die ich nicht durchdringen kann und die mich davon abhält. Ich fühle mich wie blockiert, so als würde ich die ganze Zeit versuchen mit angezogener Handbremse zu fahren. Tatsächlich liege ich im Moment bei einer Produktionsfähigkeit als Sklave von gerade einmal 7%. Ich bekomme also genauste Aufträge, Coachings, Zeitvorgaben und so weiter und schaffe trotzdem nur 7%! Und das stellt mich natürlich vor zwei Probleme. Zum ersten glaube ich nicht, dass ich auf diese Weise Teil der Gruppe sein kann und dass ich es daher verdient hätte, verstoßen zu werden. Ich selbst hasse es, wenn jemand so Unproduktiv ist und würde ihn nicht in meiner Gruppe haben wollen. Ich kann diese Unstrukturiertheit in mir nicht akzeptieren und glaube deswegen auch, dass es kein anderer kann. Gleichzeitig glaube ich aber auch nicht, dass ich ohne die Gruppe alleine überleben kann und zwar aus genau den gleichen Gründen. Wenn ich dazu im Stande wäre, dann gäbe es ja auch keinen Grund mehr, mich zu verstoßen. Es ist also eine Zwickmühle, die mir immer wieder das Signal gibt: „So wie du bist, bist du falsch und wirst sterben!“ Dass diese Gedanken nicht allzu hilfreich sind, weiß ich auch.

 

Es ist nicht neu, du hast es nur neu erkannt!

Heiko hat mir jedoch eine Sache bewusst gemacht, die mir überhaupt nicht klar war und die mir die gesamte Situation ungemein erleichtert. Ich bin ja nicht erst seit neustem so verpeilt und unproduktiv. Um es mit Heikos Worten zu sagen: „Du warst ja schon so scheiße, als ich dich kennengelernt habe, also ist es für mich nichts neues! Ich wusste ja, was ich da kaufe, wenn ich mit dir zusammen lebe. Das einzige, was dich gerade fertig macht ist, dass du es nicht wusstest, aber jetzt langsam mitbekommst. Das fühlt sich natürlich erst einmal komisch an, aber es ist ja wichtig, dass du es fühlst, damit sich etwas wandeln kann.“

Damit habe ich mich zum ersten mal richtig erleichtert gefühlt. Es stimmte ja. Die angezogene Handbremse in meinem Leben ist da schon immer und ich habe es nie geschafft, mehr als 7% von dem zu leisten, das ich leisten könnte. Allen anderen war dies auch klar, nur ich hab es bislang nie gemerkt.

Die größte Schwäche und die größte Aufgabe

Als Heiko und ich Freunde und Partner wurden, hat er genau gewusst, dass er sich einen Trabbi kauft, in dem ein Entwicklungspotential steckt, so dass er einmal eine ordentliche Zugmaschine werden kann. Ich hingegen dachte, ich sei ein Ferrari und wollte natürlich auch immer so auftreten. Jetzt wo ich merke, dass ich keine bin, kommt die Angst in mir auf, dass er vielleicht keinen Trabbi haben will, da ich in mir ja auch lieber einen Ferrari hätte und somit kommt die Angst, nicht gut genug zu sein. Klar dürfen es deutlich mehr als 7% werden, aber das ist nun einmal meine Ausgangslage und erst wenn ich die annehme, kann sich auch etwas wandeln.

In unserem Gespräch wurde mir auch bewusst, dass meine innere Handbremse meine Aufgabe ist, mit der ich umgehen lernen muss. Bislang war meine Strategie, sie entweder zu ignorieren und zu leugnen, oder mich dafür zu verurteilen, was beides nicht so hilfreich war. Sie ist mein Schlüssel zum Erwachen und zum Eintauchen in die anderen Dimensionen und Welten. Ähnlich wie bei Heiko der Tinnitus. Es ist eine Aufgabe, die uns über lange Zeit begleitet und uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Meine Idee bislang war immer, dass ich einfach aufhören sollte, einen Tinnitus in Form der Handbremse zu haben. Das klappt natürlich nicht.

Erkennen wo man steht

Gerade wird mir auch noch etwas anderes bewusst. Wir haben uns ja oft und immer wieder die Frage gestellt: „Wer bin ich wirklich?“ Ich habe sie immer so verstanden, dass es darum geht, zu erkennen, was das göttliche Sein ist. Also zu erkennen, dass man eben nicht der Mensch ist, der man zu sein glaubt, sondern ein Teil von Gott, der sich hier in diesem Lebenstraum selbst erlebt. Aber das ist nur ein kleiner Teil und dazu noch so ziemlich der letzte. Viel mehr geht es darum, zu erkennen, welche Rolle man in diesem Lebenstraum hier spielt. Also die Frage: „Wer bin ich gerade?“ Wo stehe ich? Welche Aufgaben, Hindernisse, Schwächen und so weiter habe ich durch die Filme mitbekommen, von denen aus ich meinen Weg zum Gottbewusstsein gehen soll. Mitten im Wald zu stehen und zu wissen, dass man irgendwo auf die strahlende Sommerwiese der Glückseligkeit gelangen soll ist zwar gut und wichtig. Aber es hilft einem nicht solange man nicht weiß, wo man sich gerade befindet. Mein Ziel war es immer nur, irgendwie dorthin zu kommen, aber wenn ich mich in meiner Umgebung umgesehen habe, kam nur das Gefühl auf: „Scheiße, hier bist du falsch!“ und nie „Aha, hier bist du also! Ist ja interessant, das heißt, du musst also in diese Richtung weiter, wenn du ans Ziel willst!“

Dazu war es natürlich ebenfalls nicht hilfreich zu glauben, ich müsste das Bild eines Ferraris aufrecht erhalten, damit niemand merkt, wie unproduktiv ich bin, um nicht verstoßen zu werden. Anstatt mich in meinem Wald umzusehen und zu erkennen, was mich fest hält und wo ich mir vielleicht Brotkrumen gelegt habe, die mich hinaus führen, habe ich Girlanden aufgehängt und die Bäume angemalt, damit es hübscher aussieht und ich sagen konnte: „Schaut mal, so schlimm ist es hier doch gar nicht, ihr müsst mich also nicht verstoßen!“

Es fühlt sich gerade sehr gut an, das alles einmal bewusst zu merken und zu fühlen.

Im Anschluss haben wir dann natürlich auch die Sanktionen ausgetestet.

Fortsetzung folgt...

 

Spruch des Tages: Ohne Bremse geht es schneller

Höhenmeter: 290 m         

Tagesetappe: 20 km

Gesamtstrecke: 22.545,27 km

Wetter: Regen, Kälte

Etappenziel: Kirche, Abbeycwmhir, Wales

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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