Freiberufler oder Kleingewerbe: Der Wegweiser für digitale Nomaden

von Shania Tolinka
04.11.2025 21:07 Uhr

Für digitale Nomaden, die sich in Deutschland niederlassen oder hier steuerlich ansässig werden, ist die Wahl der richtigen Rechtsform ein entscheidender erster Schritt. Die deutsche Bürokratie kann komplex wirken, doch die richtige Weichenstellung zu Beginn spart erheblich Zeit, Geld und Nerven. Die zentrale Frage, vor der die meisten stehen, ist die zwischen der Tätigkeit als Freiberufler und der Anmeldung eines Kleingewerbes. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Anmeldung, die Buchhaltung und vor allem für die Steuerlast. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und zeigt auf, welche Option für die meisten digitalen Nomaden in der Regel die vorteilhafteste ist.

 

Freiberufler oder Kleingewerbe: Was ist der Unterschied?

 

Die Unterscheidung zwischen einem Freiberufler und einem Gewerbetreibenden (wobei das Kleingewerbe eine Form des Gewerbes ist) ist im deutschen Steuerrecht fundamental. Digitale Nomaden müssen genau prüfen, in welche Kategorie ihre Tätigkeit fällt. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, aber sie ist der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Setups.

Ein Freiberufler übt einen sogenannten "Katalogberuf" (oder einen ähnlichen Beruf) gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus. Dazu zählen wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten. Viele typische Tätigkeiten von digitalen Nomaden fallen hierunter, wie IT-Berater, Softwareentwickler, Grafikdesigner, Texter, Übersetzer oder Online-Journalisten. Der Status als Freiberufler ist ein Privileg mit erheblichen Vorteilen.

Ein Gewerbe betreibt hingegen, wer eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die nicht zu den freien Berufen zählt, mit der Absicht, Gewinn zu erzielen und dies auf Dauer angelegt ist. Sobald eine Tätigkeit über den reinen freiberuflichen Rahmen hinausgeht (z.B. der Verkauf von physischen Produkten, reiner Handel oder bestimmte Agenturmodelle), wird sie gewerblich. Die Wahl zwischen Freiberufler oder Kleingewerbe ist also oft gar keine Wahl, sondern wird durch die Art der Tätigkeit bestimmt. Das "Kleingewerbe" selbst ist kein offizieller Rechtsstatus, sondern ein Begriff für ein Gewerbe, das bestimmte Umsatz- und Gewinngrenzen nicht überschreitet und oft die Kleinunternehmerregelung nutzt.

Ein digitaler Nomade nutzt im Büro den Coworking Space

Digitale Nomaden müssen genau prüfen, in welche Kategorie ihre Tätigkeit fällt. Ob Freiberufler oder doch Kleingewerbe?

 

Die Vorteile als Freiberufler in Deutschland

 

Für digitale Nomaden, deren Tätigkeit als "frei beruflich" eingestuft wird, bietet dieser Status unschlagbare Vorteile im deutschen System. Es ist die mit Abstand bürokratieärmste und steuerlich einfachste Form der Selbstständigkeit. Der Hauptgrund liegt in der Befreiung von Pflichten, die Gewerbetreibende haben.

 

Die wesentlichen Vorteile für Freiberufler sind:

  • Einfache Anmeldung: Freiberufler müssen ihre Tätigkeit nicht beim Gewerbeamt anmelden. Es genügt die Anmeldung direkt beim zuständigen Finanzamt über den "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung". Dies spart den Gang zur Kommune und die damit verbundenen Gebühren.
  • Keine Gewerbesteuer: Der größte finanzielle Vorteil. Freiberufler sind vollständig von der Gewerbesteuer befreit, unabhängig von der Höhe ihres Gewinns. Gewerbetreibende müssen diese Steuer zwar erst ab einem Jahresgewinn von 24.500 € zahlen, aber die Befreiung für Freiberufler erspart die komplexe Berechnung und die jährliche Gewerbesteuererklärung.
  • Vereinfachte Buchführung: Freiberufler müssen in der Regel keine Bilanz erstellen (doppelte Buchführung). Es genügt eine einfache Einnahmenüberschussrechnung (EÜR), bei der lediglich die Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt werden.
  • Keine Pflichtmitgliedschaft in der IHK: Freiberufler sind nicht verpflichtet, Mitglied in der Industrie- und Handelskammer (IHK) oder einer Handwerkskammer (HWK) zu werden. Sie sparen sich somit die jährlichen Kammerbeiträge.

Angesichts dieser Vorteile ist es für digitale Nomaden im IT-, Kreativ- oder Beratungsbereich fast immer das Ziel, vom Finanzamt als Freiberufler anerkannt zu werden. Sie profitieren von maximaler Flexibilität bei minimalem Verwaltungsaufwand, was dem Lebensstil eines Nomaden sehr entgegenkommt.

My-Business-Beruf-Geld-und-Selbständige

Wer wünscht sich nicht maximale Flexibilität und wenig Ausgaben? Hier gilt kalkulieren.

 

Das Kleingewerbe als Alternative

 

Was passiert, wenn die Tätigkeit nicht als freiberuflich anerkannt wird? Wenn digitale Nomaden beispielsweise einen E-Commerce-Shop betreiben, Software nicht nur entwickeln, sondern auch als Produkt lizenziert vertreiben oder eine Agenturtätigkeit mit stark gewerblichem Charakter ausüben, führt kein Weg am Gewerbe vorbei. Sie müssen dann ein Gewerbe anmelden.

 

Die Anmeldung eines Gewerbes bringt im Vergleich zum Freiberufler-Status Nachteile mit sich:

  1. Anmeldung beim Gewerbeamt: Die Tätigkeit muss vor Aufnahme beim örtlichen Gewerbeamt registriert werden. Das Gewerbeamt informiert daraufhin automatisch das Finanzamt, die IHK und andere relevante Stellen.
  2. IHK-Pflichtmitgliedschaft: Mit der Gewerbeanmeldung wird man automatisch Pflichtmitglied bei der IHK (oder HWK). Zwar sind viele Gründer in den ersten Jahren von den Beiträgen befreit, die Mitgliedschaft als solche besteht jedoch.
  3. Gewerbesteuerpflicht: Wie erwähnt, fällt Gewerbesteuer erst ab einem Gewinn (nicht Umsatz!) von 24.500 € pro Jahr an. Viele digitale Nomaden, die als Einzelunternehmer starten, liegen möglicherweise darunter. Überschreiten sie jedoch diese Grenze, wird die Steuer fällig, was die Einnahmen schmälert und die Steuererklärung verkompliziert.
 

Hier ist eine direkte Gegenüberstellung der wichtigsten Unterschiede:

 

Merkmal:

F = Freiberufler

G = Gewerbetreibender (inkl. Kleingewerbe)

 

Anmeldung:

F = Nur Finanzamt ("Fragebogen zur steuerlichen Erfassung")

G = Erst Gewerbeamt, dann Finanzamt

 

Steuerarten:

F = Einkommensteuer, Umsatzsteuer (ggf. befreit)

G = Einkommensteuer, Umsatzsteuer (ggf. befreit), Gewerbesteuer

 

Gewerbesteuer:

F = Nein, vollständig befreit

G = Ja (Freibetrag von 24.500 € Gewinn pro Jahr)

 

Kammerbeitrag:

F = Nein

G = Ja (Pflichtmitgliedschaft IHK/HWK)

 

Buchführung:

F = Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) meist ausreichend

G = EÜR oder Bilanzierung (je nach Umsatz/Gewinn)

 

Der Begriff "Kleingewerbe" wird oft fälschlicherweise mit der "Kleinunternehmerregelung" gleichgesetzt. Ein Gewerbe ist jedoch "klein", wenn es nicht den Regeln des Handelsgesetzbuches (HGB) unterliegt (also kein Kaufmann ist), was auf die meisten Solo-Selbstständigen zutrifft. Davon unabhängig ist die steuerliche Kleinunternehmerregelung.

 

Die Kleinunternehmerregelung: Ein Steuervorteil für Freiberufler und Kleingewerbe

 

Hier kommt der vielleicht wichtigste Baustein für den Start: die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Diese Regelung ist vollkommen unabhängig davon, ob jemand Freiberufler oder Gewerbetreibender ist. Beide Gruppen können sie nutzen.

Der große Vorteil der Kleinunternehmerregelung ist die Befreiung von der Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer). Wer diese Regelung in Anspruch nimmt, muss auf seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer (MwSt.) ausweisen und dementsprechend auch keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen an das Finanzamt übermitteln. Dies ist eine massive bürokratische Erleichterung.

 

Die Voraussetzungen für die Anwendung sind:

  • Der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr lag nicht über 22.000 €.
  • Der voraussichtliche Umsatz im laufenden Kalenderjahr wird 50.000 € nicht überschreiten.
 

Für digitale Nomaden, die neu in Deutschland starten, ist die erste Voraussetzung (Vorjahr) irrelevant. Sie müssen lediglich glaubhaft machen, dass ihr Umsatz im Gründungsjahr (ggf. zeitanteilig hochgerechnet) die 22.000-€-Grenze nicht reißt (oder im Folgejahr die 50.000 €). Die meisten entscheiden sich im "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung" aktiv für diese Regelung.

Der Nachteil darf jedoch nicht verschwiegen werden: Wer keine Umsatzsteuer einnimmt, darf auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Das bedeutet, die Mehrwertsteuer, die sie selbst für geschäftliche Einkäufe (z.B. für einen neuen Laptop, Software-Lizenzen oder Reisen) bezahlen, können sie nicht vom Finanzamt zurückfordern. Dies kann ein Nachteil sein, wenn zu Beginn hohe Investitionen anstehen und die Kunden hauptsächlich andere Unternehmen (B2B) sind, denen die Umsatzsteuer egal ist.

Ein digitaler Nomade arbeitet im Grünen an seinem Laptop

Der große Vorteil der Kleinunternehmerregelung ist die Befreiung von der Umsatzsteuer. Wer diese Regelung in Anspruch nimmt, muss auf seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer (MwSt.) ausweisen.

 

Fazit und empfohlene Schritte für Freiberufler

 

Für die überwältigende Mehrheit der digitalen Nomaden in Deutschland, die in den Bereichen IT, Design, Content oder Beratung tätig sind, ist die beste Option klar:

Die ideale Kombination ist die Registrierung als Freiberufler in Kombination mit der Kleinunternehmerregelung.

Dieses Setup bietet das Beste aus beiden Welten: keine Gewerbesteuer, keine IHK-Beiträge, einfache Buchführung (EÜR) und keine Belastung durch die monatliche oder vierteljährliche Umsatzsteuer-Voranmeldung. Es ist der schlankeste und unbürokratischste Weg, um in Deutschland legal selbstständig zu arbeiten.

 

Die empfohlenen Schritte sind daher:

  1. Status klären: Prüfen, ob die eigene Tätigkeit (z.B. IT-Beratung, Webdesign) als Freier Beruf anerkannt wird. Im Zweifel ist die Konsultation eines Steuerberaters unerlässlich.
  2. Beim Finanzamt anmelden: Den "Fragebogen zur steuerlichen Erfassung" (am besten digital über ELSTER) ausfüllen und beim zuständigen Finanzamt einreichen. Hier wird der Status als Freiberufler deklariert.
  3. Kleinunternehmerregelung wählen: Im selben Fragebogen das Kreuz an der richtigen Stelle setzen, um die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG in Anspruch zu nehmen (sofern die Umsatzgrenzen plausibel sind).

Wichtiger abschließender Hinweis: Die endgültige Einstufung als Freiberufler oder Gewerbetreibender obliegt dem Finanzamt. Es ist dringend ratsam, die eigene Situation vor der Anmeldung mit einem Steuerberater zu besprechen, um eine falsche Einstufung und teure Nachforderungen zu vermeiden.

   

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Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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