Wir stecken im Schlamm: Der LKW hat sich festgefahren

von Shania Tolinka
17.12.2020 18:37 Uhr

Fast schon hatten wir die Hoffnung aufgegeben, aber nun war es doch endlich wahr geworden: Der Wohncontainer war hier bei mir in Schweden und ich konnte ihn sehen und sogar anfassen. Ebenso sehr freute ich mich natürlich über die Ankunft von Shania, die ich nun seit fast einem Jahr nicht mehr live gesehen hatte. Vor allem aber waren wir alle froh, dass nun alles geschafft war und Shania, wie auch Container und Material sicher hier angekommen waren. Die erste große Hürde schien nun geschafft. Doch der Schein trog und wahrscheinlich hätte keiner von uns so ruhig und entspannt geschlafen, hätten wir gewusst, wie der nächste Tag verlaufen würde. Denn im wahrsten Sinne des Wortes, war die Situation mit unserem LKW festgefahren, noch ehe Tobias auch nur die Heimreise antreten konnte.

LKW hat sich festgefahren - LKW versperrt die Einfahrt

Noch ahnten wir nicht, dass wir uns mit dem LKW vollkommen festfahren würden.

 

Shanias erste Nacht in Schweden

Nach dem großen Wiedersehen am Abend und einer längeren Gesprächsrunde am Küchentisch fielen wir alle wie Steine ins Bett. Oder jedenfalls in Dinge, die als Bett funktionierten. Tobias kehrte in seinen LKW zurück und übernachtete wie gewohnt in seiner Trucker-Koje. Ich lag wie sämtliche Nächte zuvor auf meiner Luftmatratze im Wohnzimmer und für Shania hatte ich einige Tage zuvor eine alte Sitzbank aufgetrieben, in die ein ausziehbares Gästebett integriert war.

Am nächsten Morgen trafen wir uns wieder in der Küche und frühstückten gemeinsam, bevor sich Tobias ans Einparken und Abkoppeln des Containers machen sollte. Die Idee war, die Sache gleich am Morgen hinter uns zu bringen, sodass er noch für lange Zeit das Tageslicht nutzen konnte, um Heimzufahren. Leider sollte auch dieser Plan nicht aufgehen.

Tobias bringt den LKW schon einmal in Position

Tobias bringt den LKW schon einmal in Position.

 

Vor, zurück, vor, zurück, ...

Denn das Manövrieren unseres Containers in die optimale Park-Position erwies sich als deutlich schwieriger als wir dachten. Der Platz war zwar groß genug und rein theoretisch konnte es auch funktionieren, aber man musste den perfekten Einfahrwinkel finden, bei dem man weder Bäume, noch unseren Schuppen, noch unsere Hauswand umnieten durfte. Das war selbst für einen erfahrenen Profi-Trucker wie Tobias eine echte Herausforderung.

LKW hat sich festgefahren - Zweiter Versuch

Doch um den richtigen Winkel für unseren Stellplatz zu finden, macht er das noch viele Male.

 
LKW hat sich festgefahren - Neue Position finden

Am Anfang sieht es immer sehr gut aus...

 
LKW hat sich festgefahren - Lage inspizieren

Doch dann kommt der Engpass, an dem stets irgendetwas nicht passt.

 
Einfach nur kurz den Anhänger abstellen

"Einfach nur kurz den Anhänger abstellen" ...

 
LKW hat sich festgefahren - kein Vor kein Zurück

... und ehe man sich versieht, ist ein Tag rum.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Nach etwa einer Stunde mussten wir einsehen, dass es so, wie wir es geplant hatten nicht funktionieren würde. Die einzige Chance, die wir hatten, war es den großen Lebensbaum zu fällen, der genau im Eck zwischen der Einfahrt und dem gewünschten Parkplatz stand. Zum Glück hatten wir einige Tage zuvor unsere neue Kettensäge und eine rasiermesserscharfe Axt von Husqvarna bekommen, die ich ohnehin längst ausprobieren wollte. Endlich hatte ich dazu nun also die Gelegenheit und konnte dem Jucken in meinen Fingern nachgeben. Trotzdem es sich bei der Kettensäge um eine recht kleine Akku-Kettensäge handelt, der man ihre Power auf den ersten Blick nicht ansieht, war der Baum im Nu gefällt.

Heiko Gärtner in Husqvarna-Kleidung

Heiko Gärtner in voller Husqvarna-Montur.

 
Heiko und unsere neue Husqvarna - Bereit für ihren ersten gemeinsamen Baumfäll-Einsatz

Heiko und unsere neue Husqvarna. Bereit für ihren ersten gemeinsamen Baumfäll-Einsatz.

 
Die Husqvarna 120i - Optimal für den Einsatz im Garten

Im Nu ist der erste Stamm durchgesägt.

 
Noch ein kleiner Schubser

Noch ein kleiner Schubser ...

 
Stamm Nummer 1 ist erledigt

... und Stamm Nummer 1 ist erledigt.

 
Nun zum zweiten Stamm

Nun zum zweiten Stamm ...

 
Vorsicht: Baum fällt!

Vorsicht: Baum fällt!

 
Ein legendäres Sieger-Foto

Ein legendäres Sieger-Foto.

Nun mussten wir noch mit der Axt den Stumpf zerschlagen, der so in der lockeren Erde steckte, dass man ihn nicht mehr sägen konnte, er aber trotzdem noch eine Gefahr für die Reifen des Anhängers darstellte. Ehe ich mich versah, hatte sich Tobias diese Aufgabe unter den Nagel gerissen, der sich nach seiner 26-stündigen LKW-Fahrt auch gerne etwas auspowern wollte.
Der Abtransport der Stämme.

Der Abtransport der Stämme.

 
Heiko der Meister-Baumfäller

Heiko der Meister-Baumfäller.

 
Der Baumstumpf hat keine Chance

Der Baumstumpf hat keine Chance.

 
Husqvarna Axt im Einsatz

Husqvarna Axt im Einsatz.

 
Mit dem Messer hätte es wohl doch noch etwas länger gedauert

Mit dem Messer hätte es wohl doch noch etwas länger gedauert.

Neue Fahrt, neues Glück?

Als der Weg schließlich frei war, setzte sich Tobias zurück ans Steuer und probierte es erneut. Ohne den Baum war das Feld nun deutlich freier, doch noch immer wirkte es, als wollte man ein Kamel durch ein Nadelöhr führen. Ein aufgedehntes und geweitetes Nadelöhr, aber noch immer ein Nadelöhr. Erst jetzt wurde uns so richtig bewusst, wie weit wir zuvor von einem Erfolg entfernt gewesen waren.

Unser Fahrer Tobias ist hoch konzentriert.

Unser Fahrer Tobias ist hoch konzentriert.

 

Die Zeit verging wie im Flug und die Sonne hatte ihren ohnehin niedrigen Höchststand bereits weit überschritten, als wir endlich eine Position gefunden hatten, die Erfolgsversprechen aussah. Dieses Mal hatten wir alles richtig berechnet: die Bäume auf der rechten Seite, die Hauswand mit Terrassenplatten im Rücken und den Holzschuppen auf der Seite. Unser Herzen schlugen bis zum Hals. Würde es dieses Mal klappen?

Ohne den Baum könne die Einpark-Aktion klappen

Ohne den Baum könne die Einpark-Aktion klappen.

 

Nein!

Der Hänger schwenkte um Haaresbreite zu weit aus und wieder versperrte uns die Hauswand den Weg. Doch nun wussten wir, wie es klappen konnte. Einzig zu Beginn ein kleines Stück weiter links starten und dann ein bisschen früher einschlagen. Dann musste es passen!

Es wirkt noch ein wenig schief

Es wirkt noch ein wenig schief - und passt noch immer nicht.

Tobias rieb sich die Hände, sprang ins Führerhaus zurück und brachte den LKW in Position für den einen letzten, den finalen Rückstoß in die perfekte Parkstellung für den Winterschlaf.

Das letzte Bild, bevor der LKW im Schlamm versank

Das letzte Bild, bevor der LKW im Schlamm versank.

 

Manchmal steck man nicht drin – manchmal schon zu tief

Tobias wechselte in den Rückwärtsgang und drückte behutsam aber bestimmt aufs Gas. Doch was war das? Der Reifen drehte sich, aber der LKW bewegte sich keinen Millimeter. Verdutzt trat Tobias auf die Bremse und schaute was hier los war.

LKW hat sich festgefahren

Der LKW hat sich festgefahren.

 

Der Sattelschlepper war beim letzten Korrigieren der Startposition ganz leicht mit dem linken Hinterrad von unserer Einfahrt abgekommen und in die Wiese geraten. Diese war jedoch aufgrund des vielen Regen in den letzten Tagen und des frisch geschmolzenen Schnees so aufgeweicht, dass er dem Reifen keinerlei Widerstand bot. Der rechte Reifen, der noch auf dem Schotter stand, hatte allein nicht die Kraft, das tonnenschwere Gespann zu bewegen und so drehten sich beide vollkommen nutzlos im Kreis, als wollten sie Glücksrad spielen.

„Stopp! Stopp! Stopp!“ rief ich erschrocken, als ich sah, wie die Erde nur so in einer hohen Fontäne nach oben spritzte. „Du gräbst dich ein!“

Tobias hatte es auch gemerkt und bereits wieder angehalten, doch es war schon zu spät. Auch nach vorne wollte er sich nicht mehr bewegen lassen.

Festgefahrener LKW: Jetzt ist guter Rat teuer

Festgefahrener LKW: Jetzt ist guter Rat teuer

Die Situation und der LKW sind festgefahren

Von diesem Moment an, machten wir die Situation mit allem, was wir taten nur noch schlimmer. Hätten wir eingesehen, dass wir gegen den Schlamm keine Chance hatten und uns gleich Hilfe gesucht hätten, hätte es sicher noch funktioniert. Doch wir waren zwei Pragmatiker, die es gewohnt waren, sich selbst aus dem Mist herauszuziehen, in den sie sich gebracht hatten und so war „Hilfe holen“ zunächst keine Option, über die wir auch nur nachgedacht hätten. Stattdessen packten wir unsere neuen Schaufeln aus und gruben damit die Erdhaufen zur Seite, die sich vor und hinter den Reifen gebildet hatten. Dann steckten wir Bretter unter den Reifen, damit dieser wieder eine Traktion finden konnte. Tobias versuchte es erneut. Das Brett flog davon, als wollte es eine Flipper-Weltmeisterschaft gewinnen und nahm dabei gleich einen großen Schwung Erde mit.

LKW festgefahren: Tobias probiert es mit freischaufeln - ohne Erfolg!

Tobias probiert es mit freischaufeln - ohne Erfolg!

 

In den folgenden Stunden versuchten wir alles, angefangen von Schneeketten und Brettern, über Stahlbleche und Steine bis hin zum Umgraben und Freischaufeln. Nichts davon führte zum Erfolg. Wir mussten es also einsehen. Unser LKW hatte sich vollkommen festgefahren.

Heiko und Tobias legen Schneeketten an

Heiko und Tobias legen Schneeketten an ...

 
aber ob dies nun noch hilft ist fraglich

... aber ob dies nun noch hilft, ist fraglich.

 

Wo ist Hilfe, wenn man sie braucht?

Dank meiner guten Kontakte zur örtlichen Baptistengemeinde hatte ich auch einen Mann kennengelernt, von dem ich mir sicher war, dass er in dieser Situation unsere Rettung sein würde. Er betrieb einen Recyclinghof etwas außerhalb des Ortes und besaß einen äußerst beeindruckenden Bagger, mit dem er für gewöhnlich alte Häuser dem Erdboden gleichmachte. Genau dieses Monster der Technik zusammen mit seinem erfahrenen Fahrer war genau das, was wir nun brauchten. Also griff ich ans Telefon und wählte seine Nummer. Er antwortete sofort, teilte mir jedoch mit, dass er sich gegenwärtig in Umeå, einer Stadt etwa 200 km nördlich von hier befand und noch nicht wüsste, wann er wieder zurückkäme.

Also mussten wir uns nach einer Alternative umsehen, denn immerhin musste Tobias mitsamt dem LKW ja auch noch gut wieder zurück nach Hause fahren. Und er musste dort ankommen, bevor unsere Leasing-Zeit für den Sattelschlepper auslief.

LKW hat sich festgefahren - Beratungsgespräch

Vollkommen festgefahren: Heiko und Tobias bei der Krisenbesprechung.

 

Da hilft kein Kleckern, nur Klotzen!

Das Problem war nicht, einen anderen Nachbarn aufzutreiben, der einen Bagger oder Trecker besaß. Aus Gründen, die mir erst einige Wochen später klar werden sollten, besaß hier fast jeder ein solches Gerät. Das Problem war jedoch, dass wir uns bereits so tief ins Verderben gegraben hatten, dass ein normaler Traktor nicht mehr ausreichte, um uns wieder hinauszuziehen. Man darf ja auch nicht vergessen, dass da noch ein Hänger mit knapp 20 Tonnen Gewicht dranhing, der mitbewegt werden wollte. Natürlich hätten wir ihn abkoppeln können, doch dann hätte er genau da stehen bleiben müssen, wo er gerade stand und dies war die wohl schrägste und ungünstigste Position, die wir hätten finden können.

Der LKW wird angekettet

Der LKW wird angekettet.

 
Dieser kleine Bagger könnte unsere Rettung sein

Dieser kleine Bagger könnte unsere Rettung sein.

 

Die meisten Nachbarn, die wir ansprachen und denen wir unser Problem erklärten, winkten sofort ab. „Das brauche ich gar nicht versuchen!“, meinten sie, „das wird niemals funktionieren!“

Lediglich ein einziger ließ sich überreden, seinen Traktor zu uns zu fahren und vor unseren Sattelschlepper zu spannen. Bis zu diesem Moment war ich fast ein wenig sauer gewesen, auf die mangelnde Experimentierbereitschaft der anderen Nachbarn. Nun musste ich einsehen, dass sie mit ihrer Aussage vollkommen recht gehabt hatten. Es wirkte, als wollte eine Libelle versuchen, ein Krokodil an Land zu ziehen. Wenn ich einfach selbst am Sattelschlepper gezogen hätte, wäre der Effekt nicht viel anders gewesen. Nach einigen vollkommen hoffnungslosen Versuchen gab der Nachbar es auf und kehrte nach Hause zurück. „Der LKW ist festgefahren!“, meinte er folgerichtig, „da kann ich nichts machen!“

Aber um ganz ehrlich zu sein, sieht es doch eher schlecht aus.

Aber um ganz ehrlich zu sein, sieht es doch eher schlecht aus.

 

Kommt Zeit, kommt Rad-Lader

Da es nun bereits zu dämmern begonnen hatte (es ging also stark auf drei Uhr Nachmittags zu), mussten wir einsehen, dass wir unsere Reisepläne nicht würden einhalten können. Es gab nur genau eine Möglichkeit, wie wir unseren festgefahrenen LKW wieder befreien konnten, und die befand sich noch immer in Umeå. Also griff ich erneut zum Telefon und fragte, ob er nach seiner Heimkehr zu uns kommen und uns im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Schlamassel ziehen konnte. Er willigte ein, wodurch wir neue Hoffnung und einige Stunden freie Zeit gewonnen hatten. Diese nutzten wir, um uns ein ordentliches Mittagessen zu kochen und uns in der Küche ein wenig zusammenzusetzen. Wirklich Zeit zum Unterhalten hatten wir bei all dem Trubel bislang ja noch gar nicht gefunden. Da die Dinge nun einmal waren, wie sie waren, konnten wir uns ebenso gut auch wieder entspannen und uns eine schöne Zeit machen. Wenn alles überstanden war, würde sich Tobias noch eine Nacht im LKW zum Schlafen legen und dann gleich am nächsten Morgen gen Heimat aufbrechen. Das war knapp, aber wenn keine weiteren Pannen hinzukamen, dann sollte er es noch immer rechtzeitig schaffen. Und zur Not konnten wir auch bei MAN-Rental anrufen und um eine Verlängerung bitten.

Shania beim ersten Abendessen in Schweden

Wenn man eh nichts tun kann, kann man auch etwas essen.

 

Rettung naht!

Gegen 19:00 Uhr bekamen wir einen Anruf von Arne, unserem Baggerfahrer. Er war nun zu Hause angekommen und würde gleich bei uns vorbeikommen, um nach dem Rechten zu sehen. Arne erinnerte mich immer ein wenig an einen alten Seebären: Er war ein ruhiger, leicht brummeliger Mann mit dem Herz am rechten Fleck, der stets dann zur Stelle war, wenn man wirklich einmal Hilfe brauchte.

Kurze Zeit später wurde unsere Einfahrt in ein grelles, gleißendes Licht gehüllt und wir wussten, dass nun die Stunde der Wahrheit gekommen war. War der Bulldozer von Arne wirklich stark und vor allem schwer genug, um unseren LKW aus dem Dreck zu ziehen?

Der erste Abschleppversuch startet.

Der erste Abschleppversuch startet.

 

Der Winter spielt gegen uns

Als wir das hintere Ende unserer Einfahrt erreichten, hatte Arne unseren Sattelschlepper bereits in dicke Ketten gelegt und diese mit seinem Bagger verbunden. Er sprach nicht viel, sondern grüßte nur knapp und machte sich dann gleich ans Werk. Tobias stieg in den LKW, wartete bis der Bagger ordentlich anzog und gab dann ebenfalls Gas. Doch wieder einmal passierte nichts. Die Straße vor unserem Grundstück war inzwischen so sehr vereist, dass sie einer Spiegelfläche gleichkam. Darauf hatten nicht einmal die zentimeterdicken Stollen des Schaufelbaggers Halt. Außerdem war bereits jetzt absehbar, dass das Eigengewicht des Baggers nicht ausreichen würde, um unser Gespann in Bewegung zu setzen.

„Mhhhm!“, brummte Arne vielsagend, nachdem er aus dem Führerhaus geklettert war. Dann löste er die Ketten, stieg zurück in den Bagger und verschwand in der Nacht, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

„Oh oh!“, meinte Tobias besorgt, „ich hoffe, er lässt uns jetzt nicht einfach im Stich!“

„Glaube ich nicht!“, antwortete Shania, „Ich denke, er hat einen guten Plan, den er gleich in die Tat umsetzen wird, für den er aber noch etwas holen muss.“

Ich war mir zwar sicher, dass Shania mit dieser Vermutung recht hatte, doch ein kleiner Zweifel blieb trotzdem in mir, der umso größer wurde, je länger ich auf die leere, dunkle Straße starrte, auf der einfach kein Licht auftauchen wollte.

 

Viel hilft viel

Plötzlich aber flackerte ein Licht am Horizont auf und bewegte sich auf uns zu. Shania hatte also recht gehabt und Arne ließ uns nicht mit unserem festgefahrenen LKW in der Kälte stehen. Als er näher kam, sahen wir bereits, dass er die Schaufel seines Frontladers nun bis zur Kante und sogar noch darüber hinaus mit schwerem, groben Kies gefüllt hatte. Er blieb zunächst einige Meter vor unserer Einfahrt stehen und stieg aus, um den Kies mit einer großen Schaufel dick auf der Straße zu verteilen. Es waren spitze, scharfkantige Steine, die sich bei Belastung tief in das Eis bohren und so für den nötigen Halt sorgen würden. Der Rest der noch immer einen großen Berg in der Schaufel ergab, blieb darin und diente nun als Gegengewicht. Dann fuhr Arne wieder in Position, kettete unsere Zugmaschine erneut an seinen Bagger und wartete, bis auch Tobias seinen angestammten Platz eingenommen hatte. Shania und ich traten zurück und drückten die Daumen. Wenn dies nun nicht funktionierte, dann war jede Hoffnung verloren unseren festgefahrenen LKW je wieder zu befreien. Zumindest ohne den Hänger abzukoppeln, was für unsere Ausbaupläne fatal gewesen wäre.

Bagger mit Kies

Arne kehrt mit deinem Bagger und einer Ladung voll Kies zurück.

 

Alles auf eine Karte

Langsam und perfekt aufeinander abgestimmt wie zwei Synchronschwimmer, gaben die beiden Fahrer Gas und steigerten die Kraft der Motoren dabei kontinuierlich. Mit einem tiefen, durchdringenden Dröhnen setzten sich die Maschinen in Bewegung, nur um Sekundenbruchteile später von den Fesseln aus Schlamm wieder zurück in die Ausgangsposition gezwungen zu werden. Shania und mir stockte der Atem. „Oh mein Gott!“, schoss es mir durch den Kopf, „es wird nicht klappen!“

LKW hat sich festgefahren - Befreiung mit Bulldozer

Noch einmal nimmt der Bagger all seine Kraft zusammen und zieht an ...

Doch noch hatte Arne nicht alles an Power aus seinem trotzigen Stahlmonster herausgeholt. Noch einmal trat er aufs Gas und dieses Mal heulte der Motor auf, wie ein Rudel Wölfe bei Vollmond.

Und dann geschah es! Mit einem Mal machte das ganze Gespann mit seinen gut fünfundzwanzig Metern Länge einen Satz nach vorne und war befreit. Und mit diesem einen Satz fiel auch sämtliche Anspannung von uns ab. Shania und ich begannen zu Jubeln und fielen uns in die Arme, als hätten wir gerade zu viert die Fußballweltmeisterschaft gewonnen. Es war ein Glücksgefühl, das kaum zu beschreiben ist. Das letzte Mal hatte ich mich so gefühlt, als ich gemeinsam mit Franz nach mehr als zwölf Stunden bergsteigen blind den Gipfel der Zugspitze erreicht hatte.

Endlich ist der LKW befreit

... und endlich klappt es! Der LKW ist befreit!

Wir hüpften im Kreis wie kleine Kinder, feierten, jubelten und schrien und konnten uns gar nicht mehr einkriegen. Auch Tobias war vollkommen aus dem Häuschen und strahlte über das ganze Gesicht.

Shania jubelt

Shania jubelt vor Freude!

Arne hingegen hatte nur wenig Verständnis für diesen unkontrollierten Gefühlsausbruch. Er löste die Ketten, nickte uns zu und verschwand in der Nacht, noch ehe wir auch nur richtig Danke sagen konnten.

Bagger zieht LKW

Der Bagger zieht den LKW noch auf die Straße, dann ist es geschafft.

Ende gut, alles gut

Ganz in trockenen Tüchern waren wir jedoch noch immer nicht, denn Tobias musste nun mit dem LKW noch einmal vor- und wieder zurückfahren, um den Hänger zumindest in eine einigermaßen günstige Position zu bringen, ohne dabei wieder in die alten Löcher zu fallen. Zum Glück klappte dies ohne weitere Probleme und auch wenn unser Container die ihm angedachte Parkposition nie erreichte, waren wir nun doch mehr als froh, ihn zumindest sicher auf unserem Grundstück zu wissen.

Um unseren Sieg zu feiern, setzten wir uns noch einmal für eine Weile in der Küche auf einen Tee zusammen. Dann war es an der Zeit, sich von Tobias zu verabschieden. Er wollte die Nacht wieder im Sattelschlepper schlafen und dann gleich in aller frühe Richtung Süden aufbrechen. Shania und ich hingegen hatten beschlossen, dass wir am nächsten Morgen erst einmal ordentlich ausschlafen und uns von der ganzen Anspannung erholen wollten.

Ein letztes mal Bangen beim zurücksetzen des Trucks

Ein letztes mal Bangen beim zurücksetzen des Trucks.

 
Doch es klappt! Der Sattelschlepper kann alleine das Grundstück verlassen.

Doch es klappt! Der Sattelschlepper kann alleine das Grundstück verlassen..

 
Endlich - Der Anhänger steht in einer Position, mit der man arbeiten kann

Endlich - Der Anhänger steht in einer Position, mit der man arbeiten kann.

 

Nachtrag: Grüße aus der Heimat

Inzwischen haben wir erfahren, dass die Heimreise für Tobias ohne weitere Probleme verlaufen war. Er war am Morgen frisch in den Tag gestartet und hatte fast die gesamte Strecke durch Schweden an einem Stück zurücklegen können, dann war eine längere Pause dran und schließlich war er zurück über die Brücken nach Dänemark und dann weiter nach Hamburg gefahren. Ohne den Anhänger hatte er auf den dänischen Brücken nur noch einen Bruchteil der Mautgebühren zahlen müssen, da diese nach Fahrzeuglänge berechnet werden.

In Hamburg hatte er den LKW dann bei der dortigen Zweigstelle von MAN-Rental/EuroLeasing abgegeben und war mit einem Taxi zu einer Filiale von StarCar weitergefahren. Hier hatte er einen kostenlosen Mietwagen inklusive Gratistankfüllung bekommen, weil dieser ohnehin nach Nürnberg hatte überführt werden müssen. Von dort aus war er dann von seiner Frau abgeholt worden und ist zu Hause erst einmal wie ein Stein ins Bett gefallen. Trotz all der Anstrengung und der vielen Pleiten und Pannen war er dankbar für die Erfahrung und konnte es kaum erwarten, uns wieder einmal in Schweden zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass sich schon recht bald wirklich eine Gelegenheit dazu ergeben würde. Aber davon berichten wir euch ein andermal.

Tobias' Heimfahrt verlief ohne Pannen

Tobias' Heimfahrt verlief ohne Pannen.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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