Entlang der Ostseeküste durch Schweden - Ein Erfahrungsbericht

von Heiko Gärtner
27.10.2020 16:16 Uhr

Die Ostseeküste von Schweden ist wohl eine der ambivalentesten Regionen, in denen ich in den letzten Jahren unterwegs war. Auf der einen Seite gibt es hier viele schöne Orte und auf der anderen Seite gerät man immer wieder in Industriegebiete und Gebiete, in denen die Zerstörung durch den Menschen so sichtbar wird, wie sonst nur selten.

Ein schwedischer See im Herbst

Ein schwedischer See im Herbst.

 

Endspurt zum Winterquartier

Mit großen Schritten komme ich unserem Winterquartier in Skorped nun immer näher. Dabei spüre ich auch deutlich, dass die Bevölkerungsdichte in diesem Bereich von Schweden nun immer mehr abnimmt. Leider bedeutet das nicht zwangsläufig, dass dadurch auch die Wanderetappen immer ruhiger und idyllischer werden. Im Gegenteil. Oft bin ich nun gezwungen, auf Hauptstraßen auszuweichen, weil es im Bereich der Nebenstraßen teilweise keine Orte mit Schlafplätzen mehr gibt. Zumindest keine, die noch zu Fuß an einem Tag erreichbar wären. Auch sonst werden die Etappen nun immer länger. Tage mit weniger als 30 km werden zur Ausnahme, was aber auch ganz gut ist, da ich langsam wirklich an unserem Winterquartier ankommen möchte. Ein wenig sitzt mir dabei auch die Sorge im Nacken, vielleicht zu früh vom Winter überrascht zu werden und dadurch mein Ziel womöglich gar nicht mehr zu erreichen.

Seenplatte in Schweden

Seenplatte in Schweden.

 

Schwedens tiefe Wälder

Meine Reise führt mich nun immer tiefer in die schier endlosen Wälder und ich freue mich immer wieder darüber, auch diese ursprüngliche und wilde Seite von Schweden entdecken zu dürfen. So anstrengend es dabei auch ist, dass ich immer wieder neue Hügelkuppen und kleine Berge überqueren muss, so sehr belohnt mich die einzigartige Natur hier auch mit ihren Ausblicken. Zum Übernachten werde ich dabei nun auch immer häufiger von Privatpersonen eingeladen, die zum Teil in vollkommener Alleinlage mitten im Wald wohnen. Es sind meist sehr urige Persönlichkeiten mit einem sehr eigenen Lebensstil. Aber gerade das finde ich an ihnen am sympathischsten.

Schwedische Sumpflandschaft nahe der Ostseeküste in Schweden

Schwedische Sumpflandschaft nahe der Ostseeküste in Schweden.

 
Ein Flusslauf mitten im Wald nahe der Ostseeküste, Schweden

Ein Flusslauf mitten im Wald

Wandern an der Ostseeküste von Schweden

Für die letzten 300 Kilometer musste ich dann aber doch immer wieder an die Küstenstraße ausweichen, die mich direkt an der Ostsee entlang führte. Zunächst habe ich mich darauf gefreut, doch dann musste ich leider wieder einmal feststellen, dass auch hier die Küste größtenteils zerstört wurde. Die wenigen Einwohner die Schweden in diesen Breiten noch hat, haben sich überwiegend auf die Küste konzentriert und leben größtenteils von Schwerindustrie. Holz, Stahl, Öl. Alles, was für unsere Zivilisation von zentraler Bedeutung für Anwohner und Wanderer aber die Hölle ist. Mein Weg führt mich vorbei an Raffinerien, Sägewerken und anderen Produktionsstätten, die das einst so schöne Landschaftsbild vollkommen ruiniert haben.

Das Gemeindeheim der Kirche und mein Schlaplatz für die Nacht

Das Gemeindeheim der Kirche und mein Schlafplatz für die Nacht.

 
Historische Holzkirche

Historische Holzkirche.

 
Die Holzkirche von Innen

Die Holzkirche von Innen.

 
Blick auf den Altar

Blick auf den Altar.

 

Zwischen den Welten

Es ist, als würde man hier ständig zwischen zwei Welten hin und her wechseln, denn meist reichen wenige Kilometer ins Landesinnere hinein, und man kann sich nicht einmal mehr vorstellen, dass es hier im Umkreis überhaupt so etwas wie Zivilisation geben soll. Und dann, wenn man aus dem Wald herausbricht und wieder an der Küste landet, ist die Vorstellung, es könnte hier unberührte Natur geben, geradezu absurd. Vor allem die letzten großen Städte, die ich hier direkt an der Küste durchqueren musste, waren ein Kapitel für sich. Sundsval ist eine reine Industriestadt, mitten in einer Bucht. Tatsächlich bin ich nicht einmal hindurchgewandert, sondern über eine riesige Brücke an ihr vorbei über das Meer gelaufen. Wenn ihr mich fragt, ist das vollkommen irre, was man hier mit der Küste gemacht hat! Auch Örebro und Ludvika, die letzten großen Städte im Inland waren schon ziemlich verrückt. Gar nicht so sehr, weil sie irgendwie besonders groß oder außergewöhnlich wären, sondern viel mehr, weil der Kontrast zum natürlichen und menschenleeren Umfeld so gewaltig ist.

Das Tesla-Denkmal in Ludvika

Das Tesla-Denkmal in Ludvika.

 
Die Kirche liegt hinter den Bäumen versteckt

Die Kirche liegt hinter den Bäumen versteckt.

Historische Holzschindelkirche

Historische Holzschindel Kirche.

Holzschindelkirche in Schweden

Holzschindel Kirche in Schweden

Auch die Kirchengebäude werden nun immer uriger

Auch die Kirchengebäude werden nun immer uriger

 

Hilfe von herzlichen Menschen

Zum Glück habe ich immer wieder tolle Menschen kennengelernt, die mich zum Teil über Wochen hinweg bei der Suche nach Schlafplätzen und weiteren Kontakten unterstützt haben. Christina aus Ludvika zum Beispiel, die sich wie eine Detektivin auf die Suche nach einem geeigneten Kurzzeit-Zuhause für mich gemacht hat und dabei immer wieder neue Lösungen aus dem Ärmel zaubern konnte. Selbst dann, wenn ich mich schon längst damit abgefunden hatte, dass ich die Nacht wahrscheinlich im Zelt schlafen würde.

Eine der ruhigsten Straßen der Stadt

Eine der ruhigsten Straßen der Stadt

 
Das alte Pfarrhaus

Das alte Pfarrhaus.

 
Kirchliches Gemeindezentrum

Kirchliches Gemeindezentrum.

Meine letzte Nacht vor dem "Acrtic-Winter-Poject"

Nun bin ich zu Gast bei einem sehr netten Ehepaar, die einen kleinen Aussiedlerhof mit Ferienwohnungen betreiben. Sie haben mich nicht nur mit einem fürstlichen Abendessen empfangen, sondern mir auch auf vielen anderen Ebenen Hoffnung für die Zukunft gemacht. Zum einen, weil sie einfach da waren und ich nun wusste, dass es spätestens in 45 km Entfernung zwei nette Menschen gab, die ich notfalls um Hilfe bitten konnte. Zum anderen aber auch, weil sie einen Garten hatten, in dem sie Kohl, Kartoffeln, Rüben und allerlei anderes, winterhartes Gemüse anbauten. Das hieß, es war nicht unmöglich, auch soweit im Norden noch eigene Lebensmittel anzubauen. Vielleicht würde es uns ja ebenfalls gelingen und dann konnten wir uns deutlich länger über Wasser halten, als wir es uns im Moment zutrauten.

Blick über die Wälder nahe der Ostseeküste Schwedens

Die letzte Etappe führt mich noch einmal durch tiefe Wälder.

 

Morgen nun steht dann meine letzte Etappe an. Noch einmal 45 Kilometer quer durch den Wald. Dann beginnt es endgültig: unser Projekt „Überleben im arktischen Winter!“…

 
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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