Pilgergeschichten mit Tiefe: Das Resümee des Steinzeitpilgers


Pilgergeschichten mit Froschbraten und Schnecken zum Dessert
ABENTEUER Sein 3170 Kilometer langer Fußmarsch durch Europa stellte Wildnis-Fan Heiko Gärtner vor viele Herausforderungen - körperliche und kulinarische.
Von Udo Metterlein
NEUMARKT. Es ist ein uraltes Ritual. Am Ende seines Fußmarschs durch halb Europa sprang Heiko Gärtner in die eiskalten Fluten des Atlantik und verbrannte dann seinen Pilgerdress - genau wie tausende Pilger vor ihm. In diesem Moment fühlte er sich frisch und wie neu geboren. Dabei hatte er 3170 Kilometer und eine drei Monate lange Reise in den Beinen. Doch seine Wanderung über den Jakobsweg, die ihn Anfang Oktober ans Ziel - die Kathedrale von Santiago de Compostela - führte, war auch für den Neumarkter Wildnis-Pädagogen eine große Herausforderung.

Heiko Gärtner beim Luftsprung vor der Kathedrale in Santiago de Compostela
Endlich geschafft!
Am 7. Juli startete der 31-Jährige seinen Fußmarsch im Oberpfälzer Markt Postbauer-Heng. Seine anfänglichen Reisebegleiter haben nicht so lange durchgehalten wie er. Esel Alfredo, den Gärtner eigentlich als Lastenträger vorgesehen hatte, machte schon am zweiten „Wandertag" wegen einer Magen-Kolik schlapp. Mitwanderer Josef Bogner musste auf den Rat seines Arztes hin aus der Tour aussteigen.
Vielleicht lag ihr Rückzug aber auch ein kleines bisschen an den „Gaumenfreuden", von denen sich Gärtner auf seiner Reise ernährte. Der Neumarkter aß - spärlich ausgerüstet wie ein Steinzeitmensch - nur das, was er am Wegesrand aufstöberte. Sein Speiseplan: Aus Wurzeln und Kräutern bereitete er sich „Salate" zu, würgte Heuschrecken und andere mehr oder weniger schmackhafte Insekten hinunter, briet sich Mäuse, Frösche, Schnecken oder tote Vögel, die er auf der Strecke fand, über dem offenen Feuer. Oft musste er auch hungern. Auf langen Abschnitten der Route durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Spanien war nur wenig Nahrhaftes für ihn zu finden.
Luxus gönnte sich Gärtner nur einen einzigen: Drei Paar Wanderstiefel hat er auf der Reise verschlissen. Sie haben ihn durch viele Täler, über Hügel und Gebirgskämme und durch Sturm und Regen ebenso begleitet wie durch brütende Hitze. Vor der Witterung schützte er sich durch ein Tarp - ein primitiv imprägniertes Leinentuch. Weil es bald Schimmel ansetzte, musste Gärtner improvisieren, suchte in Höhlen, unter Felsvorsprüngen oder in Mulden Schutz und fror doch in seinem dünnen Notschlafsack.

Das Leinen Tarp hielt aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht die ganze Tour
Der Inhaber einer Wildnis-Schule trat seinen Trip nicht aus religiösen Gründen an. Er wollte damit erreichen, dass das Fach „wildes Wissen" in den Lehrplan an Schulen integriert wird. Körperliche Leiden ignorierte er einfach. Bei Blasen und offenen Wunden an den Füßen biss er ebenso die Zähne zusammen wie bei einer Achillessehnen-Entzündung. Trotz Schmerzen an der Hüfte und Problemen mit den Rückenwirbeln schaffte er pro Tag nicht selten mehr als 50 Kilometer.
So oft wie möglich wanderte Gärtner abseits des Jakobsweges und damit auch weitab der Zivilisation. Meistens war er mutterseelenallein. Doch zwischenzeitlich bekam er wieder Gesellschaft. Seine zierliche Freundin Raphaela war es, die auf dem Weg quer durch die Schweiz und auf den letzten 200 Kilometern bis Santiago de Compostela tapfer und ausdauernd an seiner Seite mit stiefelte. Heiko Gärtner nennt sie deshalb liebevoll „die härteste Freundin der Welt".

Die erfahrenen Pilgergeschichten wird Heiko Gärtner wohl niemals vergessen
Interessante Pilgerinformationen und Pilgergeschichten:
Schöne und lustige Pilgergeschichten findet man unter folgendem Link. Denn seit Jahrhunderten begeben sich Menschen auf Pilgerschaft, aus allen Religionen und Kulturen in allen Teilen der Welt. Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela sind die bekanntesten und wichtigsten Pilgerziele des christlichen Abendlandes. Aber auch der Mont-Saint-Michel im Norden Frankreichs zog einst viele Pilger an.
Wie bereite ich mich auf den Jakobsweg vor? Ausrüstung, Packliste, Tipps und Vorbereitung sind das A und O. Persönliche Führung und Eigenverantwortung sollte von Grund auf vorhanden sein, um den Jakobsweg zu gehen. Wer sich mit dem Gedanken an eine Pilgerreise befasst, wird sich sehr schnell Fragen, was er alles braucht, um diese Reise in Angriff nehmen zu können. Schließlich geht es nicht um einen einfachen Spaziergang! Dennoch ist der Jakobsweg grundsätzlich auch für Menschen mit durchschnittlicher Fitness zu bewältigen.
Wie fit muss ich sein, um den Jakobsweg gehen zu können? Natürlich ist eine gewisse Grundfitness sinnvoll, aber kein kategorisches Muss um Pilgern gehen zu können. Abhängig von der Routenwahl, doch vor allem von dem Höhenprofil des Weges. Vorabtraining ist sehr sinnvoll um einen guten Einstieg und Rhythmus in den eigenen Camino zu finden.
