Pilgergeschichten mit Tiefe: Das Resümee des Steinzeitpilgers

von Shania Tolinka
14.10.2010 14:56 Uhr

Pilgergeschichten mit Froschbraten und Schnecken zum Dessert

   

ABENTEUER Sein 3170 Kilometer langer Fußmarsch durch Europa stellte Wildnis-Fan Heiko Gärtner vor viele Herausforderungen - körperliche und kulinarische.

   

Von Udo Metterlein

 

NEUMARKT. Es ist  ein  uraltes  Ritual. Am Ende seines Fußmarschs durch halb Europa sprang Heiko Gärtner  in die eiskalten  Fluten  des Atlantik  und verbrannte dann  seinen  Pilgerdress - genau wie tausende  Pilger vor ihm. In diesem  Moment  fühlte  er sich frisch und  wie neu  geboren. Dabei hatte  er 3170 Kilometer  und eine drei Monate lange Reise in den Beinen. Doch seine Wanderung über  den  Jakobsweg, die ihn Anfang Oktober ans Ziel - die Kathedrale  von Santiago de Compostela - führte,  war  auch  für   den   Neumarkter Wildnis-Pädagogen  eine große Herausforderung.

 
Heiko Gärtner beim Luftsprung vor der Kathedrale in Santiago de Compostela

Heiko Gärtner beim Luftsprung vor der Kathedrale in Santiago de Compostela

Endlich geschafft!

Am 7. Juli startete der 31-Jährige seinen Fußmarsch im Oberpfälzer Markt Postbauer-Heng. Seine anfänglichen Reisebegleiter haben nicht so lange durchgehalten  wie  er.  Esel Alfredo, den Gärtner eigentlich als Lastenträger vorgesehen hatte, machte schon am zweiten „Wandertag" wegen einer Magen-Kolik schlapp. Mitwanderer Josef Bogner musste auf den Rat seines Arztes hin aus der Tour aussteigen.

Vielleicht  lag  ihr  Rückzug  aber auch ein  kleines bisschen an  den „Gaumenfreuden", von denen sich Gärtner auf seiner Reise ernährte. Der Neumarkter aß - spärlich  ausgerüstet wie ein  Steinzeitmensch - nur  das, was  er  am   Wegesrand   aufstöberte. Sein Speiseplan: Aus Wurzeln und Kräutern  bereitete  er sich „Salate" zu, würgte   Heuschrecken und andere mehr oder weniger  schmackhafte Insekten hinunter, briet sich Mäuse, Frösche, Schnecken oder tote Vögel, die er auf der Strecke fand, über dem offenen Feuer.  Oft musste er auch hungern. Auf langen Abschnitten der Route durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich  und  Spanien  war nur  wenig Nahrhaftes für ihn zu finden.

Luxus gönnte  sich Gärtner  nur  einen einzigen: Drei Paar Wanderstiefel hat  er auf der Reise verschlissen.  Sie haben ihn durch viele Täler, über Hügel  und   Gebirgskämme und durch Sturm und Regen ebenso begleitet wie durch brütende Hitze. Vor der Witterung schützte  er sich durch ein Tarp - ein primitiv  imprägniertes Leinentuch. Weil es bald Schimmel ansetzte, musste  Gärtner  improvisieren, suchte in Höhlen,  unter  Felsvorsprüngen oder in Mulden Schutz und fror doch in seinem dünnen Notschlafsack.

 
Das Leinen Tarp hielt aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht die ganze Tour

Das Leinen Tarp hielt aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht die ganze Tour

 

Der  Inhaber  einer  Wildnis-Schule trat seinen Trip nicht aus religiösen Gründen an.  Er wollte  damit  erreichen, dass das Fach „wildes Wissen" in den  Lehrplan an Schulen integriert wird. Körperliche Leiden ignorierte er einfach. Bei Blasen und offenen Wunden an den Füßen  biss er ebenso die Zähne zusammen wie bei einer Achillessehnen-Entzündung. Trotz Schmerzen an der Hüfte und  Problemen mit den Rückenwirbeln schaffte er pro Tag nicht selten mehr als 50 Kilometer.

So oft wie möglich wanderte  Gärtner abseits des Jakobsweges und damit auch weitab der Zivilisation. Meistens war er mutterseelenallein. Doch zwischenzeitlich bekam er wieder Gesellschaft. Seine zierliche Freundin Raphaela war es, die auf dem Weg quer durch die Schweiz und auf den letzten 200 Kilometern bis Santiago de Compostela tapfer und ausdauernd an seiner  Seite mit stiefelte.  Heiko Gärtner nennt sie deshalb liebevoll „die härteste Freundin der Welt".

 
Die erfahrenen Pilgergeschichten wird Heiko Gärtner wohl niemals vergessen

Die erfahrenen Pilgergeschichten wird Heiko Gärtner wohl niemals vergessen

 

Interessante Pilgerinformationen und Pilgergeschichten:

Schöne und lustige Pilgergeschichten findet man unter folgendem Link. Denn seit Jahrhunderten begeben sich Menschen auf Pilgerschaft, aus allen Religionen und Kulturen in allen Teilen der Welt. Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela sind die bekanntesten und wichtigsten Pilgerziele des christlichen Abendlandes. Aber auch der Mont-Saint-Michel im Norden Frankreichs zog einst viele Pilger an.

Wie bereite ich mich auf den Jakobsweg vor? Ausrüstung, Packliste, Tipps und Vorbereitung sind das A und O. Persönliche Führung und Eigenverantwortung sollte von Grund auf vorhanden sein, um den Jakobsweg zu gehen. Wer sich mit dem Gedanken an eine Pilgerreise befasst, wird sich sehr schnell Fragen, was er alles braucht, um diese Reise in Angriff nehmen zu können. Schließlich geht es nicht um einen einfachen Spaziergang! Dennoch ist der Jakobsweg grundsätzlich auch für Menschen mit durchschnittlicher Fitness zu bewältigen.

Wie fit muss ich sein, um den Jakobsweg gehen zu können? Natürlich ist eine gewisse Grundfitness sinnvoll, aber kein kategorisches Muss um Pilgern gehen zu können. Abhängig von der Routenwahl, doch vor allem von dem Höhenprofil des Weges. Vorabtraining ist sehr sinnvoll um einen guten Einstieg und Rhythmus in den eigenen Camino zu finden.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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