Tag 1492 bis 1495: Servicewüste Europa
Fortsetzung von Tag 1491:
In Sachen Computerkauf ging es uns kurt darauf übrigens genauso. Wir besuchten insgesamt vier verschiedene Geschäfte mit Computern im Angebot, zwei davon waren Fachhandel, einer war eine große Supermarktkette und einer ein Buch- und Medienhandel.
In jedem einzelnen dieser Läden gab es Servicepersonal, dessen Offizielle Aufgabe es war, die Kunden zu beraten und ihnen weiter zu helfen. Dennoch hatten wir ausnahmslos das Gefühl, vollkommen auf uns gestellt zu sein. Die einzigen Informationen, die uns die Verkäufer über ein Produkt geben konnten, waren jene, sie direkt nebenan auf der Beschreibungsplakette standen. Selbst mit so einfachen Fragen wie „Was wiegt das Gerät im gesamten?“ oder „Wie lange ist die Akkulaufzeit?“ war jeder überfragt. Die Antworten, sofern überhaupt eine kam, lauteten stets so etwas wie: „Computer in der Größe haben alle etwa 10 Stunden Akkulaufzeit, also würde ich vermuten, dass dieser hier so 8 bis 12 Stunden halten wird!“
Andere hingegen gaben präzise Auskünfte auf die gleiche Frage wie beispielsweise „11 Stunden!“ Doch wenn man nachfragte, wie sie auf diese Zahl kamen, stellte sich schnell heraus, dass sie einfach haltlos ins Blaue geraten waren, um dem Kunden eine Antwort geben zu können.
Dabei muss man jedoch sagen, dass die Menschen, die uns hier so fleißig nicht berieten, immer noch die freundlichsten und hilfsbereitesten waren, denn die meisten Servicemitarbeiter, die wir finden konnten, reagierten entweder überhaupt nicht auf eine Anfrage oder zeigten sich so genervt, dass man sofort das Bedürfnis hatte, sich für die Störung zu entschuldigen und das Weite zu suchen. So richtig leuchtete mir der Vorteil eines realen Marktes gegenüber einem Online-Shop nun nicht mehr ein. Denn im Internet konnte man sich zumindest alle technischen Daten anzeigen lassen und musste sich nicht mit den wenigen Grundinformationen eines Beipackzettels begnügen.
Teilweise waren die Antworten und Auskünfte, die wir bekamen, sogar so unverschämt, dass wir die Läden immer wieder für eine Weile verlassen mussten, um uns wieder zu beruhigen. Zum Glück sind in Europa die meisten Elektronikläden immer auch von unzähligen Fressbuden umgeben, so dass wir immer wieder kleine Picknicks mit Pommes, Pizzen oder Dönern einlegen und die ganze Situation noch einmal reflektieren konnten.
Das schlimmste war eigentlich gar nicht der fehlende Service, sondern viel mehr die fehlende Produktauswahl. Vor zwei Jahren war ich in Italien in einen einzigen Elektronikmarkt gegangen, hatte mich rund zehn Minuten umgesehen und war mit einem einfachen, billigen, dafür aber leichten und zweckmäßigen Computer wieder gegangen. Nun wusste ich sogar genau was ich suchte, konnte es aber nicht finden, da man jene Billigcomputer mit der Fähigkeitspalette einer erweiterten Schreibmaschine und dem Gewicht eines Spiralblocks leider wieder vom Markt genommen hatte. Stattdessen gab es nun sogenannte Hybrid-Rechner, die eine Mischung aus Laptop und Tablet-PC waren. Sie lagen nicht nur weit über meinem Budget, sondern waren dazu auch noch schwerer als so manche Schreibmaschine. Und das trotz ihrer winzigen Größe. Doch es war natürlich kein Wunder, wenn man nun dazu überging, alles aus Glas und Metall zu bauen, anstatt aus Kunststoff und Plexiglas wie noch vor einem Jahr. Ein Rechner mit 10 Zoll konnte nun locker dreieinhalb Kilo wiegen und dabei keine besonderen Fähigkeiten besitzen. Wenn es uns dann hingegen gelang, doch hin und wieder einmal einen Billigcomputer aufgzutreiben, der meinem letzten Modell ähnelte, dann mussten wir feststellen, dass er in den letzten Zwei Jahren nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert wurde, dafür aber nun mehr kostete. Wie war so etwas möglich? Früher konnte man einen Computer kaum aus dem Geschäft tragen, ohne dass seine Technik bereits veraltet war und nun gab es innerhalb von zwei Jahren lediglich ein paar Rückschritte? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein, oder?
Aber für was also sollte ich mich nun entscheiden?
Einen Computer der meinen Vorstellungen entsprach gab es nicht. Das einzige, das einigermaßen in einem Rahmen lag, der erschwinglich und sinnvoll erschien war das Lenovo Yoga-Book, ein kleiner Computer, der schon halb ein Tablett war und eine ebene Fläche anstelle einer Tastatur besaß. Man konnte ihn so umstellen, dass man mit einem Stift darauf zeichnen oder schreiben konnte, oder man konnte sich eine aufgemalte, beleuchtete Tastatur anzeigen lassen, die ähnlich funktionierte, waie die eines Touchscreens. Abgesehen von dieser seltsamen Tastaturvariante war der Computer nicht schlecht und so wurde er schließlich zum Gerät unserer Wahl. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass er viele Vorteile besitzt und ein ganz passierliches Gerät ist, wenngleich ich mich mit der Tastatur bis heute noch nicht so richtig anfreunden konnte.
Obwohl unser guter Yoga-Freund bereits im ersten Laden ausstellig war, durchkämmten wir die ganze Stadt und ich konnte mich erst zu einem Kauf durchringen, nachdem ich alle anderen Optionen ausgeschlossen hatte. Allein der Verkäufer in diesem Laden führte dazu, dass ich mich nur schwer auf den Kauf einlassen konnte, denn er setzte alles daran, der mit Abstand unfreundlichste und unhilfreichste Berater zu sein, den die Computerwelt je gesehen hat. Und bei der enorm hohen Konkurenz war das eine erstaunliche Leistung. Erst deutlich später wurde mir bewusst, dass eine der großen Lektionen an diesem Tag im Lernen und Trainieren von Güte lag. Ich selbst war durchaus auch ein Mensch, der durch seine Komplexe und Programmierungen anderen Menschen das Leben schwerer machen konnte, als es sein musste. Gerade daher sollte ich versrändnis für solche Situationen haben und nicht jedes Mal vor Hass verglühen. Aber gerade weil ich die gleichen Te denzen in mir spürte, kochte der Hass hoch. Doch Hass kann nichts anderes tun, als das was da ist zu verstärken. Aus diesem Grund war es so wichtig, güte zu zeigen und andere (also mich selbst) trotz und gerade wegen ihrer Fehler anzunehmen und zu lieben.
In einer Situation am Abend fiel mir das leichter. Af dem Weg zur Pizzaria wurde ich von einem Obdachlosenpärchen angehalten. Der Mann trug bereits drei tätowierte Tränen neben dem Auge, als Symbol für die Menschen, die er getötet hatte. Doch anders als der Mann im Kaufhaus verhielt er sich vollkommen respektvoll und fürsorglich, auch und vor allem der Frau gegenüber. Er bad mich seine begleiterin zu segnen und ihr bei einer Entscheidung zu helfen. Sie hatte eine recht schwere Krankheit hinter sich und war gerade auf dem Weg der Besserung. Nun aber sollte sie einen Arzt aufsuchen, der meinte eine Operation an ihr durchführen zu müssen. Der Mann sah das sehr skeptisch und vermutete, dass es nur um eine Abzocke der Verschdrung handelte, unter der seine Freundin vielleicht ewig leiden würde. Auch sie war keineswegs überzeugt von der Behandlung, fürchtete sich aber, erwas gegen die Diagnose eines so autoritären Arztes zu sagen. Ich ließ mir alles genau beschreiben und kam letztlich zum selben Schluss wie der Freund. Eine weitere Behandlung brachte hier niemandem mehr etwas, abgesehen vom Konto des Arztes.
Nachtrag:
Als wir wenig später wirklich noch einmal in Deutschland nach Computern schauten stellten wir fest, dass sie hier noch einmal deutlich teurer waren, ohne mehr zu bieten. Für den Computer, den ich gekauft habe, hätte ich hier noch einmal rund 150€ mehr auf den Tisch legen müssen...
Spruch des Tages: Service ist heute wohl kaum mehr, als eine Legende von etwas, an das bald kaum noch jemand glauben wird.
Höhenmeter 43m / 68m / 39m / 52m
Tagesetappe: 16km / 21km / 19km / 22km
Gesamtstrecke: 28.03,27km
Wetter: Kalt und Windig
Etappenziel 1: Gemeindehaus der Kirche, Kauslunde, Dänemark
Etappenziel 2: Gemeindehaus der Kirche, Nörre Aaby, Dänemark
Etappenziel 3: Gemeindehaus der Kirche, Ejby, Dänemark
Etappenziel 4: Pfarrhaus, Aarup, Dänemark