Survival-Check: So realistisch sind Filmszenen

von Shania Tolinka
04.04.2017 13:12 Uhr

ÜBERLEBE!

In Filmen überstehen die Helden lebensbedrohliche Situationen. Aber welche Szenen sind realistisch? Der Survival-Check!

Texte: Michael Güthlein

AUS DER REDAKTION: Die Survival Experten HEIKO GÄRTNER und FRANZ BUJOR erklären, wie realistisch Szenen aus Abenteuerfilmen sind.

DER KÖRPER IST ’NE HARTE SAU

Im Film überstehen die Protagonisten oft extreme Situationen. JS hat zwei Survival-Experten Szenen aus Abenteuer- und Actionfilmen gezeigt und sie gefragt, wie realistisch die Szenen ohne einen Survivial-Check sind.

Wichtig ist zudem die mentale Stärke, wie hier beim Survival-Check

Wichtig ist zudem die mentale Stärke, wie hier beim Survival-Check

„127 HOURS“

Die Szene: Aron Ralston (James Franco) klettert durch einen Canyon. In einer Felsspalte löst sich ein Brocken, er stürzt und klemmt sich einen Arm ein. Er steckt fest und ernährt sich über fünf Tage lang von einem Rest Wasser in seiner Flasche und von seinem eigenen Urin. Später trennt er sich mit einem Taschenmesser den eigenen Arm ab, um freizukommen. Der Film basiert auf den echten Erlebnissen von Ralston.

Expertenmeinung: Der Körper nimmt den Urin wieder auf und zieht daraus die Flüssigkeit. Das Problem ist, dass über den Urin Giftstoffe ausgeschieden werden. Pro Tag fließen 1500 Liter Blut durch die Niere, und der Mensch scheidet ein bis eineinhalb Liter Urin aus. Das heißt, der Urin hat beim ersten Mal pinkeln noch relativ wenig Giftstoffe. Das Gebräu wird aber immer giftiger, da der Körper durch Schwitzen und Atmen weiter Flüssigkeit verliert und so die Giftstoffkonzentration im Harn steigt. Die schmauchen und verkohlen. Wenn Luft rankommt, kann sich Organe müssen mehr arbeiten, um mit der höheren Belastung fertig zu werden. Die Muskeln übersäuern. Man wird schwächer. Normalerweise verdurstet ein Mensch in etwa drei bis vier Tagen. Durch diese Methode könnte er es um einige Tage aufschieben. Dazu sind auch sein Gesundheitszustand und die Ernährung wichtig. Wenn wenig Giftstoffe im Körper sind, hält man es länger aus. Wichtig ist zudem die mentale Stärke. Die hat Aron Ralston bewiesen. Er hat sich den Arm abgeschnitten, um wieder freizukommen. Sein Vorteil war, dass er nach fünf Tagen so wenig Flüssigkeit in sich hatte, dass er kaum noch geblutet hat. 3/5 Punkten Wie realistisch ist das? Die gesamte Situation überlebt vielleicht einer von tausend, aber offensichtlich ist es möglich. Urin kann man auf jeden Fall trinken, um nicht zu verdursten. Das mit dem Arm hat ihm das Leben gerettet, hätte ihn aber unter anderen Umständen auch umbringen können.

Eisbaden ist eine absolute Überwindung beim Survival Check

Eisbaden ist eine absolute Überwindung beim Survival Check

„THE REVENANT – DER RÜCKKEHRER“

Die Szene: Leonardo di Caprio spielt einen Pelzjäger, der 1823 in der nordamerikanischen Wildnis vor Indianern flieht. Er stürzt mit seinem Pferd über eine Klippe und überlebt, das Pferd stirbt. Weil ein Schneesturm aufzieht, schneidet er das Pferd am Bauch auf, entnimmt die Organe, zieht sich aus und übernachtet im Kadaver, um so dem Erfrierungstod zu entgehen.

Expertenmeinung: Vermutlich würde er das nicht überleben: Er ist durchnässt, verletzt und geschwächt. Schnee und nasse Kleidung ergeben eine ideale Kältebrücke. Im Pferd erginge es ihm ähnlich wie in seiner Kleidung. Direkt nach dem Tod wäre es darin zwar tatsächlich warm, das hält aber nicht die ganze Nacht. Wenn die Organe weg sind, kühlt auch der Pferdekadaver aus. Das ist nur dünnes Leder, er liegt dann feucht in einem kalten Raum. Er hätte lieber gleich ein Feuer machen und das Pferd mit Stöcken als Schutzraum aufspannen sollen. Zudem hätte er das Fleisch essen können, was ihm noch Energie gegeben hätte.

1/5 Punkten Wie realistisch ist das? Unter idealen Bedingungen hätte er eine geringe Chance, es zu überleben. Da er schon so ausgelaugt ist, würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne einen Survival-Check erfrieren.

Survivallehrer Heiko Gärtner beim Jagen und Fährtenlesen

Survivallehrer Heiko Gärtner beim Jagen und Fährtenlesen

„CAST AWAY – VERSCHOLLEN“

Die Szene: Tom Hanks Figur strandet nach einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Südseeinsel. Er reibt mit einem Stock auf einem Stück Holz, um Feuer zu machen.

Expertenmeinung: Er hat sich mit Abstand die schwierigste Methode ausgesucht: das Feuersägen. Durch hohen Druck und schnelle Reibung erzeugt er einen Abrieb – so ähnlich wie Sägespäne. Die erhitzen sich stark, glimmen, schmauchen und verkohlen. Wenn Luft rankommt, kann sich Glut entwickeln. Mit der Kraft und Geschwindigkeit, die Tom Hanks im Film aufbringt, ist das völlig unrealistisch. Die Hin-und-Her-Bewegung ist auch 1000-mal anstrengender als eine Kreisbewegung mit einem „Bohrer“ beim sogenannten Hand Drill oder Bow Drill. Beim Feuer machen muss alles passen: die Kombination der Hölzer (ein hartes und ein weiches), der Winkel, die Luftzufuhr und das Zundernest. Das muss auf eine bestimmte Art aufgebaut werden und das Material muss passen. Wenn wir Leuten in unserer Wildnisschule beigebracht haben, Feuer zu machen, mussten sie erst ein 250-Seiten-Skript über Brennmaterialien lesen. Feuer machen ist eine hohe Kunst.

2/5 Punkten

Wie realistisch ist das? Grundsätzlich kann man so Feuer machen, aber Hanks macht so ziemlich alles falsch. Das Realistischste an der Szene ist Hanks’ Freude, wenn das Feuer brennt. So reagieren alle das erste Mal!

a weitzel survivalmesser

Ein Weitzel Survivalmesser ist hervorragend als Survival Equipment geeignet

„AUF MESSERS SCHNEIDE“

Die Szene: Anthony Hopkins spielt einen Milliardär, der in der Wildnis von Alaska abstürzt. Um den Rückweg zu finden, bastelt er aus einer Büroklammer einen Kompass: Er biegt die Klammer auseinander, reibt sie  an seinem Seidenhemd, legt sie auf ein Blatt und das Blatt in eine Pfütze. Anschließend richtet sich das Blatt  nach Norden aus. Im Film geht das schief, weil seine Gürtelschnalle die Nadel ablenkt.

Expertenmeinung: Das funktioniert sogar ziemlich gut! Vorausgesetzt, man schafft es, die Nadel zu magnetisieren, zum Beispiel indem man sie an Seide oder Fließ reibt. Oder wenn man zufällig einen kleinen Magneten dabeihat. Unrealistisch ist eher die Ablenkung durch die Gürtelschnalle. Der Effekt wäre zu gering. Mobiltelefone lenken Kompassnadeln viel stärker ab. Die sollte man in so einem Fall weiter weglegen. Alternativ kann man einen Stab in die Erde stellen und den Schatten beobachten. Mit Steinen kann man die Bewegungsrichtung nachverfolgen. So lässt sich eine Ost-West-Achse sehr präzise berechnen.

4/5 Punkten

Wie realistisch ist das? Er findet zuverlässig beim Survival-Check heraus, wo Norden ist. Das ist aber nur ein erster Schritt, um sich in der Wildnis zu orientieren.

Auch die Vollversorgung mit Wildnahrung gehört zu einem solchen Intensivcamp dazu.

Auch die Vollversorgung mit Wildnahrung gehört zu einem Intensivcamp dazu.

„RAMBO III“

Die Szene: Rambo (Sylvester Stallone) ist verletzt. Ein Holzsplitter hat seine Hüfte durchbohrt. Er drückt den Splitter durch die Wunde aus seinem Körper und verschließt sie,  indem er Schießpulver darauf schüttet und es anzündet. Das Feuer brennt durch den Wundkanal und verödet die Gefäße – die Blutung stoppt.

Expertenmeinung: Wenn man sich in jeder Situation zu 100 Prozent wie Rambo verhält, kann einem eigentlich nichts passieren! Ansonsten stehen die Chancen eher schlecht: Das Schießpulver bekäme er nicht  in die Wunde, da es durch den Blutfluss wieder rausgespült werden würde. Falls doch, würde es feucht werden und nicht zünden. Es ist unmöglich, dass es durch den ganzen Wundkanal brennt, da das  Gewebe aufeinanderdrückt und den Kanal so versperrt. Uns selbst wenn: Man würde zwar viele  kleine Blutgefäße verschließen, nicht aber die größeren Adern. Die müsste er ertasten, zwischen  Zeigefinger und Daumen packen, etwas rausziehen (ja, das geht!) zusammendrücken, mit einer  heißen Klinge von oben darauf pressen und von unten mit einem harten Gegenstand dagegenhalten. So könnte er die großen Adern veröden. Oder aber mit einer Nylonschnur abbinden. Das hält aber nur eine gewisse Zeit und ist nicht besonders steril. Das einzig Positive ist, dass er sofort eingreift, um die Blutung zu stoppen.

0/5 Punkten 

Wie realistisch ist das? Wenn man Rambo ist, überlebt man das locker! Ansonsten nicht.

Bushcraft-Skills-Grasboot-bauen-

Bushcraft Skills beim Grasboot bauen

„ALL IS LOST“

Die Szene: Robert Redford segelt auf dem Indischen Ozean. Sein Schiff wird von einem Container gerammt und sinkt. Er bringt sich mit dem Rettungsboot in Sicherheit. Weil er kein Trinkwasser mehr hat, schneidet er einen Kanister in der Mitte durch. Er füllt  etwas Meerwasser in eine Hälfte, stellt eine Tasse in die Mitte des Kanisters auf den Boden, legt eine Folie über den  Kanister und beschwert die Folie in der Mitte mit einem Stein. Durch die Sonne verdunstet das Wasser im Kanister,  sammelt sich oben an der Folie, läuft zur Mitte und tropft in die Tasse.

Expertenmeinung: Die Vorrichtung, die er bastelt, ist wie aus dem Lehrbuch, aber nicht besonders effektiv. Er verdurstet so vielleicht einen Tag später. Die Krux an seiner konkreten Situation ist die: Je stärker die Sonne scheint, desto stärker verdunstet das Wasser und desto effektiver ist sein Aufbau. Aber desto schneller dehydriert er auch, weil er mehr schwitzt. Noch dazu ist er auf dem Meer, atmet also salzige Luft, hat Salzwasser auf der Haut und trocknet somit insgesamt schneller aus. Die Methode, die er nutzt, wird in Wüsten eingesetzt. Es würde vielleicht ausreichen, wenn er eine sechs Mal acht Meter große Plane hätte, aber nicht nur so ein kleines Stück Folie. Eine Alternative für den Survival-Check wäre, Fische zu fangen. Je nachdem, wie groß sie sind, kann man über das Fleisch auch viel Wasser aufnehmen.

3/5 Punkten Wie realistisch ist das? Das Konzept an sich funktioniert, hilft ihm in seiner Situation aber nicht weiter.

wasser destillieren

Wasser zu destilieren ist manchmal sehr erforderlich

„THE WAY BACK“

Die Szene: Eine Gruppe von Zwangsarbeitern flieht in den 1940ern aus einem sibirischen Gulag. Sie laufen erst wochenlang bei Eiseskälte durch die Taiga und dann wieder bei großer Hitze durch die Wüste Gobi. Sie haben zwar Trinkwasser und Nahrung, aber kein Zelt dabei.

Expertenmeinung: Es kommt sehr auf die Leute an, ob sie das schaffen. Im Film sind es Zwangsarbeiter. Im Lager haben nach einer bestimmten Zeit wahrscheinlich eh nur die Härtesten überlebt. Unser Körper ist eine harte Sau. Wenn man seinen Lebenswillen behält, kann man viel erreichen, insbesondere als Gruppe. Dadurch, dass sie unterschiedliche Bereiche durchwandern, merken sie eine Veränderung, sie kommen vorwärts. Das tut der Psyche gut.  Unser Körper hat noch dazu unglaubliche Fähigkeiten, sich an extreme Temperaturen anzupassen. Wichtig ist auf so  einer langen Reise, seine Wunden beim Survival-Check zu versorgen, sonst droht eine Blutvergiftung.  Außerdem darf man nicht zu schnell gehen. Wenn man schwitzt, ist das schlecht,  weil sich so eine Kältebrücke bildet.

5/5 Punkten

Wie realistisch ist das? Das Wichtigste ist der Lebenswille: Die Vorstellung, in Freiheit zu sterben, treibt an. Da ist jeder Tag  ein Geschenk und eine Herausforderung, um sein Leben wiederzugewinnen.

DIE EXPERTEN: Heiko Gärtner (37) ist ausgebildeter Nationalpark-Ranger, Höhlenretter, Bergretter und Fachwirt im Bereich Natur- und Landschaftspflege. Er betrieb eine Erlebnis- und Wildnisschule in Neumarkt. Franz Bujor (31) hat Kulturpädagogik studiert und Ausbildungen zum Erlebnispädagogen, Kletter- und Hochseilgartentrainer, Wildnislehrer und Survival-Guide absolviert. Beide haben verschiedene Naturvölker wie die Maori in Neuseeland besucht, sind in steinzeitlicher Manier 3300  Kilometer von Neumarkt in der Oberpfalz bis nach Santiago de Compostela gewandert, als Obdachlose durch Deutschland gereist und haben blind die Zugspitze bestiegen. Seit Januar 2014 wandern sie ohne Geld durch Europa, um Spenden für gemeinnützige Projekte zu sammeln. Link: www.lebensabenteurer.de

Folgende Hinweise gibt für eine Survival-Check Liste:

- eine sichere Trinkwasserversorgung stellt die erste Überlebensgrundlage dar - der Bau einer Behausung oder eines gesicherten Rückzugsbereiches ist existenziell - nährvolle Nahrungssuche bzw. Nahrungsaufnahme, Jagen und Fischen durch Fallen stellen und gezieltem platzierte von Reusen sind zwei bewehrte Jagdmethoden - regelmäßige Kontrolle des Körpers auf kleinere, auch harmlos erscheinende Verletzungen - auch die physische Gesundheit ist grundlegend, um Überleben zu können

TIPP: die Survival Bag Checklist, die Survival Gear Checklist oder der Survival Kit Kontents Check beinhaltet alle wichtige auf einen Blick!

In unserem gegenwärtigen Geschehen spitzen sich politische Umstände und weltwirtschaftliche Krisen immer weiter zu und stehen beinahe unausweichlich bevor.  Kriegs-und Krisenausbrüche stellen keine Ausnahme mehr für viele Länder dar. Daher ist grundlegendes Wissen, wie man in einer solchen Situation überleben kann und welche Survival Ausrüstung man hierfür dringend benötigt, unablässig.

Shania Tolinka
Shania Tolinka ist Reflexzonentherapeutin, Altenpflegerin und Blog-Autorin. Das Erwecken und Annehmen der eigenen Weiblichkeit, der Umgang mit traumatischen Erlebnissen, sowie die Frage, wie man bereichernde, erfüllende Beziehungen zu sich, seinem Partner und der Natur aufbauen kann, sind Themen, die ihr besonders am Herzen liegen. Aber auch im Bereich von gesunder Ernährung, Heilmassagen und Heilkräutern ist sie Expertin. Seit 2020 ist sie als Vollzeitmitglied der Lebensabenteurer-Herde dabei.

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