Tag 1287: Das Dharma von Franz

von Heiko Gärtner
18.11.2017 05:53 Uhr

Fortsetzung von Tag 1286:

Auch bei meinem Dharma kam ich ein gutes Stück weiter, obwohl ich es noch nicht so klar sehen kann, wie das von Shania. Dabei war ebenfalls zunächst einer meiner Ahnen der Fährtengeber, der mich auf die richtige Spur brachte. In meinem Fall war es mein Opa, der kurz vor Beginn unserer Reise gestorben war und in vielerlei Hinsicht ähnliche Vorstellungen vom Leben hatte wie ich. Auch in seinem Fall waren es die Beziehungen zu Frauen gewesen, die ihn immer wieder von seinem Weg abgebracht und ihn in Situationen festgehalten hatten, in die er nie hatte geraten wollen. Auch wenn er anders als ich fast immer in Beziehungen steckte, fand er darin jedoch nie Erfüllung oder Zufriedenheit. Er war in gewisser Weise für mich ein Spiegel, der mir zeigte, was passieren würde, wenn ich ich nicht auf mein Leben als Mönch einließ. Oder besser: Er hatte versucht, sein Dharma ohne diesen Weg zu erfüllen, hatte es aber nicht geschafft und die Aufgabe daher an mich weiter gegeben.

Wohin wird ihn der Lebensweg führen?

Wohin wird ihn der Lebensweg führen?

Der Kernschlüssel lag auch bei mir in der Polarität zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit, nur auf eine ganz andere Art und Weise, als es bei Shania der Fall war. Während sie lernen musste, sich ganz in die Rolle der weiblichen Kraft fallen zu lassen, bestand meine Aufgabe darin, beide Kräfte in mir zu vereinen. Mein ganzes Leben lang hatte ich erfolglos versucht, männlich zu werden, doch dies war offenbar gar nicht meine Aufgabe. Jetzt im Nachhinein frage ich mich sogar ein bisschen, wie ich je auf diese Idee gekommen war. Ich hatte mich nie dementsprechend gefühlt sondern war stets ein Vermittler zwischen beiden Geschlechtern gewesen. Als Kind und auch später in der Uni hatte ich fast ausschließlich weibliche Freunde gehabt und seltsamer weise fühlte ich mich zumeist am wohlsten, wenn ich mit Paaren umgeben war. Die meisten Menschen fühlen sich wie ein fünftes Rad am Wagen, wenn Sie als Single mit einem Paar zusammen sind. Ich hingegen hatte dies immer als eher entspannt und angenehm wahrgenommen.

Nicht immer ist der LEbensweg klar ersichtlich

Nicht immer ist der LEbensweg klar ersichtlich

So wie es nun aussah, bestand mein Dharma auch nicht darin, einen der beiden Pole zu verkörpern, sondern darin, die Harmonie zwischen beiden herzustellen und auf diese Weise den Rahmen zu schaffen, so dass sich jeder vollständig in seine Kraft fallen lassen kann. Anders als bei Heiko, der vor allem männliche Energie in sich trug und als bei Shania, die zwar aufgrund der Filme stets versucht hatte ihre Weiblichkeit zu verdrängen und ein Neutrum oder ein Junge zu werden, jedoch stets am äußeren Ende der Weiblichkeitsskala zuhause war, vereinte ich beide Kräfte fast zu gleichen Teilen in mir. Und genau darin bestand auch meine Stärke und meine Aufgabe. Doch anders als Shania, die stets angehalten wurde, ihre Weiblichkeit aufzugeben und neutral zu werden, hatten meine Filme mich stets dazu aufgefordert, eine Männlichkeit vorzutäuschen oder ihr nachzueifern, obwohl ich kein Gefühl dazu hatte. Und je mehr ich es versuchte, desto unauthentischer wirkte es. Was ja auch kein Wunder ist, wenn es nichts mit mir zu tun hat und einfach nicht mein Weg ist.

Auch Hindernisse müssen beim Lebensweg überwunden werden.

Auch Hindernisse müssen beim Lebensweg überwunden werden.

Unsere Reise selbst verlief heute reibungslos und auch das Ankommen war ein Kinderspiel. Im Ort gab es eine Kirche mit einer großen Gemeindehalle und nicht weit entfernt wohnte ein Mann, der dafür den Schlüssel hatte. “Naja,” sagte er aug meine Frage hin, “Alle, die für unsere Kirche verantwortlich sind, sind im Urlaub, also werde ich die Entscheidung wohl alleine treffen müssen! Dann sage ich einfach mal “Ja!” Und schließe euch auf!”

Später kam er noch einmal mit einer großen Tüte Essen vorbei. Ansonsten sahen wir den Rest des Tages niemanden mehr.

Spruch des Tages: Mein Weg ist der Weg der Mitte

Höhenmeter: 630 m

Tagesetappe: 42 km

Gesamtstrecke: 23.897,27 km

Wetter: Sonnig und warm, abends leichter Regen

Etappenziel: Kirche, Achahoish, Schottland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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